In Bewegung gekommen
Der Caritasverband der Diözese Görlitz e.V. engagiert sich seit dem 01. Februar 2009 im XENOS-Projekt "BleibNet Brandenburg" als Teilprojektpartner in den Landkreisen Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße und in der Stadt Cottbus. Es ist ein Programm aus dem ESF-Bundesprogramm zur arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge mit Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Arbeit soll auch im kommenden Jahr weitergeführt werden.
Wir sprachen mit den zwei Mitarbeitern aus dem Projekt, Kathrin Herzog und Andreas Jahn, über ihre Erfahrungen.
Seit fast fünf Jahren gibt es das Projekt. Wie willkommen sind Flüchtlinge und Ausländer in Südbrandenburg?
Das kann man nicht pauschal beantworten. Wir haben überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Im Laufe der Projektarbeit haben wir sehr engagierte Bürger kennengelernt, die sich auch privat für die Probleme und Angelegenheiten von Flüchtlingen einsetzen.
Auch Arbeitgeber waren interessiert und wollten Hintergrundinformationen zu Aufenthaltsstatus, Arbeitserlaubnis, Aufgaben einer Ausländerbehörde und Unterstützungs-möglichkeiten für Flüchtlinge bekommen.
Durch unser Projekt ist etwas in Bewegung gekommen. Menschen, Einrichtungen, Behörden fangen an, sich mit der Problematik zu befassen. Aber weil es in Südbrandenburg im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sehr wenige Ausländer gibt, ist das Wissen um diese Menschen beschränkt auf die weitverbreiteten Meinungen: Sie nehmen uns die Arbeitsplätze weg, kosten nur Geld, wollen nicht Deutsch lernen. Der Fremde bleibt den Menschen fremd. Hier treten Ängste auf, die wiederum einer Willkommenskultur entgegenstehen.
Mit welchen Fragen kommen die Menschen zu Ihnen?
Hauptanliegen der Menschen ist natürlich: Wie komme ich so schnell wie möglich in ein Arbeitsverhältnis? Aus den dazu geführten Gesprächen ergeben sich dann aber oft noch ganz andere Fragen: Der Aufenthaltsstatus der Person gibt Aufschluss, welche Art von Arbeitserlaubnis vorliegt oder eben auch nicht. Sprachkenntnisse sind nötig und dazu gehört meistens erst einmal ein Sprachkurs. Viele Menschen aus Krisengebieten sind traumatisiert und benötigen ärztliche Hilfe, bevor sie eine Arbeit aufnehmen können.
… Und jeder Flüchtling bringt seine individuelle Geschichte mit, die auch immer Berücksichtigung finden muss. Es sind Fragen nach einer glücklicheren Zukunft. Flüchtlinge wollen als Menschen leben, sich einbringen, arbeiten und sich verwirklichen.
In einer Studie wurde dem Bundesweiten Netzwerk XENOS im April 2013 eine nachhaltige und wirkungsvolle Arbeit bestätigt. Das klingt nach Erfolg. Woran zeigt sich diese positive Einschätzung?
Neben den Menschen, denen wir mit Hilfe des Projekts Unterstützung bei der Arbeitsfindung geben konnten, sehen wir auch ganz deutlich die Sensibilisierung für das Thema "Flüchtlinge" und alles was dazu gehört als Erfolg. Ämter, Behörden und Institutionen, Arbeitgeber, Politik und auch der Nachbar oder der Arbeitskollege stehen aufgeschlossener als noch zu Beginn des Projektes dem Thema gegenüber. Durch das Projekt wird viel kleinteilige Arbeit geleistet, welche notwendig ist, damit Strukturen entstehen, die in solchen Situationen greifen.
Die politische Debatte über die Integration von Migranten in Deutschland wird an vielen Orten geführt und gewinnt an Bedeutung. Menschen aus verschiedenen Krisengebieten weltweit verlassen ihre Heimat und suchen nach einer neuen Perspektive. Das führt auch zu einer verstärkten Zuwanderung in Deutschland. Was sollte aus Ihrer Sicht verbessert werden? Oder ganz konkret, was fehlt?
Die Öffnung der berufsbezogenen Sprachkurse für Flüchtlinge war ein guter Schritt. Allerdings wünschten wir uns, dass vorher ein ganz "normaler" Sprachkurs, also ein Integrationskurs, genutzt werden kann. Denn Sprachkenntnisse sind die Basis für alles Weitere. Viele Leute bringen langjährige Erfahrungen aus unterschiedlichsten Berufen mit. Leider haben sie ohne Schul- oder Berufszeugnisse keine Chance, ihre praktischen Kenntnisse unter Beweis zu stellen. Und so bleiben sie immer Hilfsarbeiter, obwohl sie vielleicht Meister ihres Faches sind beziehungsweise waren.
Durch Traumatisierung ist es für einige Menschen nicht möglich, überhaupt eine Arbeit aufzunehmen. Es gibt zu wenige Fachärzte in unserer Region, die die Leute therapieren und somit auch auf ein "Arbeitsleben" vorbereiten könnten.
Unser Arbeitsmarkt stellt Flüchtlingen und Ausländern zu hohe Hürden. Ein Zugang ist nur mit entsprechender Qualifikation und dem Nachweis möglich. Das Ausbildungssystem ist für diese Menschen kein Anreiz, weil es zu starr und in seiner Ausbildungszeit zu lang ist. Hier bedarf es ein Mehr an Flexibilität und größerer Möglichkeiten des Quereinstieges, zum Beispiel modulare Ausbildung und Qualifikation, learning by job.
Das Interview führte Michael Standera.
INFO:
Caritasverband der Diözese Görlitz e.V.
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