Halt bekommen, Halt geben
Zwischen den umher wuselnden Kindern ist die Welt für einen kurzen Moment in Ordnung. Da bleibt keine Zeit für Gedanken daran, wie es weitergehen soll, für Trauer um die geliebte Freundin, Heimweh oder Todesängste. Seit September vergangenen Jahres arbeitet Susan Washington ehrenamtlich in der katholischen Kindertagesstätte St. Robert in Berlin-Wedding. Zweimal in der Woche spielt und tobt die gelernte Erzieherin einen halben Tag lang mit den Kleinen. Mit ihrem Ehrenamt möchte sie der Gesellschaft etwas zurückgeben: "Ich habe als Flüchtling so viel von Deutschland bekommen", sagt sie. Außerdem helfe das viele Arbeiten vom Nachdenken abzulenken. Kurz kommen ihr die Tränen.
Susan Washington: dunkler Teint, kurze Haare, zartes Make-Up, elegantes blaues Sommerkleid. "Ja, ich bin wirklich 49 Jahre alt", betont sie und dass ihr das hier einfach keiner glauben wolle, auch auf dem Amt sei das schwierig gewesen. Was jeder anderen Frau schmeicheln würde, empfindet die attraktive Kenianerin als Belastung. "Wie soll ich es beweisen? Ich habe doch keine Papiere mehr."
In Kenia gehörte Susan zur gehobenen Gesellschaft. Sie verkehrte in Regierungskreisen, war mit einem Politiker liiert. So wie ihre Freundin. Die wurde nach einem Streit mit ihrem Partner eines Morgens tot aufgefunden. Susan wird zu verstehen gegeben, dass auch ihr Leben bedroht sei und sie lieber das Land verlassen solle. "Ein Mann hat mich nach Deutschland gebracht und mir dann die Papiere abgenommen." So landete sie orientierungslos auf den Straßen Berlins und schließlich in einer Flüchtlingsunterkunft in der Turmstraße. Später kam sie nach Eisenhüttenstadt, dann nach Garzau-Garzin.
Während eines Deutschkurses lernt die Kenianerin Katja Eichhorn kennen, die für den Berliner Caritasverband das Referat Ehrenamt leitet. Susan erzählt ihr von ihrer pädagogischen Ausbildung und dass sie gern etwas tun würde, auch wenn sie kein Geld dafür bekomme. Reguläres Arbeiten ist wegen des Aufenthaltsstatus als Flüchtling nicht möglich, selbst die ehrenamtliche Tätigkeit muss zunächst von der Ausländerbehörde genehmigt und in Susans Flüchtlingspass vermerkt werden.
Halt im fremden Land findet Susan vor allem in ihrem Glauben. So oft es geht, besucht sie in Berlin eine Kirche und stößt dort auf hilfsbereite Menschen. Damit sie einen kürzeren Weg zur Kita St. Robert hat, nimmt ein Gemeindemitglied sie bei ihm auf. Doch der ältere Herr bekommt deshalb Probleme mit seinem Vermieter. Eine Frau aus der Gemeinde bietet ihr eine neue Bleibe an. Susan ist dankbar für die Hilfe, die sie erfährt - aber auch geschockt von den alltäglichen Schikanen.
Irgendwann möchte Susan wieder zurück in ihre Heimat. Über einen realistischen Zeitpunkt nachdenken und Zukunftspläne zu schmieden packt sie im Moment noch nicht. Sie ist zu beschäftigt, sich durch den Alltag zu kämpfen und mit ihrer Geschichte fertig zu werden. Der Mann, vor dem sie aus Afrika geflohen ist, sei vor einiger Zeit in der Kita aufgetaucht. Sie war geschockt: "Ich habe ihn gefragt, ob er gekommen sei, um mich zu töten?" Er habe verneint und ihr gesagt, sie solle nach Kenia zurückkommen. Noch traut sie sich nicht, auch wenn mittlerweile eine andere Regierung an der Macht ist. "Hier in Deutschland fühle ich mich sicherer", sagt sie. Wobei ihr die Begegnung gezeigt habe: Man findet sie überall, nirgends ist sie wirklich sicher. Susan Washington hofft und vertraut einzig auf Gott.
Kontakt:
Caritas Familien- und Jugendhilfe GGmbH
Kita St. Robert
Hochstädter Str. 14
13347 Berlin
Telefon: 030 / 455 11 30
st.robert@cfj-caritas-berlin.de
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