„Jede kleine Hilfe ist eine ganz, ganz große Sache“
"Salemaleikum", begrüßt Alia Al-Kahegy lächelnd eine syrische Mutter, als diese den Raum im Dachgeschoss der Flüchtlingsunterkunft betritt. "Aleikum Salam", antwortet die Mutter, während sie ihr kleines Baby in den Armen wiegt und sich auf einen freien Platz niederlässt.
Es ist Mittwochmittag: Hebammen-Sprechstunde. Die Hebamme Maike Jansen und die ehrenamtlichen Übersetzerinnen vom Projekt elbmütter & elbväter des Hamburger Caritasverbandes sind vor Ort und nehmen sich Zeit für Schwangere und Mütter. In der Hebammen-Sprechstunde tauschen sich die Frauen aus der Unterkunft aus, stellen Fragen und teilen Sorgen.
"Die Mütter können bei kleinen und bei großen Fragen zu uns kommen", erzählt Maike Jan-sen, die gerade eine serbische Schwangere aus dem Untersuchungszimmer verabschiedet. "Ich betreue werdende Mütter in der Schwangerschaft und nach der Geburt mit ihrem Baby bis zum vollendeten 1. Lebensjahr. Besonders für Frauen ohne Versicherungsstatus sind wir eine sehr wichtige Anlaufstelle."
Sprachliche Barrieren überwinden die Frauen mit Hilfe der elbmütter. Alia Al-Kahegy spricht arabisch und Zarghoona Sultani-Junghans übersetzt in farsi oder dari. Sie selbst sind vor vielen Jahren nach Deutschland geflohen. Sie kennen den Leidensweg und die vielen Herausforderungen, die ein neues Land und eine neue Kultur mit sich bringen. Beide sind elbmütter der ersten Stunde und engagieren sich seit 2014 in dem Hamburger Stadtteil-Projekt.
Die Hebammen-Sprechstunde startete vor einigen Monaten und wird inzwischen gut besucht. "Die Frauen können sich hier treffen und sitzen nicht nur auf ihrem Zimmer", erklärt die elbmutter Zarghoona Sultani-Junghans. "Viele sagen, sie haben sich vorher nicht gesehen, auch wenn sie in einem Haus wohnen. Und dann sitzen sie zusammen und haben sich kennengelernt."
Die Atmosphäre ist entspannt, herzlich und offen. Auf einem Tisch stehen frisches Obst, warmer Tee und Nüsse. Daneben sitzen Frauen aus Ghana, Syrien, Afghanistan, Serbien und Eritrea. Ein Baby hat Bauchschmerzen, eine Schwangere klagt über Übelkeit und mangelndem Appetit, eine dritte Frau sorgt sich über den Schlafmangel ihres kleinen Kindes.
"Die Frauen kommen mit vielen Fragen und Anliegen", berichtet die elbmutter Alia Al-Kahegy. "Ich übersetze für die Frauen und die Hebamme gibt hilfreiche Tipps. Sie hat sehr viel Erfahrung. Auch wenn die Sprache unterschiedlich ist, weil alle aus verschiedenen Kulturen kommen. Wir verstehen uns, sprechen mit Händen und Augen."
Jede Woche besuchen sieben bis acht Frauen die offene Sprechstunde. "Sie sagen immer: heute ist Arzt-Tag", schmunzelt die elbmutter Zarghoona Sultani-Junghans. "Ich sage dann immer, das ist eine Hebamme, kein Arzt. Aber sie denken, es kommt ein Arzt." Und da viele auf einen Termin beim Arzt mitunter lange warten müssen und es dort keine Übersetzungshil-fe gibt, bietet die Hebammen-Sprechstunde kompetente, schnelle und unkomplizierte Hilfe direkt vor Ort.
"Die elbmütter sind ein wahrer Schatz", schwärmt Maike Jansen, "Nur durch sie ist mir ein relativ enger Kontakt zu den Frauen möglich, deren Sprache ich nicht spreche. Der Aufbau einer vertrauensvollen Basis gelingt so sehr schnell. Viele Frauen kamen in der Schwanger-schaft und besuchen die Sprechstunde nun mit ihren Babys. Sie fühlen sich hier wohl und knüpfen Freundschaften."
Das wöchentliche Angebot gibt den schwangeren Frauen und den Müttern in der Flüchtlings-unterkunft sehr viel, weiß Zarghoona Sultani-Junghans. "Jede noch so kleine Hilfe ist für die Frauen eine ganz, ganz große Sache. Man denkt, man hat nur wenig geholfen, aber für diese Familien ist es ganz groß. Deshalb ist es schön, gemeinsam zu sitzen und sich zu unterhalten und sich einfach kennenzulernen - und dabei Spaß zu haben."
Auch die ehrenamtlichen elbmütter lernen durch ihr Engagement dazu, fühlen sich gebraucht und erfahren durch ihre sprachlichen Kompetenzen große Wertschätzung.
Seitdem sich Alia Al-Kahegy im Projekt elbmütter engagiert, entwickelte sie mehr Selbstver-trauen: Für Sie ist das Projekt elbmütter wie "ein großes Haus". "Es hat viele Räume und je-der Raum ist neu für mich und wichtig", so Al-Kahegy
Ab Juli 2016 ergänzen ehrenamtliche elbväter das Projekt. Die Hebamme Maike Jansen kann sich gut vorstellen, "dass die elbväter sich auch mal mit den Vätern zusammen setzen bzw. ein Familientreff veranstaltet wird." Und während sie die nächste Mutter in den Untersuchungsraum begleitet, ertönt an der Tür ein neues "Salemaleikum".
Kontakt:
elbmütter & elbväter
Telefon 040 / 609 432 920
elbmuetter@caritas-hamburg.de
elbmütter und elbväter haben einen eigenen Migrationshintergrund und verfügen über entsprechende Sprachkenntnisse. Sie beraten und informieren Familien über finanzielle Hilfen, begleiten sie zu Behörden und helfen bei Fragen zu Kita und Schule. Zurzeit engagieren sich 16 elbmütter & elbväter im Stadtteilprojekt des Hamburger Caritasverbandes.