Es gibt immer einen Ausweg
johannes B. (19) weiß nicht mehr weiter. Die Freundin hat Schluss gemacht, im Job kommt er nicht voran, wird viel gemobbt. Freunde hat er keine. Und zuhause hat Johannes, den Bekannte als still, zurückgezogen und gar nicht selbstsicher bezeichnen, auch keine Hilfe. Die Eltern geschieden und nie da. Johannes ist verzweifelt: "Was soll dat noch? Ich mach‘ Schluss, das ist am einfachsten", denkt er sich.
Lebensmüden Menschen wie ihm zurück ins Leben zu helfen, machen sich jetzt PeerberaterInnen in Gelsenkirchen mit einem online-Angebot zur Aufgabe. "Ich will Menschen helfen. Ich will ihnen zeigen, dass sie nicht unwichtig, sondern genau so viel wert sind wie andere. Es gibt doch immer einen besseren Ausweg als den Tod", erklärt Ann-Marie Bappert. Die 17-jährige Schülerin macht beim Projekt "Peerberater" der Caritas Gelsenkirchen mit. PeerberaterInnen sind Jugendliche, die als Erstkontaktpersonen zur Verfügung stehen sollen für andere Jugendliche, die sich mit dem Gedanken der Selbsttötung tragen. "Peers" werden neudeutsch Menschen genannt, die etwas gemeinsam haben - in diesem Fall die Altersstufe.
Der Gelsenkirchener Initiative ist ein Modellprojekt in Freiburg vorausgegangen, das mittlerweile seit acht Jahren existiert und bei dem über 40 ehrenamtliche Jugendliche mitmachen. In Gelsenkirchen ist die Caritas-Projektleiterin Vivien Bredenbrock überzeugt, ein gutes Team zu finden. "Wir wünschen uns, dass wir eine möglichst gemischte Gruppe weiblicher und männlicher Jugendlicher zusammen bekommen." Viele Jugendliche würden dazu in Schulen, beim Sport, in Clubs etc. angesprochen.
Website ist in Vorbereitung
Die künftigen PeerberaterInnen werden dann bis zu den Sommerferien in einem Training auf ihre Aufgabe vorbereitet. Im Sommer soll eine website geschaltet werden, auf der sich Hilfesuchende an die PeerberaterInnen wenden können und garantiert innerhalb von 48 Stunden eine Antwort bekommen. "Es ist kein therapeutisches Angebot, sondern eine Möglichkeit für verzweifelte junge Menschen zur anonymen Kontaktaufnahme, ein Angebot von Jugendlichen für Jugendliche", erklärt die Leiterin. Was die Teens und Twens besser können als die Profis von der Onlineberatung oder Erziehungshilfe ist, dass sie dieselbe Sprache sprechen wie die Jugendlichen, die über das Projekt erreicht werden sollen", erklärt Methe Weber-Bonsiepen, die für die Caritas Gelsenkirchen das Projekt, das auch mit Geldern der Glücksspirale finanziert wird, ins Leben gerufen hat.
Gelsenkirchen ist neben Hamburg, Berlin und Dresden der vierte neue Standort in Deutschland. Erfahrungen in Freiburg haben gezeigt, dass die Nachfrage weit größer ist, als das Projekt dort bewältigen kann. In der Praxis werden alle Anfragen und Antworten mit der Projektleiterin bei der Caritas rückgekoppelt. Auch eine Art Supervision für die jungen PeerberaterInnen wird es geben.
Alarmzeichen erkennen
"Aber auch der Präventionsaspekt spielt bei dem Projekt eine große Rolle", erklärt Bredenbrock. "Wir wollen bei unseren Besuchen in Schulen junge Menschen sensibilisieren, Alarmzeichen zu erkennen, wenn jemand sich selbst verletzt, sich aus dem Umfeld zurückzieht oder Mobbing-Opfer ist." Wichtig sei auch, eine Gruppe zu formen, in der sich die Jugendlichen untereinander austauschen können. Zu diesem Zweck wird ein Gruppenraum geschaffen. Farbe und Pinsel werden über das Projekt bezahlt, renovieren werden die künftigen PeerberaterInnen selber.
Interessierte zwischen 16 und 25 Jahren wenden sich an:
Methe Weber-Bonsiepen,
Tel. 0174 3980111, methe.weber-
bonsiepen@caritas-gelsenkirchen.de und
Vivien Bredenbrock,
Tel. 0174 3980119, vivien.bredenbrock@caritas-gelsenkirchen.de Hintergrund
In Deutschland nimmt sich durchschnittlich alle 56 Minuten ein Mensch das Leben. Das sind mehr Opfer als im Straßenverkehr, durch illegale Drogen und AIDS zusammen. Bei jungen Menschen unter 25 Jahren wird vermutet, dass die Suizidversuchsrate weitaus größer ist. Jeder Tote hinterlässt durchschnittlich sechs nahestehende Menschen, die oftmals kaum wissen, wie sie weiterleben können. Suizid und Suizidversuch sind also keine Probleme von Randgruppen, sie sind alltäglich. Grundsätzlich jeder Mensch, vor allem in der Zeit der Pubertät und des frühen Erwachsenenalters, kann in eine Situation kommen, in der er oder sie sich vorstellt, mit einer Selbsttötung für sich eine Lösung zu finden.