Mit Kind allein und überfordert
Die junge Mutter Anita Fischer kann es gar nicht erwarten, endlich das neue Fotoalbum in den Händen zu halten, das ihr Christina Kaczmarek überreicht. Neugierig und mit leuchtenden Augen blättert sie sofort darin. "Jetzt guck ich erst‘ mal mein Baby an", sagt sie überglücklich. Der Besuch in ihrer aufgeräumten, frisch bezogenen kleinen Wohnung muss warten. "Oh, mein Gott", entfährt es ihr begeistert, während sie mit dem Finger auf ein Bild ihrer Tochter Linda zeigt, die damals wenige Monate alt war. "Guck mal, das war doch, als wir euch die Geschenke überreicht haben. Und da, da hatte sie ihre erste Kinderkrankheit."
Bilder, die Glück vermitteln. In Anita Fischers Vorstellung ziehen in diesen Minuten die vergangenen drei Jahre vorüber, Jahre, in denen aus einer verzweifelten, in vielfacher Hinsicht überforderten, alleinstehenden 24-jährigen Frau mit Baby eine verantwortlich handelnde, fröhlich und zuversichtlich wirkende Mutter geworden ist. Zu verdanken hat sie diese außergewöhnliche Entwicklung, und das sagt sie ohne einen Augenblick lang zu zögern ganz spontan, auch dem Projekt HOT (HaushaltsOrganisationsTraining) der Caritas im Bistum Essen.
Ein Erfolg, der Eindruck macht
Familienpflegerin Christina Kaczmarek, die sie über das Projekt begleitet hat, freut sich sichtlich. "Frau Fischer, Sie waren aber auch bereit mitzumachen. Es lag auch an Ihnen." Die Geschichte zwischen Christina Kaczmarek und Anita Fischer ist die Geschichte eines eindrucksvollen Erfolgs. Dabei sah es vor drei Jahren gar nicht so gut aus. Anita Fischer war weder mit der acht Monate alten Linda, noch mit einer eigenen Wohnung zurechtgekommen. Das Jugendamt, erzählt Anita Fischer, habe sie vor die Wahl gestellt: Entweder sie nehme den Platz im Mutter-Kind-Haus der Caritas in Duisburg an oder sie könne Linda nicht behalten. Sie entschied sich für die Hilfe der Caritas.
Hier, im Irmgardishaus in der Duisburger Innenstadt leben zurzeit zwölf Mütter ab 16 Jahren mit insgesamt 14 Kindern im Alter bis sechs Jahre in kleinen Appartements. Einrichtungsleiterin Kirsten Trumpold erklärt: "Mit der Organisation eines Haushalts sind die jungen Frauen meist überfordert. Bei uns lernen sie ihren Haushalt zu organisieren, sich und ihr Kind zu versorgen". Und seit Februar 2013 wird das Hilfs-Angebot ergänzt durch das Projekt "HaushaltsOrganisationsTraining". Die 27-jährige Christina Kaczmarek nimmt seitdem an der Fortbildung zur HOT-Trainerin teil und wird die Qualifizierung im März mit einem Zertifikat abschließen. Sie erklärt, einige Frauen bräuchten vor allem Unterstützung beim Kochen. Das Einkaufen und die Vorratshaltung spielten ebenfalls eine Rolle. Andere Bewohnerinnen benötigten ein "Komplett-Paket". Dazu gehöre zum Beispiel der Umgang mit Putzmitteln, die Pflege und Aufbewahrung von Kleidung, Wäsche-Waschen und der Umgang mit Geld.
"Die HOT-Themen waren auch meine Themen in der Ausbildung", sagt Kaczmarek über ihre Motivation, an der Fortbildung teilzunehmen. "Ich habe auch vorher schon mit den Frauen eine Einkaufsplanung gemacht, wir haben feste Rituale entwickelt. Eben alles, was dem Tag Struktur gibt." Durch das HOT-Projekt hätten die Hilfs-Angebote dann einen festen Rahmen erhalten, ihre Aufgaben seien jetzt klarer umschrieben und auch die Zuständigkeiten innerhalb des Teams abgeklärt. "HOT ist für mich ein wertvolles Handwerkszeug."
Anita schmeißt ihren Haushalt
Und für das Irmgardishaus sei HOT eine hervorragende Ergänzung, erklärt Einrichtungsleiterin Trumpold, "es ist wie für uns gemacht." Auch für Anita Fischer war das Projekt wie gemacht. Es entwickelte sich für sie zu einem Sprungbrett in ein eigenständigeres Leben. Zwar wird sie auch in Zukunft noch von einer Nachbetreuerin begleitet, aber ihren kleinen Haushalt mit der inzwischen vierjährigen Linda, den schmeißt sie jetzt allein.
Christina Kaczmarek hat ihr an diesem Nachmittag das Fotoalbum mitgebracht. Es dokumentiert die positive Entwicklung der jungen Mutter und zeigt, dass ein Zwischenziel erreicht ist. Und es ist eine Erinnerung an einen langen, mitunter auch mühsamen Weg, den Anita Fischer gemeistert hat. "Ich bin wie ein Löwe", findet die Mutter ein wenig stolz über ihre große Leistung. "Ich habe gekämpft." Und dann sagt sie noch: "Linda bleibt bei mir, und da gehört sie auch hin." Christina Kaczmarek und das HOT-Projekt standen ihr zur Seite bei diesem Kampf um Eigenständigkeit und um ihre kleine Tochter.