"Ausländer sein ..."
Die 43-jährige kam vor zehn Jahren nach Deutschland und lebt heute mit ihrem türkischen Mann und ihrer Tochter in Ingolstadt. Dort half ihr der Caritas-Migrationsdienst rechtlich und menschlich. Um sich hier wohlzufühlen, erhofft sich die Journalistin und Schriftstellerin jetzt auch berufliche Perspektiven. Über ihr Buch und ihre Erfahrungen als Migrantin sprach sie mit Sozialcourage.
Frau Alasgarova, warum haben Sie dieses Buch geschrieben?
Bevor ich mit dem Schreiben begann, fühlte ich mich „fast leer“ und wertlos. Meine Gefühle waren strapaziert. Schließlich war ich in Aserbaidschan viele Jahre lang eine erfolgreiche Journalistin. Doch hier ging ich beruflich mehr und mehr verloren. Dann habe ich mich aufgerafft, das Buch zu schreiben.
Es war also am Anfang vor allem eine Therapie für Sie selbst?
Ja, ich habe mir meine eigenen Fähigkeiten wieder bewusst gemacht und einfach angefangen zu schreiben. Tag für Tag habe ich gesehen, dass mein Werk dicker wurde. Am Ende war ich erleichtert und es ging mir einfach gut. Ich habe es geschafft, ein Buch in deutscher Sprache zu schreiben. Als ich hierher gekommen war, konnte ich schließlich noch kein Wort Deutsch sprechen und schreiben.
Und wie konnten Sie das Werk erfreulicherweise dann publizieren?
Ich schickte mein Manuskript aus Neugier einfach einmal einem großen Verlag. Ich erhielt auch überraschend eine Zustimmung. Allerdings waren dessen Leistungen für mich zu teuer. Das ging auch noch mit ein paar anderen Verlagen so. Doch dann fand ich einen, bei dem ich es günstig drucken lassen konnte.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass man sich nur in der Heimat wohlfühle. Viele ausgewanderte und geflüchtete Menschen werden diese Ansicht nicht teilen …
Dieser Satz sowie auch andere Aussagen in dem Buch beruhen natürlich auf meinen subjektiven Erfahrungen. Diese wollte ich mitteilen. Natürlich können andere Menschen andere Erfahrungen machen. Meine ist: Es fehlt immer etwas. Man kann zum Beispiel finanziell zufrieden sein, aber in der Seele wird es immer wehtun, nicht in der Heimat zu leben.
Sie gehen in Ihrem Buch kritisch mit Ihrer muslimischen Kultur um, insbesondere was den Umgang mit Frauen betrifft, und schätzen die Freiheit in Deutschland. Doch Sie bekennen sich dazu, Muslimin zu sein. Nutzen Sie bestimmte Freiheiten hier zum Beispiel bewusst nicht?
Ich war zum Beispiel nie in einer Diskothek. Ich gehe abends auch nicht aus dem Haus. Ich trinke und rauche nicht, denn das tun Frauen in der Gesellschaft, aus der ich komme, nicht. Ich bin so aufgewachsen und kann gar nicht anders. Sonst wäre ich nicht mehr ich. Ich bin weltlich gebildet, aber ich lebe in vielem so wie in meiner Heimat.
Was meinen Sie, wenn Sie sagen „In Deutschland ist der Kunde König, bei uns ist der Gast König“?
In der Gesellschaft, aus der ich komme, brauchen wir zumindest im Privatleben zum Beispiel keine Termine. Wenn ich meine Freunde besuchen will, gehe ich hin, klingele an der Tür, und das war’s. Wir setzen uns zusammen, kochen und essen gemeinsam. Doch in Deutschland erlebe ich fast keine Nachbarschaftsverhältnisse. Jeder lebt sein Leben in vier Wänden.
Was erhoffen Sie sich durch Ihr Buch?
Ich hoffe natürlich, dass es von möglichst vielen Menschen hier gekauft und gelesen wird. Und damit ich in Deutschland zufrieden leben kann, brauche ich berufliche Perspektiven. Mutter und Hausfrau zu sein ist auch schön, aber mir fehlt die Betätigung als Journalistin oder auch eine andere Tätigkeit, die mein Leben hier bereichert und eigenständiger macht. Daher hat mir das Buch eine solche Freude gemacht. Ich wünsche mir, dass es auch als eine Art Bewerbungsunterlage dienen kann.
Zemfira Alasgarova: Ausländer sein … Berlin 2012. EPLA-Verlag. ISBN 978-3-940554-69-7, 106 Seiten, 9,80 €
Informationen über die Caritas-Migrationsberatung im Bistum Eichstätt ...