Wie schaffen wir das?
Wie viele Flüchtlinge betreut Ihr Caritasverband?
Wir vom Caritasverband Sigmaringen betreuen derzeit gemeinsam mit dem DRK-Kreisverband und der Diakonie 2600 Flüchtlinge in und um Sigmaringen. Hauptamtliche Mitarbeiter sorgen für Unterstützung, Information und Begleitung zu Aufenthaltsstatus und Asylverfahren. Sie helfen auch bei finanziellen und persönlichen Fragen und familiären Anliegen. Und sie arbeiten zusammen mit Behörden, Kliniken, Schulen, Kindergärten und anderen Einrichtungen. In den Gemeinschaftsunterkünften betreut ein(e) Sozialarbeiter(in) 120 Flüchtlinge.
Wie engagieren sich die Ehrenamtlichen?
Mobilität ist für unsere Flüchtlinge wichtig. Wir haben eine Fahrradwerkstatt, die immer wieder ehrenamtlich Engagierte, aber auch Fahrradspenden braucht.
In unseren "Café Globus" und "Café International" bekommt man Flüchtlinge und Einheimische zwanglos an einen Tisch, beim geselligen Nachmittag oder Abend und mit Gesellschaftsspielen wie Schach, Kartenspielen, Mühle oder einfach nur "Mensch ärgere dich nicht". Das schafft Kontakt, wie auch unser interkultureller Chor mit deutschen und internationalen Liedern.
Ein Helferkreis bringt Flüchtlingsfamilien und einheimische Familien durch Familienbegegnungstage zusammen. Flüchtlingsfamilien werden von Vereinen eingeladen und entsprechende Fahrdienste organisiert.
Für die Kinder der Flüchtlingsfamilien wurde in der Gemeinschaftsunterkunft ein Spielzimmer für Kinder eingerichtet mit Spiel- und Bastelangeboten und Sprachförderung. Oder es werden gemeinsam mit einheimischen Kindern Ausflüge in die nähere Umgebung gemacht, die Natur wird erkundet. Hausaufgabenbetreuung bieten zwei Hauptamtliche und ein ganzer Kreis von Ehrenamtlichen.
Flüchtlinge werden von Ehrenamtlichen zum Arzt oder zu Behördengängen gefahren und begleitet. Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit und der Handwerkskammer werden die Fähigkeiten von Flüchtlingen eingeschätzt. Bei einem Pilotprojekt mit dem Ausbildungszentrum Bau machen acht Flüchtlinge ein Praktikum und werden in Ausbildung vermittelt.
Ehrenamtliche bieten Sprachkurse mit unterschiedlichen Niveaus und Konzepten an. Ehrenamtliche Sprachpatenhelfen im Alltag oder bei der Freizeitgestaltung, Wortschatz und Grammatik weiter zu üben und zu vertiefen. Aufbau von Beziehung, Verständnis für die jeweils andere Kultur und Freude an der Begegnung gehen damit einher.
Wie viele Ehrenamtliche sind hier derzeit tätig?
Es gibt rund 250 Ehrenamtliche, die sich im Rahmen der Gemeinschaftsunterkünfte engagieren.
Worauf sollten sich Ehrenamtliche bei ihrem Engagement einstellen?
Das Engagement ist mit besonderen Herausforderungen verbunden. Sprachliche Barrieren müssen Ehrenamtliche und Flüchtlinge (aber auch Flüchtlinge untereinander) mit Englisch, mit Französisch, mit Dolmetscher, im Zweifelsfall aber mit Händen und Füßen meistern. Um die Hürden zu überwinden, bieten wir unseren Flüchtlingen die Möglichkeit, Deutsch zu lernen. Auf dem Weg dahin muss man sich bewusst sein, dass Missverständnisse und Irritationen im Bereich der Kommunikation auftauchen. Man trifft auf fremde Kulturen, Traditionen, Werte und damit verbundene Verhaltensweisen. Genauso geht es den Flüchtlingen mit uns. Missverständnisse können auch über unterschiedliche kulturell verankerte Verhaltensmuster entstehen.
Eine Flucht ist eine gefährliche, teure, lange und sehr anstrengende Reise. In Deutschland angekommen, sind die Menschen sehr froh, zunächst versorgt zu sein, ein Dach über dem Kopf zu haben. Aber viele Flüchtlinge sind geprägt von Rahmenbedingungen in ihrem Heimatland, den Ereignissen auf der Flucht. Hier erwartet sie Ungewissheit: Hat mein Antrag auf Asyl Erfolg? Muss ich vielleicht zurück in mein Heimatland oder in das europäische Land, in dem ich angekommen bin, und wie lange dauert diese Ungewissheit, die belastet? Der erschwerte Zugang zum Arbeitsmarkt bringt unfreiwillige Untätigkeit mit sich und viel Zeit zum Nachdenken: Welche Perspektive erwartet mich hier, wenn ich bleiben kann? Wie geht es meiner Familie, die ich zurückgelassen habe? Wann, wo und unter welchen Umständen kann ich sie wieder sehen? Daher rühren vielleicht Verhaltensweisen, die nicht nur Ehrenamtliche nicht sofort verstehen, zuordnen oder erschließen können.
Was brauchen Ehrenamtliche, die mit Flüchtlingen arbeiten wollen?
- Die Bereitschaft, interkulturell zu lernen und im Aufbau von Beziehungen zu unseren Flüchtlingen nicht alles auf die Goldwaage zu legen.
- Es braucht Ausdauer und Toleranz auch für uns, nicht nur Fremdem, sondern auch sehr befremdlichen Dingen zunächst neutral zu begegnen, in der Annahme des Positiven und im Wohlwollen immer zu versuchen zu klären - und nicht sofort zu bewerten.
- Das Wissen, dass Erfahrungen im Engagement auch belasten können.
- Sich der eigenen Grenzen bewusst zu sein und sie auch deutlich zu machen.
- Ein Forum für Ehrenamtliche, um sich auszutauschen, sich zu beraten und für fachlichen Input.
- Ansprechpartner für individuelle Gespräche.
- Schulungen und Unterstützungsstrukturen in materieller, fachlicher und ideeller Hinsicht. Bei uns geschieht das auf Kreisebene zu Themen wie Recht, interkultureller Kompetenz, Fluchtursachen, Traumabewältigung und Grenzen des Ehrenamtes.
Man hat in diesem Ehrenamt aber auch die Chance, nicht nur kulturelle Vielfalt kennen- und schätzen zu lernen, sondern auch sehr intensive, bereichernde und vor allem herzliche und tragende Beziehungen entstehen zu sehen.
Die Art und Weise, wie wir unseren Flüchtlingen jetzt begegnen, sie annehmen und ihnen helfen, sich in unserer Gesellschaft zurechtzufinden, wird mit Sicherheit auch bestimmen, wie sich unser gesellschaftliches Zusammenleben in Zukunft abspielt.
Indem Ehrenamtliche den Menschen vermitteln, willkommen zu sein, und ihnen mit konkreten Angeboten helfen, ihre Situation zu meistern, haben sie auch die Chance, tiefere Einblicke und Verständnis zu entwickeln. Wenn sie dieses als Multiplikatoren an Freunde, Bekannte oder in Vereine weitergeben, helfen sie, eine positive Grundstimmung beizubehalten oder zu schaffen, dort, wo es sie nicht gibt.