„Irre, was hier geboten wird“
Vor vier Jahren ging es Brigitte Gottschalk gar nicht gut, die heute 76-Jährige machte eine schwere Zeit durch. Und sie war allein. In der Zeitung las sie, dass es in der Begegnungsstätte des Caritasverbandes in Willich-Schiefbahn eine Gruppe gibt, in der Senioren neue Kontakte knüpfen können. "Meine Tochter hat mich angeschubst", erinnert sie sich, "sie sagte zu mir: ,Mutti, ruf’ da an!’"
Es war ein Telefonat mit Langzeitwirkung. "Margit Bothe hat mich wieder aufgebaut", erzählt Brigitte Gottschalk. Margit Bothe leitet die Gruppe "Freunde treffen", sie organisiert ehrenamtlich die Fahrten, Ausflüge und Freizeitaktivitäten, und die ehemalige Chefsekretärin macht das so engagiert und so gut, dass derzeit nur dann ein neues Mitglied aufgenommen wird, wenn zuvor ein anderes ausgeschieden ist. "Vor fünf Jahren haben wir mit neun Frauen und Männern angefangen, heute sind wir 36 und es gibt eine Warteliste", berichtet Bothe.
Mal schauen die Senioren hinter die Kulissen des Düsseldorfer Opernhauses, mal besuchen sie den Wuppertaler Zoo und fahren mit der Schwebebahn, mal spazieren sie um einen See, besichtigen eine Imkerei, besuchen eine Kunstausstellung oder bummeln durch das niederländische Roermond. "Alles schöne kleine Sachen", sagt Margit Bothe. Einmal im Monat trifft sich die Gruppe in der Begegnungsstätte und bespricht die nächsten Aktivitäten.
55 ist das Mindestalter, doch das älteste Gruppenmitglied ist 87 Jahre alt. 20 allein stehende Frauen sind dabei und fünf Single-Männer. Auch einige Paare kommen. "Sie sagen, dass sie alleine keine Lust haben, etwas zu unternehmen", erzählt Hanne Natke. Die 75-jährige Designerin zählt ebenfalls zum "harten Kern" der Freunde-Gruppe. Auch Theresa Kappauf gehört seit der Gründung der Gruppe an. Damals hat die inzwischen 70-Jährige noch gearbeitet, aber ihr war klar: "Wenn ich Rentnerin bin, brauche ich neue Kontakte."
"Freunde treffen" ist eine von inzwischen 25 ehrenamtlich geleiteten Gruppen, die sich in der Begegnungsstätte Schiefbahn gebildet haben. Ob Radfahren oder Literatur, Malen oder Englisch lernen, Kochen oder Karten spielen, Klönen oder den Computer verstehen - es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Bevor der Caritasverband die Trägerschaft der Begegnungsstätte im Jahr 2011 von der Stadt Willich übernahm, hatte er die rund 4.000 Einwohner von Schiefbahn über 55 Jahre nach ihren Wünschen für Freizeitaktivitäten befragt. Die Ergebnisse bildeten die Grundlage für das heutige Angebot. Theresa Kappauf bringt es auf den Punkt: "Es ist schon irre, was hier geboten wird."
Hanne Natke etwa engagiert sich inzwischen in der Aquarell-Gruppe, und Brigitte Gottschalk malt und wandert und ist so mehrmals in der Woche unterwegs. "Gerade im Alter muss man selbst aktiv werden. Es kommt ja keiner vorbei, klingelt und holt einen ab", betont Margit Bothe. So sind Freundschaften entstanden und einige Gruppenmitglieder treffen sich auch privat, gehen zu viert, fünft oder sechst ins Kino, ins Theater oder zu Konzerten.
Einsamkeit jedenfalls ist für Brigitte Gottschalk und die übrigen Gruppenmitglieder kein Thema mehr. Sie sind dankbar, dass sie hier "Freunde treffen" können. "Wenn es die Gruppe nicht gäbe, wären wir als allein stehende ältere Menschen echt dumm dran", sagen sie.