Was macht eigentlich... ein SAPV-Team?
Ein Schwerstkranker bekommt nachts zu Hause plötzlich keine Luft mehr - es genügt ein Anruf, damit ein Arzt oder Pfleger ans Krankenbett eilt. Hilfe leisten, Wache halten, Entscheidungen treffen, das steht in einem Notfall wie diesem an, ganz gleich, wie lang der Einsatz dauert. Ein SAPV-Team steht Patienten in ihrem letzten Lebensabschnitt rund um die Uhr zur Verfügung. Die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) wird vom Arzt verordnet; die Krankenkasse übernimmt die Kosten. Das Ziel: Patienten bis zum Tod ein menschenwürdiges Leben in der vertrauten Umgebung zu ermöglichen, ob im Heim oder in den eigenen vier Wänden.
Der harte Kern des SAPV-Teams am Zentrum für Palliativmedizin des Malteser Krankenhauses Bonn besteht aus drei Ärzten und sieben Pflegefachkräften. Ein Physiotherapeut und zwei Sozialarbeiter ergänzen deren Arbeit. Weil beispielsweise schwere Tumorerkrankungen auch Alltags- und seelische Probleme mit sich bringen, steht außerdem eine Psychoonkologin bereit. Sie alle haben nach ihrer Berufsqualifizierung eine Weiterbildung im Palliativbereich absolviert und entsprechende Erfahrung aufgebaut, ehe sie zum SAPV-Team stießen. Die Voraussetzung für Pflegefachkräfte: mindestens 160 Stunden Palliativ-Care-Weiterbildung sowie mindestens ein Jahr Palliativpflege. Ärzte müssen die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin erwerben und beispielsweise mindestens 75 Patienten palliativmedizinisch behandelt haben.
Vernetzten, dokumentieren, weiterbilden
SAPV-Einsätze sind nichts für Einsteiger. Die Teammitglieder agieren, bei allem Abstimmungsaufwand, vor Ort beim Patienten sehr eigenverantwortlich. Wer lernen will, ist darum auf einer Palliativstation oder in einem Hospiz, in ständiger Nähe zum Patienten und zu Kollegen, besser aufgehoben, rät Professor Lukas Radbruch, der als Chefarzt zum Führungsduo des SAPV-Teams gehört. Krankenpfleger Jörg Schmidt fügt hinzu, dass Interessierte sich gründlich mit dem Begriff "palliativ" auseinandersetzen und vor einer Richtungsentscheidung hospitieren sollten.
Denn Palliativ-Profis widmen sich unheilbar Kranken. Kein Arzt oder Pfleger wird seine Patienten jemals genesen sehen. Einen Menschen in den Tod zu begleiten, erfordert eine besondere Berufsethik. Die Palliativmedizin bejaht das Leben und sieht das Sterben als einen natürlichen Prozess. Sie lehnt aktive Sterbehilfe ab. Im besten Fall, so formuliert es Jörg Schmidt, ermöglicht es das Team dem Kranken, zu Hause, in der gewünschten Umgebung, zu sterben. Eine fachgerechte Symptomkontrolle, um beispielsweise Schmerzen auszuschalten, Behandlung und Pflege in Krisensituationen, Beratung in allen Versorgungsfragen einschließlich der Patientenverfügung sowie das perfekte Vernetzen mit den anderen Akteuren wie Hausarzt, Sozialdienst, Therapeuten und Kassen gehören dazu. Das bedeutet: viel telefonieren und dokumentieren. Und permanent das Fachwissen erweitern, etwa durch Fortbildungen und Qualitätschecks.
Persönlichkeit entscheidender als Alter
Ebenso wichtig: die eigene Haltung. "Wir sind Ansprechpartner für den Patienten und die Angehörigen", sagt Jörg Schmidt. "Die Fähigkeit, in diesem Bereich zu arbeiten, würde ich altersunabhängig sehen. Hier spielt die Persönlichkeit die stärkere Rolle." Lukas Radbruch nennt Respekt und Resilienz als Kernkompetenzen. Wünsche und Ressourcen des Patienten und der Angehörigen zu achten helfe, den letzten Lebensabschnitt sinnvoll zu gestalten. Jüngere SAPV-Teammitglieder müssten die Zähigkeit, die vielen Todesfälle zu verkraften, noch erlernen. Ältere hingegen spürten auf Dauer die körperliche Belastung des Pflege- und Schichtdienstes. Hier habe der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht.
Vom schnellen Betrieb in Klinik und Heimen weicht der Takt der Palliativmedizin deutlich ab. Auch wenn man nicht mehr heilen kann: "Hier gibt es eine richtig schöne Art, wie man mit Patienten umgehen kann", sagen Lukas Radbruch und Jörg Schmidt.
Buchtipps
Monika Müller et al.: Handbuch Trauerbegegnung und -begleitung. Theorie und Praxis in Hospizarbeit und Palliative Care. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2. Aufl. 2014, ISBN 978-3-525-45188-5, 292 S., 30 Euro.
Monika Müller, David Pfister (Hrsg.): Wieviel Tod verträgt das Team? Belastungs- und Schutzfaktoren in Hospizarbeit und Palliativmedizin. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 3. Aufl. 2014, ISBN: 978-3525403419, 318 S., 30 Euro.
Kontakt
Akademie für Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus Seliger Gerhard Bonn/Rhein-Sieg, Von-Hompesch-Straße 1, 53123 Bonn, Tel. (0228) 6481-539
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin: www.dgpalliativmedizin.de