Bischof bedient Obdachlose
Diözesanbischof Wolfgang Ipolt macht bedächtig das Kreuzzeichen und segnet mit wenigen Worten das Essen, bevor er, am Tisch sitzend, zum Löffel greift. Die Männerrunde um ihn herum isst schon. Zuvor hat er jedem von ihnen den Teller mit warmer Suppe gefüllt. Die Männer kennen den Gast nicht. Sie schweigen, nehmen den freundlichen Fremden in ihrer Mitte auf und hören ihm aufmerksam zu.
"Ist gut, dass wir die Caritas haben"
Am liebevoll gedeckten Tisch im Obdachlosentreff der Caritas nahe dem Markt in Senftenberg loben die sieben Männer die Kartoffelsuppe: "Ist gut, dass wir die Caritas haben." Sie kommen täglich in den warmen, freundlichen Tagestreff, waschen sich, essen, klopfen Karten, schauen fern, verbringen miteinander die Zeit, bevor sie am späten Nachmittag das etwa zwei Kilometer entfernte Obdachlosenheim zum Übernachten aufsuchen.
Bischof Wolfgang Ipolt erzählt mit einfachen Worten von Papst Franziskus, der im Anschluss an das Jahr der Barmherzigkeit erstmals den 33. Sonntag im Jahr, dem Sonntag vor Christkönig, zum "Welttag der Armen" ausgerufen hat und ihn fortan begehen will. Franziskus will verändern - er will eine Kirche des Teilens.
Dem Bischof ist es ernst um den Wunsch des Heiligen Vaters. Wollen wir in der sakramentalen Kommunion wirklich Christus begegnen, dann müssen wir den gemarterten Leib der Armen berühren, so, angelehnt an die Worte des Papstes, die Intention des Besuches im Vorgespräch.
"Nach der Wende haben sie alles kaputtgekriegt"
Seine Tischnachbarn spüren diesen Wunsch, haben keine Berührungsängste. Sie kommen, aus Senftenberg, stammen aus Sachsen-Anhalt, Herzberg, Senftenberg, Finsterwalde. Sie waren einmal Metallformer, Industrie-Mechaniker, LKW-Fahrer. "Nach der Wende haben sie alles kaputtgekriegt", sagt einer leise. Frauen haben sie nicht. Sie sind geschieden oder verwitwet. Kontakte zur Familie bestehen selten.
Die Wartburg in Thüringen kennen sie, die heilige Elisabeth nicht. Sie spüren, wie wichtig dem Gast die Schutzpatronin der Caritas ist, die als Fürstin im 13. Jahrhundert die Armen mit ins Schloss genommen, sie verköstigt, medizinisch gepflegt, ihren Reichtum weggegeben hat und mit 24 Jahren gestorben ist. Markus Eichelbaum am anderen Ende des Tisches sagt: "Eine meiner drei Töchter heißt auch Elisabeth." Der Bischof freut sich. Roland Use sitzt neben dem Bischof. Er versichert ihm, dass ihn die AOK krankenversichert habe, so dass er mit seinem kaputten Bein ärztlich versorgt sei und der Bischof sich keine Sorgen zu machen brauche.
Man findet weitere Themen, dabei einige Gemeinsamkeiten. Auf ihr Alter angesprochen, entgegnet einer dem Bischof fröhlich: "Wir sind doch alle zwischen 60 und 70." Die wortkargen Männer werden gesprächig. Das Handy, mit dem der Benjamin unter ihnen beim Essen spielt, stamme noch aus Ehezeiten, als die Frau Angst hatte, wenn er zu lange unterwegs war. Ohne Frauen gehe es auch. Die Caritas helfe beim Waschen, teile ihnen das Geld ein, damit es bis zum Monatsende reicht.
"Hier muss noch mehr getan werden"
Diplomsozialarbeiter Volker Hänneschen hilft mehr als 60 jungen obdachlosen Frauen und Männern in der Stadt, die bei Freunden unterkommen, aber Crystal Meth abhängig intensive Hilfe der sozialen Dienste beanspruchen. Die Frauen mit ihren kleinen Kindern haben im Hinblick auf elterliche Sorge, Aufenthalt und Umgang verantwortungsvolle Richter und Rechtsanwälte in Senftenberg vor sich, "die, einerseits die Kinder schützen und andererseits ihren kranken Müttern nicht den Boden unter den Füßen entreißen wollen", so die örtliche Anwältin Ute Mittermaier. Hier müsse noch mehr getan werden.
Inzwischen sind die Teller leer und die Männer gestärkt. Den ersten Welttag der Armen werden die Obdachlosen als einen besonderen Tag in Erinnerung behalten - und den Bischof auch. Gemeinsam haben sie ihn, so wie Papst Franziskus es angeregt hat, mit Leben erfüllt.
Quelle: "Tag des Herrn" - Kath. Wochenzeitung