Mit Kartoffelschalen Kinder beeindruckt
„Kegeln juhu“, rufen einige Kinder, als sie in den Gruppenraum laufen. Dort warten bereits mehrere ältere Frauen und Männer, die im Rollstuhl sitzen oder Rollatoren dabeihaben, auf sie. Einige Mädchen und Buben räumen die Hilfsmittel der Seniorinnen und Senioren beiseite, bauen große blaue Kegel in der Mitte des Saals auf und legen zwei Bälle dazu. Ein Junge notiert die Namen aller Kinder und alten Menschen auf einem Flipchart. Und dann geht das Sitzkegeln los. „Super“, lobt Nicole Compensis die 93-jährige Emma Kleinheinz, die fünf Kegel abräumt, woraufhin mehrere Kinder diese begeistert gleich wieder aufstellen.
Kegeln, Basteln oder Bingo
Jede Woche kommen Mädchen und Buben der vierten Klasse der Adalbert-Stifter-Schule ins Caritas-Seniorenheim St. Josef Nünberg-Langwasser, um gemeinsam mit alten Menschen etwas zu unternehmen. Mal kegeln oder basteln sie zusammen, mal spielen sie gemeinsam Bingo. Es ist eine von mehreren Initiativen, die Altenpflegerin Nicole Compensis in der Einrichtung für Jung und Alt organisiert hat. Seit zehn Jahren ist die 51-Jährige im Haus auch Generationenmentorin. Dafür hatte sie beim Caritasverband Eichstätt an einer speziellen Qualifizierung teilgenommen. „Damals war unser Sohn 13 Jahre alt und ich merkte, dass es wichtig ist, dass junge Menschen gerade in diesem Alter auch ältere Menschen um sich herum haben, die ihre Lebenserfahrungen an sie weitergeben“, erläutert sie die persönliche Motivation, die sie hatte, diese Aufgabe zu übernehmen.
Bei den ersten Treffen von Grundschülern mit den Seniorinnen und Senioren im Alten- und Pflegeheim in einem Schuljahr absolvieren die Kinder zunächst einen Rollator- und Rollstuhlführerschein. Das macht sie im Umgang mit der älteren Generation sicherer. Und dann helfen sie den Senioren, wo sie nur können: Wenn jemand aufstehen möchte, wird sofort der Rollator gebracht. Und nach Ablauf der gemeinsamen Stunde fahren Kinder die Leute im Rollstuhl zum Aufzug.
Das Gelernte zeigen viele mittlerweile auch außerhalb von Schulveranstaltungen, indem sie zum Beispiel alten Menschen mit Hilfsmitteln beim Ein- oder Aussteigen aus der U-Bahn helfen. „Ich erlebe, dass sie da jetzt aufmerksamer und hilfsbereiter sind“, freut sich Klassenlehrerin Monika Wagner-Schubert, dass sich das gemeinsame Projekt von Schule und Seniorenheim bereits auf den Alltag auswirkt. Manchmal kommt bei den Treffen auch das Thema Krankheit und Tod zur Sprache. Als sie einmal die Kapelle des Seniorenheimes besichtigten, fragten einige Kinder, welche Bedeutung die Steine haben, die dort für jeden verstorbenen Bewohner hingelegt werden. „Und dann redet man einfach über das Thema Sterben und bereitet es auch im Unterricht nochmals nach“, so Frau Wagner-Schubert.
Sie hat es auch schon erlebt, dass Kinder durch den Besuch der Einrichtung neue Einsichten in eine Altenhilfeeinrichtung bekommen haben: „Bis jetzt habe ich Angst gehabt, dass man nichts mehr machen kann, wenn man mal sehr alt ist. Und nun sehe ich, dass man da noch viele schöne Sachen machen kann“, sagte der Lehrerin vor kurzem ein Kind. Zudem sind mittlerweile auch Eltern von dem Projekt angetan, die zuvor fürchteten, ihr Kind könne nachts nicht schlafen, wenn es im Altenheim schwerstkranken Menschen begegne.
Jetzt erfahren Eltern wie Kinder vielmehr, dass die alten Menschen ihnen positive Lebenserfahrungen und Werte vermitteln können: zum Beispiel, als Jung und Alt bei einem Treffen verschiedene Kartoffelsuppen miteinander kochten. „In dieser Stunde haben die alten Menschen, die bei uns wohnen, erzählt, dass sie früher Kartoffelschalen nicht weggeschmissen haben, sondern daraus noch eine Suppe gekocht haben“, erzählt Nicole Compensis. Manches Kind sei daraufhin ins Nachdenken über die heutige Wegwerfmentalität gekommen.
Keine Generation will tauschen
So bringt jede Generation Interessantes für die andere bei den Treffen ein. Wie es scheint, will aber keine mit der anderen tauschen. Seniorenheimbewohner Herbert Miklis ist davon überzeugt, dass es junge Menschen zu seiner Jugendzeit leichter hatten aufzuwachsen als heute. Er ging in einem kleinen Dorf in eine Zwergschule, die nur eine Klasse hatte. Nachmittags sei man zum Schmied gegangen und habe zugeschaut, wie er mit dem Feuer spielt – oder zum Schlosser oder Wagner. „Da haben wir dann schon eine gewisse Vorahnung von der Erwachsenenwelt bekommen und was vielleicht ein schöner Beruf wäre. Diese Erlebnisse haben die jungen Leute heute nicht mehr. Das war schon bei meinem Sohn nicht mehr so“, sagt Miklis. Seine Mitbewohnerin im Seniorenheim Elisabeth Cimalla nickt und ergänzt: „Manches Mal strömt heute fast zu viel auf die Kinder ein mit der Technik: Fernsehen, Radio, Smartphone und Internet. Und dann sind sie noch gar nicht auf der Welt und man fragt sich schon, ob sie wohl einen Platz im Gymnasium kriegen …“.
Das sehen die Kinder beim Treffen allerdings anders. „Wenn man etwas dringend braucht und in Not ist, kann man heute sofort anrufen. Und früher gab es außerdem eine noch nicht so gute Medizin“, will Schülerin Anna-Nicol die Vorzüge der heutigen Zeit nicht missen. Einig zeigen sich Jung und Alt aber oder vielleicht auch gerade aufgrund unterschiedlicher Erlebniswelten darin, dass es für beide Generationen reizvoll ist, immer wieder zusammenzukommen.