Ein Drittel der Eltern ist alleinerziehend
Ein dicker Stapel Papiere liegt vor Petra Engemann-Ludwig auf den Tisch. „Die erneute Zertifizierung der Piloteinrichtungen steht an“, sagt die Leiterin der Kindertagesstätte mit Hort St. Martin in Warburg. Die Einrichtung gehört mit zu den ersten Kitas in NRW, die das Zertifikat „Familienzentrum“ verliehen bekamen. Das war vor rund vier Jahren. „Heute gibt es über 2.800 Familienzentren im Land“, sagt Petra Engemann-Ludwig. Das Siegel steht für besonderes Netzwerken und auch dafür, sich zu spezialisieren.
In einer Befragung durften die Eltern wählen. Topfavorit war die Kategorie „Familienbildung und Erziehungspartnerschaft“. „Darin sahen die Eltern den meisten Bedarf“, sagt Leiterin Engemann-Ludwig. Deshalb wurden Kooperationspartner ins Boot geholt, wie beispielsweise die Familienberatungsstelle des Caritasverbandes. Die Experten bieten Gesprächstermine direkt in der Einrichtung an. Niedrigschwellig soll das Angebot sein, eben nah an den Menschen. 83 Kinder im Alter von einem bis 13 Jahren besuchen das Familienforum. Was wollen und brauchen diese Kinder und ihre Eltern?
Eine interne Analyse ergab: Ein Drittel der Eltern sind alleinerziehend. Das Pädagogen-Team weiß, dass diese Gruppe mitunter vor besonderen Herausforderungen steht. „Die Wochenenden können besonders schwer werden“, weiß Elisabeth Kessemeier. Die sogenannten „heilen Familien“ sehen die Alleinerziehenden in trauter Harmonie im Café sitzen. Abendeinladungen sind schwer anzunehmen, ein lockerer Abend mit Tanz bleibt Phantasie. Wer sollte währenddessen auf das Kind aufpassen? Alleinerziehende sind ledig, getrennt lebend, geschieden oder verwitwet. Sie sind allein und zuweilen auch einsam. Sie haben eigene Themen. „Für sie bieten wir das Frühstückstreffen für alleinerziehende Mütter und Väter mit Kindern an“, erzählt Sozialarbeiterin und Kooperationspartnerin Elisabeth Kessemeier. Einmal im Monat deckt sie samstags den Frühstückstisch.
Die Atmosphäre soll ungezwungen sein. Durchschnittlich kommen sieben Erwachsene mit ihren Kindern zu Tisch. Die Kinder werden betreut und spielen. Die Erwachsenen unterhalten sich. „Sie sollen ein Netzwerk und ein Unterstützungswerk finden“, sagt die Pädagogin. Manche kämen kontinuierlich, andere vielleicht nur zwei Mal vorbei. „Das Angebot ist frei.“
Die Freiheit wird von den Eltern genutzt, um auch über harte Themen wie Alkohol oder Gewalt zu sprechen. Aber das Forum reicht weiter: Mit Elisabeth Kessemeier geht es hinaus in Mutter Natur. Einmal im Monat lädt sie sonntags zu Exkursionen rund um Warburg ein. „Dann gehen wir vom Wege ab“, sagt Kessemeier mit einem Augenzwinkern. Es geht quer durch den Wald, oder auch mal durch einen Bach. „Das gemeinsame Erleben ist wichtig, weil es verbindet. Das Wandern weitet den Horizont.“
Der Alleinerziehendentreff ist ein Angebot von vielen im Familienzentrum St. Martin. „Wir wollen uns stetig weiter entwickeln“, betont Leiterin Petra-Engemann Ludwig. Mit einer zehnköpfigen Lenkungsgruppe aus Experten und Ehrenamtlichen werden die Angebote diskutiert – vom Familienwochenende in Schloss Gehrden oder das Vater-Kind-Treffen, über die Vermittlung von Tagesmüttern bis zur Mitgestaltung des Kirchenjahres.