Die Richtung ist christlich
Den weißen Kleinwagen mit den roten Aufdrucken, die auf die Caritas hinweisen, parkt Schwester Melanie Gajin an diesem Abend in die Reihe gleich aussehender Fahrzeuge auf dem Gelände des Malteser Krankenhauses "St. Carolus" in Görlitz. Sie schreibt die gefahrenen Kilometer in das Fahrtenbuch, nimmt ihre persönlichen Sachen aus dem Auto - und Feierabend! Morgen geht es weiter.
Mehr Freude als Last
Arbeit ist für Schwester Melanie mehr Freude als Last. Manchmal ist es nicht einfach, die unregelmäßige Schichtarbeit und die Verpflichtungen zu Hause unter einen Hut zu bekommen, denn um ihre elfjährige Tochter kümmert sie sich allein. Bei der Caritas arbeitet Schwester Melanie seit 2008 - und dies sehr gern. "Am Anfang war ich etwas unsicher: katholisches Unternehmen. Die katholische Kirche war vorher verbunden mit: dieses strenge, dieses Verstaubte. Das hat sich überhaupt nicht bestätigt. Man muss es erst mal kennenlernen", sagt die orthodoxe Christin. Beigetragen zu der geänderten Einstellung haben die Borromäerinnen, "als wir hier noch das Schwestern-Altenheim hatten. Das war ganz angenehm. Immer wenn ich in das Haus reinkam, habe ich Weihwasser genommen". Ihre elfjährige Tochter, die wie Melanie Gajin orthodox getauft ist, lernt von ihr orthodoxe Bräuche und Riten kennen. Weihwasser und Weihrauch gehören dazu, das hat sie immer in ihrer Wohnung. Die Borromäerinnen bewundert sie, "die sich entschieden haben, Gott bis zum Ende zu dienen. Solche Ordensschwestern, die sind schon etwas ganz Besonderes, Priester auch", sagt sie. "Altbischof Müller habe ich kennengelernt. Er war ein so sympathischer Mensch. Beim Einsegnen habe ich ihn erlebt. Meine Bedenken vom Anfang hatte ich damals bereits verloren."
Orthodox und katholisch - ein Christentum
Melanie wird in Görlitz geboren. Ihre Mutter lernt ihren Vater, einen Serben, im Kraftwerk Hagenwerda bei Görlitz kennen. Als Melanie drei Jahre alt ist, zieht die Familie nach Jugoslawien. "Es war ein sozialistisches Land, kapitalistisch orientiert. Dort haben meine Eltern für uns eine bessere Zukunft gesehen. Damals war es ein wunderschönes Land", sagt Melanie Gajin. Dann kommt der Krieg dorthin. Aus der serbo-kroatischen Sprache werden Serbisch und Kroatisch. Zur Schule geht Melanie in Belgrad, es folgen Ausbildung zur Krankenschwester, Studium in Belgrad zur Pflegedienstleitung. Das schließt sie mit einer Diplomarbeit zum Thema Herz- und Herzkrankheiten ab. "Der Abschluss ist hier nicht anerkannt", sagt Melanie Gajin, die seit 2000 wieder in Görlitz ist.
Bei der Caritas-Sozialstation in Görlitz werden kirchliche Feste besonders gefeiert. Dazu gehört es, dass vor dem gemütlichen Teil der Besuch von Kirchen, meist mit Andachten, dazu gehört. Die meisten der über 50 Prozent ungetauften Mitarbeiter sind dabei. Hatte Schwester Melanie "anfangs einige Bedenken, wie orthodox und katholisch zusammengeht, weiß ich, seit ich bei der Caritas arbeite: Das ist kein Problem! Es ist ein Christentum und damit eine Richtung".
Ein unvergessliches Erlebnis
Einen Tag in ihrem Berufsleben vergisst Schwester Melanie nicht, den 7. Januar dieses Jahres. Der Apostolische Nuntius, Erzbischof Nikola Eterovic, feierte am Morgen dieses Tages die Heilige Messe mit den Borromäerinnen in der Kapelle des Malteser Krankenhauses "St. Carolus" in Görlitz, ist danach bei der Einsegnung der Caritas-Wohnanlage "Hildegard Burjan", die einige Meter entfernt des Krankenhauses steht, dabei. Der Leiter der Sozialstation Gabriel Krause "hatte mich gebeten, dazu zu kommen, falls es etwas zu übersetzen gegeben hätte. Zur Sicherheit oder um mögliche Miss-Verständnisse zu klären", sagt Melanie Gajin. Solche gibt es nicht - ganz im Gegenteil. Der Nuntius, der aus Kroatien stammt, ist erstaunt und erfreut, sich mit Schwester Melanie auf Serbisch unterhalten zu können."Ziemlich aufgeregt war ich, weil mir bewusst war, mit wem ich es zu tun habe", sagt Melanie Gajin. "Der Nuntius fragte mich zuerst, aus welchem Gebiet ich stamme. Vojvodina heißt die Region, Zrenjanin ist der Ort, woher mein Vater stammt", sagt sie und lobt den Nuntius: "Zwei Jahre in Berlin: Sie sprechen ein sehr gutes Deutsch". Nach dieser Begegnung sagt sie: "Ein heiliger Mann. Er hat mir die Anspannung plötzlich weggenommen. Es gab keine Distanz, die ich erwartet habe. Es war richtig locker und angenehm. Er hat sich bei mir bedankt und mir Gottes Segen gewünscht. Ich habe mich total gut gefühlt". Für Schwester Melanie war diese Begegnung ein Weihnachtsgeschenk, denn der 7. Januar ist in der orthodoxen Kirche laut Gregorianischem Kalender der Weihnachtstag.
Mensch muss Mensch bleiben
Die Caritas sieht Schwester Melanie in ihrem Arbeitsbereich "gut aufgestellt. Wir haben, anders als in Serbien, sehr gute Bedingungen, haben eine Mitarbeitervertretung - und wir haben einen guten Chef. Der hat ein Ohr für jeden", sagt sie. Dennoch: "Zeitdruck und Stress machen mir Sorgen, die vorgeschriebenen Zeiten. Ich möchte, dass der Mensch Mensch bleibt. Dafür ist Zeit mitunter knapp". Für Insulinspritzen hat sie vier Minuten Zeit, laut dem Katalog der Krankenkassen. "Es wäre schöner, wenn man etwas persönlicher sein könnte. Menschen würden mir gern noch dies oder das erzählen - und ich muss weiter. Wenn man von den Leuten manchmal schon sehnsüchtig erwartet wird und dann macht man schnell die Arbeit und es geht zum nächsten Patienten, das abzuhalten ist manchmal schon hart. Wenn ich weiß: Es wartet der Nächste, der braucht mich, der braucht eine Spritze oder ähnliches. Das ist für mich Anspannung. Es ist keine Fließbandarbeit, es ist nicht irgendeine Produktion. Hier arbeite ich mit Menschen. Mitunter finde ich es wichtig, die Distanz zwischen Schwester und Patient zu vergessen. Dann erzähle ich schon mal etwas Persönliches. Das ist besser als wenn ich reingehe, sie stur behandele und wieder raus - der nächste Fall. Dazu kommt: Wir als Pflegepersonal dringen in die persönlichsten Bereiche der Menschen vor, müssen mitunter in ihren Schränken etwas heraussuchen", sagt Schwester Melanie, die mit ihrem Leben zufrieden ist. Dazu gehöre auch eine gewisse Portion Egoismus. Der werde "immer als etwas Schlechtes bezeichnet, aber eigentlich ist er sehr wichtig. Ein Mensch, der mit sich selbst nicht zufrieden ist, der verbittert ist, kann nicht mit anderen umgehen. Solche Leute schikanieren andere. Aber wenn ich mit mir selbst zufrieden bin, kann ich auch anderen etwas geben. Das versuche ich auch in meinem Beruf zu tun. Den mache ich sehr gern. Und wenn sich die Leute freuen, wenn ich komme, was will ich mehr? Das ist ein Geben und Nehmen".
INFO:
Caritas-Sozialstation "St. Hedwig"
Carolusstraße 212
02827 Görlitz
Telefon: 03581-471322
E-Mail: Krause.sozialstation@caritasgoerlitz.de