Komplimente für das „Kind des Tages“
„Die Kinder haben schon einen ganzen Schultag hinter sich.“ Und sie haben jetzt noch 90 Minuten vor sich, in denen es um ganz wichtige Dinge geht – genauso wichtig wie Rechnen und Lesen.
Es geht hier nämlich um das „Training im Problemlösen für Grundschüler“, das die Sozialpädagogen Andreas Plotz und Astrid Fischer-Lange bei der Caritas-Beratungsstelle für Eltern, Jugendliche und Kinder erstmals durchgeführt haben. An elf Nachmittagen lernten die Kinder – im Alter zwischen sechs und zehn Jahren – auf ihre Gefühle zu achten. „Wir bringen den Kindern bei, aufgrund von Gefühlen zu lernen, sich in manchen Situationen anders zu benehmen als vorher“, erklärt Astrid Fischer-Lange. „Und dabei schließen die Kinder auch noch Freundschaften.“ Man kann, wenn man wütend ist, mit dem Fuß gegen den Tisch treten und rumtoben – man kann sich aber auch selbst „Stop“ zurufen, tief Luft holen und das Problem benennen. Das ist der Punkt, an dem die „Problemlöseampel“ auf Rot steht. Diese Ampel, sichtbar vorhanden im Raum und jetzt auch verankert in den Köpfen der teilnehmenden Kinder, kann dann auf Gelb springen: Da geht es um die Frage „Wie löse ich das Problem?“ Bei Grün heißt es „Los, jetzt wird die Idee umgesetzt und das Problem gelöst.“
Das ist leicht gesagt. „Wir erzählen Geschichten, machen Bewegungsspiele oder betrachten intensiv Fotografien von Gesichtern mit der Frage: Wie fühlt sich das Kind auf dem Bild gerade?“, gibt Andreas Plotz einen Einblick in die Gruppenarbeit. „Und wir fragen: Woran erkennt Ihr Wut, Traurigsein oder Stolz?“ Das Problem ist nämlich oft, dass Situationen nicht richtig eingeschätzt werden. Wenn die Kinder – und natürlich auch Erwachsene – lernen, genau hinzusehen, können sie das Auftreten negativer Gefühle kontrollieren und Lösungen entwickeln.
Dabei hat das Team ein festes Ritual entwickelt, bei dem sich wie von selbst gute, positive Gefühle einstellen: Für jeden Nachmittag wird ein „Kind des Tages“ gewählt, das besondere Aufgaben übernehmen darf: Bilder aufhängen, vorlesen, die anderen Kinder mit Kuchen oder ähnlichem bewirten. Dafür erhält es von den anderen Kindern Lob und Aufmerksamkeit, die am Ende des Tages auf einer Urkunde mit Komplimenten dokumentiert werden. Plotz erläutert: „Du hast gut für uns gesorgt, du hast schön vorgelesen – solche Komplimente machen jeden Menschen stolz und vermitteln die Erfahrung positiver Aufmerksamkeit.“
Wenn es dann wieder auf den Heimweg geht, bekommen die Kinder eine Aufgabe mit, in die die Eltern eingebunden werden. „Wir möchten erreichen, dass die Kinder erkennen: Meine Eltern waren ja auch mal Kinder“, verdeutlicht Astrid Fischer-Lange das Ziel. „Fragt doch mal eure Eltern, ob sie als Kinder auch mal Angst hatten und wie das war!“ ist solch eine Aufgabe, bei der Kinder und Eltern ins Gespräch und einander näher kommen können. Auch das ist ein Ziel im Trainingsverlauf: Das Selbstwertgefühl der Kinder stärken und ihre Beziehungsfähigkeit fördern.