„Das Leben rund machen“
Die gemeinsamen Abende sind ein wichtiges Ritual, das dazu beiträgt, "den Tag gut zu beenden", sagt Pflegedienstleiter Reinhold van Weegen.
Mit großer Pünktlichkeit treffen die Bewohner ein, um ihre angestammten Plätze im Stuhlkreis einzunehmen. Auch Rollstühle und Rollatoren parken jeden Abend an der selben Stelle. Gedämmtes Licht und wohlige Atmosphäre erfüllen den Raum, mit Namen wird jeder Abendrundler von der Gruppenleiterin begrüßt. Gisela Mölleck ist eine der ersten Eintreffenden. Dieser Besuch gehört für sie fest zum Tagesablauf: "Ohne mich fängt die Abendrunde gar nicht an", scherzt die 92-Jährige. Am meisten freue sie sich auf das Singen und so stimmt sie ein in Lamberti’s "Abendrunden-Lied".
Zwölf ehrenamtliche Abenrundengestalter
Beim anschließenden Ballspiel wird es dynamisch - aber auch Köpfchen ist gefragt. "Spinat" ruft einer, der Nebenmann ruft: "Erbsen". Mit dem Wurf des Balls grübeln die Senioren nach Lebensmitteln, die grün sind. Wem nichts einfällt, wo aber noch ausreichend Kraft in den Armen vorhanden ist, der wirft ihn einfach so zurück. Wie eine Abendrunde gestaltet ist, das entscheidet jeden Abend ein anderer Gruppenleiter. Neben hauptamtlichen Mitarbeitenden sind das etwa zur Hälfte auch Ehrenamtliche. Aktuell engagieren sich zwölf ehrenamtliche Abendrundengestalter zwischen 19 und 74 Jahren. Neben Rentnern seien es auch Studierende, die üben möchten, eine Gruppe zu leiten, sagt Pflegedienstleiter Reinhold van Weegen. Jeder Gruppenleiter bringt eigene Ideen und Spiele mit, um die Zeit zwischen 19.30 und 20.45 Uhr zu gestalten.
"Ich bin abends immer richtig toll müde", sagt Gisela Mölleck und ist froh, gut schlafen zu können. Die Abendrunde bringe ihr Abwechslung und neue Ideen. Gäbe es das Angebot nicht, würde die Seniorin wohl fernsehen, schätzt sie - vermutlich alleine. Das ist, was van Weegen verhindern möchte. Der Abend und die Einsamkeit seien für die Bewohner am schlimmsten, weiß er. "Die Menschen sind hier, um ihr Leben abzurunden." Ihnen dabei helfen zu können, sei für ihn bereits palliative Arbeit - und dazu trage die Abendrunde bei.
Viel weniger Schlaftabletten
Geboren wurde die Idee vor 25 Jahren unter Beteiligung der Nachtpflegekräfte und van Weegen. Bewohner, die nicht schlafen konnten, wurden eingeladen, sich in einem Raum gemeinsam mit einer Nachtpflegekraft zu treffen. Daraus wuchs ein regelmäßiges Angebot, das ausgebaut, erweitert und mit Leben gefüllt wurde. Van Weegen bemerkt noch einen positiven Nebeneffekt: "Es werden viel weniger Schlaftabletten benötigt." Dazu trage bei, dass in der Abendrunde Ressourcen aktiviert würden. Außerdem hätten die Bewohner etwas Sinnstiftendes geleistet. "Wer einen guten Tag hinter sich hat, der schläft auch gut", weiß der langjährige Pflegedienstleiter.
Van Weegen findet, Angebote für Bewohner in den Abendstunden seien in Altenheimen wichtig und hofft, dass die Idee auch an anderer Stelle aufgegriffen wird. Es gehe eben darum, das Leben rund zu machen.