Anruf genügt
Ursula Bökmann lässt sich nicht leicht entmutigen. Seit zehn Jahren ist die 48-Jährige Vorsitzende der Caritas-Konferenz (CKD) in Westenholz, einem Ortsteil von Delbrück mit 3500 Einwohnern. Die Mitglieder wurden im Lauf der Jahre weniger und älter. In den ersten vier Jahren ihrer Amtszeit verkörperte sie deshalb allein den kompletten Vorstand: Vorsitzende, Schriftführerin und Kassiererin. Doch Ursula Bökmann ist eine pragmatische Frau. In Eigenregie erstellte sie ein vierseitiges Heft im DIN A5-Format - schlicht schwarz auf weiß und selbst gedruckt. Auf den Seiten fand sich eine Beschreibung der Dienste, die die Caritas-Konferenz leistet sowie zwei Telefonnummern: ihre eigene und die vom Pfarrbüro.
"So entstand das Notfalltelefon", sagt Ursula Bökmann heute. Die ersten Anrufe kamen zögerlich. "Das musste sich zuerst im Dorf herumsprechen." Doch schon nach wenigen Monaten riefen immer mehr Westenholzer hilfesuchend an. In ihren Berichten hat Ursula Bökmann festgehalten, was sie erlebt hat. Da war die Schwangere, die ab sofort nicht mehr aufstehen durfte, und eine Haushaltshilfe brauchte. Ursula Bökmann sprang ein, bis eine Familienhilfe von der Krankenkasse kam.
Da war der 80-Jährige, der sich an einem Freitag um 13.30 Uhr meldete, weil es seiner Frau plötzlich schlechter ging. Ursula Bökmann fuhr zu dem kinderlosen Ehepaar, beruhigte den Ehemann, wechselte die Seniorenwindel, rief bei der Sozialstation an und benachrichtigte den Arzt. "Pfarrer angerufen um 17.30 Uhr", schreibt sie in ihren Aufzeichnungen, "um 18.00 Uhr ist die Frau verstorben, bis 22.00 Uhr bei dem Ehemann geblieben."
Es waren nicht immer dramatische Einsätze. Manchmal hat Ursula Bökmann auch nur ein krankes Kind von der Schule abgeholt, weil die Mutter verhindert war. Oder sie hat einer älteren Frau vor deren Fahrt ins Krankenhaus die Wäsche gebügelt. "Es rufen auch Leute an, wenn jemand gestürzt ist", sagt sie. Vor einigen Jahren hat die CKD einen Rollator und einen Rollstuhl für solche Fälle angeschafft.
Auf ein bis zwei Stunden je Woche schätzt Ursula Bökmann ihren Aufwand für das Notruftelefon. Warum sie das macht? "Für mich war immer wichtig, Menschen, die in Not sind, nach besten Kräften zu helfen." Außerdem: Ursula Bökmann ist seit ihrer Heirat 1987 eine überzeugte Westenholzerin. Die gute Dorfgemeinschaft liegt ihr am Herzen.
"Gemeinsam werden wir das schaffen" hat sie auch im letzten Sommer in den Pfarrbrief geschrieben, als sie um Mithilfe bei der Betreuung der Flüchtlinge in Westenholz bat. Seitdem hat sich vieles geändert. Mittlerweile gehören etwa 20 Westenholzer der ehrenamtlichen Gruppe an, die in Flüchtlingsheime geht, Flüchtlinge begleitet, ihnen im Alltag hilft.
"Das ist projektorientierte Arbeit", sagt Ursula Bökmann. "Die CKD steht im Hintergrund." Dennoch ist es ein neues Gefühl für die Vorsitzende, die sich mit ihren wenigen Unterstützerinnen in der CKD an das Alleinkämpfer-Dasein gewöhnt hatte.
Wenn Ursula Bökmann im Verlauf des Jahres aus beruflichen Gründen nicht mehr zur Wiederwahl als CKD-Vorsitzende antritt, wird es Nachfolgerinnen geben. Nicht aus den Reihen der Flüchtlingshelfer. "Aber die Neuen haben uns motiviert", sagt Ursula Bökmann, die CKD in Westenholz könnte einen neuen Anfang schaffen. Auch das Notruftelefon wird weiter bestehen. Ursula Bökmann hat es ja vorgelebt: Es geht um die Gemeinschaft und das, was jeder dazu beitragen kann.