Keine Integration ohne Vertrauen
Sie sind jung, alleine unterwegs und haben eine strapaziöse Reise hinter sich. In der Jugendhilfe St. Elisabeth finden sie eine neue Heimat. Gut 100 unbegleitete minderjährige Jugendliche betreut die Einrichtung an vier Standorten in Dortmund - eine tägliche Herausforderung für Erziehungsleiter Dirk Meier und sein Team.
Wer es nach Europa schafft, gehört vor allem zu dieser Gruppe: "Die starken, die jungen Männer. Doch die sind hier heillos überfordert", weiß Meier. Zwar sind sie den Schrecken in ihrer Heimat entkommen, allerdings nicht den Erinnerungen. Eine anstrengende und gefährliche Flucht liegt hinter ihnen. Doch da gibt es noch etwas, was an den Jugendlichen nagt: Die Angst um die zurückgelassene Familie. "Sie haben zwar Handys und halten so Kontakt." Die Furcht, dass den Angehörigen etwas zustößt, die sei immer gegenwärtig. Und die Angst, die Erwartungen nicht zu erfüllen. Deshalb machen sich viele Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern wie Eritrea sogar älter, als sie tatsächlich sind. "Sie haben die Hoffnung, so schneller eine Arbeitserlaubnis zu bekommen und Geld heimschicken zu können."
Dirk Meier hat deshalb schon oft beobachtet, dass unbegleitete jugendliche Flüchtlinge oft gereizt sind. "Aber ist das nicht jeder nach einer langen Reise?", fragt der Erziehungsleiter. Problematisch sei es dann aber, sich bei diesem Stress zu integrieren und Deutsch zu lernen. "Diese jungen Menschen müssen sich erst mal in Sicherheit wissen.
Doch wie soll man sich sicher fühlen und Vertrauen zu der neuen Heimat aufbauen, wenn mit Erreichen der Volljährigkeit die Abschiebung droht? Beispiel Albanien: Zwar herrscht dort kein Krieg, dennoch treibt die wirtschaftliche Not zahlreiche Jugendliche ins Ausland. "Viele können nicht zurück, weil sie die Hoffnung der Familien nicht erfüllen können", so Meier. Bindungen in Deutschland aufbauen können sie aber ebenso wenig, da sie als Erwachsene nicht bleiben dürfen. In dieser verzweifelten Situation versuchen junge Albaner, alles mitzunehmen, was sie bekommen können.
Für Dirk Meier ist es ohnehin nicht verständlich, warum die Jugendhilfe im Falle der Flüchtlinge nur bis zum Erreichen der Volljährigkeit Heranwachsende unterstützt. Denn was die persönliche Reife angeht, "dafür brauchen auch deutsche Jugendliche länger als 18 Jahre". Wie viel mehr Unterstützung braucht dann erst ein traumatisierter Bürgerkriegsflüchtling?
Wem es allerdings gelingt, sich ein soziales Umfeld aufzubauen, der wolle im nächsten Schritt auch etwas erreichen, weiterkommen. Das merkt auch das Team. Dann bieten Bewohner zum Beispiel ihre Hilfe als Übersetzer an.
Die Jugendhilfe St. Elisabeth Dortmund hat übrigens auch deutsche Jugendliche mit Flüchtlingen in einer Gruppe untergebracht. "Das sind solche, die Bindungsprobleme haben, etwa weil sie Gewalt in der Familie erlitten haben", erzählen Dirk Meier und Einrichtungsleiter Friedhelm Evermann. Diese Deutschen trafen auf Menschen aus in der Regel intakten Familien - und beide Gruppen lernten voneinander. Die einen erfuhren, dass sie durchaus Vertrauen aufbauen können, und die anderen erlebten, wie ein Deutscher so tickt. Somit ist beiden geholfen.