Altenpflege – wie ist das eigentlich?
Florian und Fillip helfen dem 16-jährigen Tommy die Klettverschlüsse der Arm- und Beinmanschetten zu schließen.
Nun sind seine Ellbogen und Knie nicht mehr so beweglich. Interessiert und etwas belustigt schauen die anderen Teens zwischen elf und 16 Jahren zu, wie die beiden Altenpflegeschüler routiniert ihrem "Versuchskaninchen" Bleigewichte an die Hand- und Fußgelenke hängen, um seine Bewegungen noch mehr zu erschweren. Sie setzen Tommy eine Brille auf, die sein Blickfeld beschränkt, und er muss Handschuhe überstreifen, die seinen Tastsinn reduzieren. Zuletzt bekommt er einen Gehstock in die Hand gedrückt. "So, nun komme doch mal zu mir herüber", sagt Sabrina Griesel, Dozentin der Fuldaer Caritas-Altenpflegeschule, "und dann setzt du dich her, gießt dir hier am Tisch ein Glas Mineralwasser ein und trinkst."
Gespannt schauen die Schülerinnen und Schüler zu, wie Tommy die Aufgabe bewältigt. In dem "Alterungsanzug" ist das gar nicht so einfach, aber er bekommt es hin. "So hast du eine Ahnung davon, was das Alt-sein alles bedeuten kann für die eigene Beweglichkeit", erläutert Pflege-Lehrerin Griesel. "Nur wer sich davon eine Vorstellung macht, ist in der Lage zu verstehen, welche Bedeutung Pflegekräfte für Senioren als Helfer gewinnen können!"
Probieren geht über Studieren
Es ist Schnuppertag im Altenpflegeheim St. Josef. Schülerinnen und Schüler haben so die Möglichkeit, einen ersten Blick auf den Heimalltag und den Pflegeberuf zu werfen. Diesmal haben Altenpflegeschule und Altenpflegeheim in den Schulen gezielt um Jungen geworben, denn auch in Fulda möchte man gerne männliche Pflegekräfte gewinnen. Gemeldet haben sich sechs Jungen und ein Mädchen. Ulrike Klingelhöfer, zuständig für Soziale Dienste in St. Josef, begrüßt die Gruppe und erläutert: "Noch ist der Pflegeberuf vor allem eine Angelegenheit der Frauen. Aber wieso sollte solch ein interessantes und anspruchsvolles Aufgabengebiet nur einem Geschlecht vorbehalten bleiben?" Angesichts des wachsenden Bedarfs an Pflegekräften sei der Pflegeberuf ein Beruf mit Zukunft. "Deshalb hoffen wir auch auf verstärktes Interesse von jungen Männern."
Die endgültige Berufswahl steht bei einem solchen Schnuppertag für die Schülerin und die sechs Schüler natürlich nicht im Vordergrund. Aber alle sieben Jugendlichen waren bei der Aktion von Anfang an mit Engagement und Interesse bei der Sache: Nach der Begrüßungsrunde waren sie zunächst - verteilt auf die verschiedenen Wohnbereiche in dem 150-Bewohner-Haus - in verschiedene Aktivitäten eingebunden. Die beiden Jüngsten, Samir und Furkan, jeweils elf Jahre alt, saßen zunächst etwas zurückhaltend im Wohnbereich Maria dabei, wo Alltagsbetreuerin Ursula Schmitt mit den Seniorinnen und Senioren eigentlich an diesem Morgen Volkslieder singen wollte. Nun aber forderte sie zunächst die Jungen auf, den Senioren ein wenig von ihrem Schulalltag zu berichten. Gleich von sich zu erzählen… - da war das anschließende gemeinsame Singen für die Jungen fast eine leichtere Übung, zumal sie einige der Lieder auch gut kannten.
Robert und Justin hatten es im Wohnbereich Bonifatius sportlich getroffen. Elke Dittmer hatte "ihre" Senioren gebeten, im Stuhlkreis Platz zu nehmen und an einem Würfelspiel mit Schaumstoffwürfeln teilzunehmen. Natürlich ginge es um den Spaß und auch ums Gewinnen, erklärte sie den beiden Siebtklässlern, vor allem aber diente das Spiel doch auch der gymnastischen Bewegung der Senioren und trüge somit ein wenig zur Fitness bei. Klar machten Robert und Justin mit. Vom sportlichen Ehrgeiz erfasst probieren sie möglichst erfolgsträchtige Würfelwurfmethoden aus - sehr zum Vergnügen der Seniorinnen und Senioren um sie herum.
Das einzige Mädchen Celina sowie die die beiden Schüler Leon und Tommy waren bei den Senioren im Beschäftigungsraum gelandet, wo gemeinsam bunte feste Mappen als Futterale für die Speisekarten gebastelt wurden. Betreuerin Michaela Wagner erklärte: "Wir haben ja häufig gemeinsame Feste im Heim, dann werden die Mappen auf den Tischen ausgelegt. Jeder, der hier mit macht, kann dann sehen, dass die eigenen Werke auch Verwendung finden und zum würdigen Rahmen eines Heimfestes beitragen."
Zurück zur gemeinsamen "Unterrichtsstunde" mit Sabrina Griesel: Diese gemeinsame Abschlussrunde dient natürlich nicht nur zur spektakulären Erprobung des Alterungsanzuges. Dozentin Griesel hat die beiden Altenpflegeschüler Florian und Fillip auch mitgebracht, damit die beiden über ihre ersten Berufserfahrungen und über ihre Motivation berichten können. Fillip war durch ein Praktikum auf den Beruf gekommen. Er sei überzeugt, seinen Traumberuf gefunden zu haben, betonte er. Vieleicht möchte er später als Dozent arbeiten wie seine Lehrerin Sabrina Griesel. Florian hatte vor der Ausbildung bereits sein Freiwilliges Soziales Jahr in St. Josef gemacht und denkt jetzt daran, sich anschließend auch noch zum Krankenpfleger weiter ausbilden zu lassen.
Die Schülerinnen und Schüler selbst - nach ihren Berufsvorstellungen befragt - möchten sich noch Zeit nehmen für die Entscheidung, ob sie später tatsächlich in der Pflegeausbildung landen werden. "Aber ein erster Schritt ist getan", betont Ulrike Klingelhöfer. "Sich einfach einmal diesen interessanten Arbeitsbereich anzuschauen, ist schon viel wert. Viele junge Menschen haben schließlich noch nie ein Altenpflegeheim betreten. Und wer neugierig geworden ist, kann sich auch weiter ausprobieren: Schulpraktikum, Langzeitpraktikum, Freiwilligendienst - alles ist möglich bei uns. Wir freuen uns über jeden jungen Menschen, der Interesse hat."