Einfühlsames Drama mit Situationskomik
Sieveking erzählt von der schleichenden Verlusterfahrung, liebevoll-zärtlich und realistisch. Es berührt, wie sich in Krankheit und Pflege der Mutter die Familienbande bewähren: Der Vater entdeckt die Liebe zu seiner Frau neu, die Kinder entwickeln Verantwortungsgefühl für die weit entfernt lebende Mutter. Dabei sind Gretels Ehrlichkeit und Spontaneität in bestimmten Situationen manchmal von entwaffnender Komik.
Dem Autor ist ein Kunststück gelungen. Fast schon leichtfüßig erzählt er das Drama einer Demenzerkrankung, ohne ins Voyeuristische abzugleiten. Im Gegenteil: Gerade dadurch lässt er die Würde des Menschseins klar und unmissverständlich aufscheinen, eine Würde, die bis zum Schluss bleibt. Ein vielleicht anfangs verstörendes, aber ein mutiges und auch Mut machendes Buch.
David Sieveking: Vergiss mein nicht. Wie meine Mutter ihr Gedächtnis verlor und ich meine Eltern neu entdeckte, Verlag Herder, Freiburg 2014, 239 Seiten, ISBN 978-3-451-06528-6.