Wenn ein Kind stirbt
Das Thema ist alles andere als leicht, will so gar nicht in unsere so softe Zeit passen: Was bedeutet es für Familien, wenn ihr Kind in Sterben liegt? Der Förderverein des KinderPalliativNetzwerkes hatte dazu ins Essener "Haus der Caritas" Interessierte, Betroffene und vor allem Björn Enno Hermans eingeladen. Der gelernte Psychologe ist Geschäftsführer des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) Essen-Mitte, einem Fachverband der Ruhrcaritas.
Hermans spricht eindringlich und betont: Nicht selten entstehen Traumata durch den plötzlichen Verlust eines nahestehenden Menschen, sagt er, die sich besonders dramatisch ausbilden, wenn es ein Kind ist. Er beschreibt die besondere Belastung, der in einem solchen Fall auch Geschwisterkinder ausgesetzt sein können, die von den Eltern überfordert werden.
Kontakt zu Anderen
Generationsgrenzen werden überschritten, wenn Kinder mit "Erwachsenen-Problemen belastet werden. In einem solchen "Ernstfall" ist der Kontakt zu anderen Erwachsenen für die betroffenen Eltern wichtig. Er entlastet auch die Geschwisterkinder. Auch die Begegnung mit anderen Menschen, die sich in einer vergleichbaren Lage befänden, könne eine Hilfe sein, "zu wissen, mit diesen Problemen nicht alleine zu sein."
Das KinderPalliativNetzwerk kann diese Hilfestellung leisten. Es vermittelt zum Beispiel Ehrenamtliche, die für die Familien da sind, sie in vielen Belangen des täglichen Lebens entlasten und für Gespräche zur Verfügung stehen. Diese Begegnung ist für die Familien oft hilfreicher als Ratschläge von sogenannten Experten oder "Hilfeprofis", Ärzten, Psychologen, Ämtern und anderen. Das KinderPalliativNetzwerk will betroffenen Familien helfen, die Zeit bis zum Tod des Kindes so lebenswert wie möglich zu gestalten und die anschließende Trauer begleiten.
Entlastung im Alltag
Wie können Familien eine solche Krise, den bevorstehenden Tod eines Kindes oder die Zeit danach überstehen, womöglich gestärkt daraus hervorgehen? Der psychologische Fachbegriff heißt Resilienz, ein Begriff, der der Werkstoffkunde entlehnt ist und die Fähigkeit von Menschen bezeichnet, nach einem traumatischen Ereignis wieder ins normale Leben zurückzufinden. Es sei, so Hermans, in einer solchen Situation wichtig, diese Krise als Herausforderung umzudeuten, aus der Hilflosigkeit herauszukommen und die Krise aktiv zu gestalten und zu bewältigen. Dies gelinge aber oft nur mit Hilfe von außen und Entlastung im Alltag.
Ärzte sind überfordert
Bewegend wurde der Abend, als die anwesenden ehrenamtlichen Mitglieder des Netzwerkes von ihren Erfahrungen berichteten. So würden Familien in einer solchen Situation oft direkt in therapeutische Behandlung vermittelt, eine Pathologisierung, die die Familien oft noch mehr schwäche als stärke. Eine Kinderärztin betonte, dass oftmals die Ausbildung von Ärzten, mit derartigen Situationen umzugehen, unzureichend sei. "Auch wir Ärzte sind dann nicht mehr als Wegbegleiter." Eine Ehrenamtliche merkte an, dass der Tod gesellschaftlich verdrängt werde und insgesamt viel zu wenig darüber gesprochen werde; auch dies sollte bei der Arbeit des Netzwerkes berücksichtigt werden. Ein Ehrenamtlicher berichtet von seinen Besuchen bei einer betroffenen Familie: "Oft passiert gar nichts, ich bin einfach nur da und helfe aus der Situation heraus. Manchmal entstehen bewegende Gespräche. Es wird gewürdigt, dass wir eben keine Profis sind, sondern Wegbegleiter, die Zeit und Hilfe zur Verfügung stellen". Und er betont: "Auch wir Ehrenamtlichen haben etwas davon, wir lernen Menschen kennen."