Soziales Engagement aus Fernost
Wie wirkt es auf Kinder mit geistiger und mehrfacher Behinderung, wenn sie von einer chinesischen Bundesfreiwilligendienstleistenden betreut werden? „Es nehmen sicherlich nicht alle Kinder wahr, dass sie aus China kommt, wohl aber bekommen alle Eindrücke aus einem anderen Kulturkreis: zum Beispiel, wenn wir mit ihrer Hilfe versuchen, uns im Morgenkreis auf Chinesisch ‚Guten Morgen‘ zu sagen“, meint Maria Kiermeier, Lehrerin an der Schule des Caritas-Zentrums St. Vinzenz Ingolstadt – das offiziell Privates Förderzentrum mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung heißt.
Seit einem knappen Jahr arbeitet mit ihr die 25-jährige Liu Li zusammen, die aus der südchinesischen Provinz Jiangxi kommt. Sie wie die Kinder und Mitarbeitenden in St. Vinzenz erleben das als eine interessante neue Erfahrung und kulturelle Bereicherung. Immer wieder einmal bringt Liu Li Typisches aus ihrem Herkunftsland ins Alltagsleben von St. Vinzenz ein: sei es, indem sie chinesisch kocht oder über das dort gefeierte Mond-, Drachen- oder Neujahrsfest erzählt.
Für sie selbst ist der Bundesfreiwilligendienst (BFD) in der Caritaseinrichtung vor allem eine neue soziale Erfahrung. In der ländlichen Umgebung Chinas, aus der Liu Li kommt, gingen Kinder mit Behinderung zwar in die Grundschule, blieben dann aber ohne weitere Entwicklungschance in den Häusern ihrer Familien, berichtet sie. „Hier bekomme ich mit, wie man sie in besonderer Weise fördern und betreuen kann.“
Vorlesen als „Win-win“-Situation
Dafür hilft die kleine zierliche Chinesin auf vielfältige Weise in der Schule und Heilpädagogischen Tagesstätte mit: zum einen mit einfachen administrativen Tätigkeiten wie „Post holen“ oder „Essen anmelden“, zum anderen mit direkten sozialen Hilfen. Sie begleitet zum Beispiel Kinder auf Toilette, wickelt sie oder zeigt ihnen, wie sie sich mit einem Talker – einem elektronischen Gerät zur Kommunikationshilfe – verständlich machen können.
„Besonders gerne lese ich ihnen aus Kinderbüchern vor. Dabei lerne ich dann auch selbst noch etwas“, beschreibt Liu Li, die in China Deutsch studierte, eine „win-win“-Situation. Heute hilft sie dem mehrfachbehinderten Rollstuhlfahrer Tobias aus der sechsten Klasse in der Pause beim Essen eines Joghurts. Später wird sie ihm im Rahmen der Einzelförderung der Einrichtung auf dem Flur Bälle zuwerfen und ihn beim Laufen mit dem Rollator unterstützen. „Es ist schön, wenn man mitbekommt, dass Kinder bei solchen Übungen dann mit der Zeit mehr Ausdauer entwickeln“, erfährt sie Erfüllung bei ihrer Arbeit. „Liu Li lässt sich auf alle Aufgaben ein und ist sehr einsatzfreudig“, zeigt sich Beate Dittmar, Gruppenleiterin in der Heilpädagogischen Tagesstätte, von der Zusammenarbeit angetan.
Bis August dieses Jahres ist die Chinesin noch in der Caritaseinrichtung engagiert. Noch weiß sie nicht, ob sie dann in Deutschland bleibt oder nach China zurückkehrt. Doch sie weiß, dass sie ihre Erfahrungen in St. Vinzenz bei nächster Gelegenheit in ihrer Heimat weitergeben will. Und dass ihr caritatives Engagement nach dem BFD nicht enden soll. Beruflich hält sie an ihrem bereits langjährigen Ziel fest, Übersetzerin zu werden. „Ehrenamtlich möchte ich im sozialen Bereich tätig bleiben, sei es in Deutschland oder in China.“
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