Caritas im Stadion
Es geht um jugendliche Gewalt, rassistische Parolen und betrunkene Minderjährige: Fehlgeleitetes Fanverhalten und Gewaltexzesse sind ein aktuelles Thema im deutschen Profifußball. Beim Fußball-Zweitligisten SC Paderborn 07 begegnet man dieser Entwicklung mit aufsuchender Jugendsozialarbeit in einem vom Caritasverband Paderborn getragenen Fanprojekt. Der Paderborner Caritasverband ist der erste Ortsverband der Caritas in Deutschland, der eine derartige alleinverantwortliche Aufgabe übernimmt.
Profifußball und Caritas: Geht das zusammen? Auch beim Caritasverband Paderborn hat man sich diese Frage gestellt. Friedhelm Hake, Leiter Soziale Dienste im Caritasverband Paderborn, beantwortet sie mit einem klaren „Ja“. „Der wichtigste Teil der Fanarbeit ist Prävention“, sagt er. „Es geht darum, Kinder und Jugendliche aufzufangen, die als Fans mit der Szene in Berührung kommen. Es handelt sich also um klassische aufsuchende Sozialarbeit und das ist eine unserer Kernaufgaben.“
Die beiden Projekt-Mitarbeiter, die Sozialpädagogen Philip Krüger und Angelina Bracht, sind Ansprechpartner für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter den SCP-Fans. In der heimischen Benteler-Arena ist das Fanprojekt mit einem vom Verein gestellten eigenen Büro präsent. Im Mai 2013 wurde ein Fancafé als Anlaufstelle in der Paderborner Innenstadt eröffnet. Dort können sich die jungen Fans während der Woche treffen und Ansprechpartner finden. Die Sozialpädagogen bieten zudem betreute Fahrten zu Auswärtsspielen an. Dabei liegt der Fokus auf dem alkoholfreien Fußballgenuss für Minderjährige.
Bei ihrer Arbeit orientieren sich die Caritas-Mitarbeiter an einem breiten sozialarbeiterischen Ansatz. Nicht nur um die Hilfe in der aktuellen Situation geht es, sondern um nachhaltige Beratung und Begleitung in schwierigen Lebenslagen. Der Hintergrund des problematischen Fanverhaltens ist wichtig. „Je früher wir reagieren und gezielte Unterstützung bieten können, desto wirksamer“, sagt Friedhelm Hake.
Viele der jugendlichen Fußballfans sind vorher nie oder nur selten mit der Caritas in Berührung gekommen. „Wir haben der Caritas neue Zugänge zu ihrer Klientel eröffnet“, sagt der Paderborn Caritasvorstand Patrick Wilk. Das Fanprojekt sei eine sinnvolle Anpassung der Caritasarbeit an aktuelle soziale Entwicklungen. Zudem könne der Caritasverband Paderborn mit seinem breiten sozialen Angebot bei Bedarf weitergehende vernetzte Beratung leisten.
Diese soziale Vernetzung der Caritas und die Erfahrung in aufsuchender Sozialarbeit gaben den Ausschlag, als Stadt und Kreis Paderborn, das Land NRW und die Deutsche Fußballliga (DFL) über die Vergabe des Paderborner Projekts entschieden. Im Dezember 2012 wurde das Projekt den Fans vor einem Heimspiel im Stadion des SC Paderborn 07 vorgestellt. „In Rekordzeit“ habe der Caritasverband das Projekt eingerichtet, staunte Martin Hornberger, geschäftsführender SCP-Vizepräsident. Der Verein ist nicht direkt in das Projekt eingebunden, weil das Fanprojekt eine eigenständige und unabhängige Identität gewinnen soll. Dennoch werde man eng zusammenarbeiten, kündigte Hornberger an.
Mit dem Fanprojekt ist der Caritasverband in Paderborn in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. „Auch im Verband haben sich anfangs die Kollegen gefragt, was wir mit Fußball zu tun haben“, erinnert sich Patrick Wilk, „aber diese Diskussionen sind verstummt. Mittlerweile hat sich die Überzeugung verbreitet, dass wir genau der richtige Verband für diese fachliche Herausforderung sind.“