Schöner Wohnen im Roten Riesen
Der Neustart gelang mit einem Investor, der eine gute Idee hatte: Sanieren und die Caritas für einen Concierge-Dienst engagieren. Die Wohnungen füllten sich wieder und die Mieter bilden eine Gemeinschaft um die gute Seele des Hauses, Caritas-Mitarbeiterin Gabriele Strüver.
156 Quadratmeter Penthouse-Wohnung mit Rheinblick ab fünf Euro pro Quadratmeter? Das gibt es. Zugegeben nicht im angesagtesten Stadtteil Duisburgs sondern in Homberg-Hochheide, aber dafür mit nicht zu verkennenden besonderen Vorteilen. Dazu gehört nicht zuletzt Gabriele Strüver von der Caritas Duisburg. Sie ist die gute Seele im „Roten Riesen“, dem mit 20 Stockwerken die Nachbarschaft überragenden Hochhaus aus den 70er Jahren. „Riese“ erklärt sich, rot wegen der bei der Sanierung vor fast zehn Jahren angebrachten knalligen Balkonbrüstungen, die dem grauen Betonbau einen eigenen Schick geben und den 114-Wohnungen-Koloss zur prägenden „Marke“ gemacht haben. Innen treffen sich Mieter in der „roten Stube“ und probt ihr Chor „Red Room“.
Vor knapp zehn Jahren sah nicht nur der ganze Bau düster grau aus, es verloren sich auch nur noch zwölf Mieter darin. Der Keller war für sie praktisch „no-go-area“ wie der ganze Stadtteil an sich bei Dunkelheit. Wohnungslose hatten ihn okkupiert.
Häufig prekär lebende Menschen aus 137 Nationen bildeten eine Mischung, die schließlich so heftig explodierte, dass die Ausschreitungen von der Polizei kaum noch zu beherrschen waren, berichtet Caritas-Fachbereichsleiterin Orla-Maria Wunderlich. Aber das lenkte den Blick der Stadt endlich auf den vergessenen Stadtteil am linken Rheinufer. Mit kapitalpartner aus Stuttgart fand sich ein Investor für das Hochhaus, der zu einem Neustart bereit war. Er hatte die Erfolgsidee: Er bat die Caritas um eine soziale Begleitung der neuen Mieter.
Für die günstigen Quadratmeterpreise, von denen Mieter vor allem im nahen Düsseldorf nur träumen können, gibt es noch einen besonderen Service, der den Unterschied ausmacht und zur Neubesiedlung geführt hat. Neben Gabriele Strüver steht dafür vor allem der Concierge-Dienst, der allen Bewohnern Sicherheit gibt. Tagsüber wechseln sich drei Mitarbeiter der Caritas, die zuvor arbeitslos und eher chancenlos waren, am Empfang ab, nachts wacht hier die Security-Firma. Ungesehen kommt niemand ins Haus und hoch geht es auch nur mit dem Fahrstuhl, die Treppenhäuser bleiben den Mietern vorbehalten. Besondere fachliche Qualifikationen müssen die Concierge-Mitarbeiter nicht mitbringen, sagt Strüver, menschliche Kompetenz ist gefragt. Denn hier kommen alle Lebenslagen zusammen. Menschen allen Alters wohnen im Roten Riesen, Familien und Alleinstehende, mit und ohne Migrationshintergrund.
Kindern helfen Concierge-Mitarbeiter bei den Hausaufgaben, immer bietet sich die Gelegenheit zu einem kurzen Schnack, der Paketdienst freut sich, dass er nicht darauf hoffen muss, dass der Empfänger tatsächlich zu Hause ist, die Post gibt ihre Sendungen gebündelt ab und nimmt die Briefe der Mieter gleich wieder mit... Wird die Zeitung mal nicht wie gewohnt pünktlich abgeholt, ist Gabriele Strüver gleich alarmiert und hakt nach. Und möchte man einen Besuch nicht empfangen, kann man diese Botschaft unten hinterlassen und der Besucher wird abgewiesen. Wer zu den Ärzten im Erdgeschoss möchte, bekommt den Weg gewiesen.
Im Laufe der Jahre hat sich eine Gemeinschaft gebildet, die gegenseitig Anteil nimmt und sich hilft. Gabriele Strüver organisiert Sommerfeste, die das Kennenlernen fördern. Sie vermittelt aber auch in weitere Dienste der Caritas, wenn das notwendig und sinnvoll erscheint, arbeitet mit Schuldner- und Suchtberatung zusammen. Mit diesem Konzept hat sich das Haus wieder schnell gefüllt. Momentan stehen allerdings 20 Wohnungen leer. Es sind die großen, die weniger gebraucht werden. Paare ohne Kinder oder Alleinstehende kommen mit weniger aus und manchen ist auch die günstige Mieten zuviel, wenn es zuviele Quadratmeter sind.
Ein Erfolgsmodell bleibt der Rote Riese. Im Gegensatz zu seinen beiden Nachbargebäuden. Die Sprengung der „Weißen Riesen“ steht demnächst an. Es fand sich kein Investor für eine Sanierung. Seit Jahren stehen sie leer und der weiteren Wiederbelebung des Stadtteils im Weg.
Warum Wohnungsgesellschaften nur selten vom Konzept des Roten Riesen lernen, versteht Orla-Maria Wunderlich nicht. Sie dächten oft, dass die Mitarbeiter aus der Mieterverwaltung die Aufgaben übernehmen könnten, die Gabriele Strüver ausfüllt. Aber man könne nicht an einem Tag die Mahnung für die Miete schicken und sich am nächsten als hilfreicher Ansprechpartner anbieten. Auch ein Hausmeister sei nicht kompetent für Quartiersarbeit in der Höhe. So ragt der Rote Riese erst einmal weiter einsam in den Himmel.