Bildungsgerechtigkeit in Prozent
Verena Liessem ist Expertin und kennt die Zahlen in Deutschland genau, von Flensburg bis Oberstdorf. Nach Städten, Landkreisen, Bundesländern ermittelt sie für den Deutschen Caritasverband jährlich, wie viele Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss blieben und kaum Aussicht auf Ausbildung und qualifizierte Arbeit haben. Es gibt große Unterschiede - zwischen 2 Prozent (Heidelberg) und 15,6 % (Landkreis Mansfeld-Südharz) – und die Anteile sind gegenüber 2014 angestiegen. Der Bundesschnitt der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss stieg auch auf nun 5,9 (2015) gegenüber 5,55 Prozent im Jahr zuvor.
Was sind die Ursachen für die Unterschiede?
Unterschiede gibt es auch zwischen Mannheim und Ludwigshafen, Nachbarstädten rechts und links des Rheines. In Ludwigshafen gingen anderthalbmal so viele Hauptschüler ohne den Abschluss ab, der als Mindestvoraussetzung für eine Lehre, eine betriebliche Ausbildung, gilt. Also schlechtere Bildungschancen, sagt die Caritas. Was waren die Ursachen? Hierzu schaut sich Fachfrau Liessem neben den von den Schulverwaltungen gemeldeten Zahlen verschiedene weitere Faktoren an: die Arbeitslosenquote, den Anteil ausländischer Schüler, den Anteil von Beschäftigten ohne abgeschlossene Berufsausbildung, das Bruttoinlandsprodukt, sprich: Wie reich sind Stadt oder Kreis bezogen auf jeden Bürger?
Mannheim und Ludwigshafen: unterschiedlich wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die Arbeitslosenquote in Ludwigshafen ist mit 8,8 % nur noch ein Drittel höher als in Mannheim mit 6 %; hier hat Ludwigshafen aufgeholt gegenüber 2014. Die Zahl der Ausländer, der Unqualifizierten dagegen ähnlich, auch die der Förder- und Sonderschüler: Die muss man beachten, denn es gibt große Einrichtungen für Menschen mit Bildungshemmnissen oder Handicap. Ihre Schüler kommen oft aus der weiten Umgebung und erreichen keinen Hauptschulabschluss. Ihre Anzahl könnte zum Trugschluss verleiten, dass am Schulort schlechte Bildungsarbeit geleistet wird.
Arbeitslosenquote wichtiger Faktor
"Man nimmt an, dass Schüler auch durch Arbeitslosigkeit und schlechte Jobs demotiviert werden." Das wirke viel stärker als die Frage nach der Zahl ausländischer Schüler. Im Juli 2016 wird die aktuelle Caritas-Statistik "Bildungschancen" mit Zahlen von 2014 im Internet veröffentlicht. Auch sie wird Unterschiede berichten. Hoffentlich auch erfreuliche, denn in vielen Städten und Kreisen hat sich seit der letzten Erfassung etwas verändert. Und manche Orte schaffen es sogar, in einem tristen Umfeld überdurchschnittlich viele hochmotivierte Schulabgänger mit guten Bildungsperspektiven in die Ausbildung zu entlassen.
Bildungsnetzwerke vor Ort mit großer Wirkung
Wie machen sie das? Die Fachleute haben dazu stichprobenweise Caritas-Kollegen aus guten Beispielorten befragt. Und bekamen meist zu hören: Wir haben ein örtliches Netzwerk aus Schulen, Eltern, Jugendämtern und teils Unternehmen und kümmern uns gemeinsam um schwache Schüler. Die telefonische Gegenprobe bei schwach abschneidenden Orten ergab: Nein, gibt es hier nicht.
Ludwigshafen ist zwar viel wohlhabender als Mannheim. Aber vielleicht wirkt dort das Netzwerk „Förderband” positiv: 6,2 % der Schüler schafften 2015 in Mannheim keinen Abschluss, in Ludwigshafen dagegen 11,7 %. 2014 waren die Werte insgesamt besser: 5,45 % der Mannheimer und 8,58 % der Ludwigshafener Schüler blieben ohne Abschluss.
Sie wollen wissen, wie es bei Ihnen aussieht? Ob Sie ein Netzwerk an Bildungspaten, Nachhilfen und Schulbegleitern mit aufbauen müssen? Die Caritas-Studie zu den bundesweiten Bildungschancen finden Sie unter: www.caritas.de/bildungschancen