Stellungname zum Sozialschutz-Paket II
Zusammenfassung Die Bundesregierung hat Ende April mit dem Sozialschutz-Paket II ein weiteres Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem die wirtschaftlichen und sozialen Härten der Krise abgefedert werden sollen.
Der Deutsche Caritasverband (DCV) nimmt zu verschiedenen Teilen des Gesetzespakets Stellung:
1. Der DCV begrüßt, dass mit den Reformen des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes (SodEG) die Praxistauglichkeit des Gesetzes gestärkt und Lücken geschlossen werden. Die Erweiterung der SodEG-Leistungen auf die interdisziplinäre Früherkennung und Frühförderung trägt dazu bei, die soziale Infrastruktur in einem wichtigen Bereich zu erhalten. Allerdings ist der Fortbestand der Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ), anders als in der Gesetzesbegründung ausgewiesen, durch die Regelung nicht gesichert, da der Anteil der Frühförderung in diesen Einrichtungen in der Regel bei maximal 25 Prozent ihres Leistungsspektrums liegt. Hier besteht weiterhin Nachbesserungsbedarf. Gleichzeitig ist es uns wichtig, den Schutzschirm auch über die Fahrdienste zur Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zu spannen.
2. Informationspflichten im SodEG präzise zu klären entspricht praktischen Erfordernissen. Die dabei zum Datenschutz vorgesehenen Sonderregelungen, die im neuen § 6 vorgesehen sind, schießen weit über das Ziel hinaus. Es sollten für das SodEG die allgemeinen Regeln des Sozialdatenschutzes Anwendung finden.
3. Dass der Gesetzgeber den Rechtsweg klärt, ist grundsätzlich zu begrüßen. Zur Gewährleistung einer einheitlichen Bewertung der Regelungen im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen (gerade zu den Rückerstattungsfragen) spricht sich der DCV allerdings mit Nachdruck für die einheitliche Zuständigkeit der Sozialgerichte aus.
4. Zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten spricht sich der DCV für zwei klarstellende Ergänzungen in den §§ 2 und 3 SodEG aus. Im Sicherstellungsauftrag des § 2 sollte geklärt werden, dass es darum geht, den Bestand der Dienstleister zu gewährleisten, um das Angebot sozialer Leistungen zu sichern. In § 3 ist zu klären, dass zwar eine Anzeigepflicht der Dienstleister bezüglich der bereits fließenden vorrangigen Mittel, eine Pflicht zur vorrangigen Beantragung allerdings nicht besteht.
5. Der DCV nimmt Stellung zu den Regelungen zum Bildungsund Teilhabepaket. Die Fokussierung auf das Mittagessen greift aus Sicht des DCV zu kurz. Neben dem dringenden Erfordernis, den von der Koalition angekündigten Digital-Zuschuss für Schüler und Schülerinnen aus bedürftigen Familien schnell und großzügig umzusetzen, macht der DCV Vorschläge, wie die im Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) vorgesehenen Mittel für die Lernförderung und kulturelle Teilhabe in der Krise gestaltet werden sollten.
6. Der DCV begrüßt die im Sozialschutz-Paket II vorgesehenen Maßnahmen zur Waisenrente am Ausbildungsübergang und die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I.
Im Einzelnen:
Artikel 4: Änderungen des Sozialgerichtsgesetzes Der DCV begrüßt, dass die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit während der Zeit der Epidemie durch die Ermöglichung der Teilnahme per Videokonferenz gewährleistet wird. (…)
Artikel 6: Änderung des Sozialdienstleister Einsatzgesetzes
Nummer 1 Änderung von § 2
Frühförderung Der DCV begrüßt die Ergänzung zu § 2 sehr, gemäß derer die Leistungslücke im SGB V bei der interdisziplinären Früherkennung und Frühförderung nach § 46 SGB IX i.V. mit der Frühförderungsverordnung nach § 48 Nummer 1 SGB IX geschlossen wird.
Gegenwärtig werden viele Leistungen der Frühförderung ausgesetzt, da die Eltern Angst vor der Infizierung ihrer Kinder haben, die aufgrund ihrer komplexen Gesundheitsbeeinträchtigung zu den Hochrisikogruppen für SARS-CoV-2 gehören könnten. Auch haben Bundesländer Begehungsverbote für Frühförderstellen ausgesprochen, die eine Leistungserbringung nicht ermöglichen. Leistungsträger der Sozialen Teilhabe finanzieren die Leistung bei Leistungsausfall nur teilweise weiter; von Krankenkassen, die der zuständige Leistungsträger für die Finanzierung der medizinisch-therapeutischen Leistungen sind, wird berichtet, dass sie die Finanzierung ganz einstellen. Eine telefonische oder digitale Leistungserbringung kommt für diesen Patientenkreis nicht oder nur in Ausnahmefällen in Betracht. Bislang gab es keine Schutzverordnung, die die Finanzierung der SGB-Anteile bei der Komplexleistung Frühförderung sicherstellte. Mit der Ergänzung zu § 2 SodEG wird diese Lücke nun geschlossen. Allerdings ist der Fortbestand der Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ), anders als in der Gesetzesbegründung ausgewiesen, durch die Regelung keineswegs gesichert, denn der Anteil der Frühförderung in diesen Einrichtungen beträgt in der Regel maximal 25 Prozent ihres Leistungsspektrums.
Ergänzender Regelungsbedarf zu § 2: Sicherstellungsauftrag
In der Praxis zeigen sich erste Probleme bei der Umsetzung des in § 2 SodEG geregelten Sicherstellungsauftrages. Der sozialrechtliche Sicherstellungsauftrag der Leistungsträger knüpft an die in den Sozialgesetzbüchern geregelten Ansprüche an und umfasst die Vorhaltung der dazu notwendigen Infrastruktur. Insoweit muss für den jeweiligen fürsorgerischen und sozialen Dienst im Einzelfall unter Heranziehung des Vertragsverhältnisses zu dem jeweiligen Leistungsträger geprüft werden, ob die vertraglich geschuldete Leistung durch pandemiebedingte Einschränkungen nicht erbracht werden kann und deshalb der soziale Dienst in seinem Bestand gefährdet ist. Die Bestandsgefährdung muss innerhalb der jeweiligen Vertragsverhältnisse zum Leistungsträger in Bezug auf die jeweils geschuldete Leistung geprüft werden. Es bedarf einer Klarstellung, dass sich der Sicherstellungsauftrag der Leistungsträger auf die sozialrechtlichen Leistungen bezieht, zu deren Erbringung eine soziale Infrastruktur notwendig ist.
Änderungsbedarf
Der § 2 Satz 1 wird wie folgt formuliert: Die Leistungsträger nach § 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, mit Ausnahme der Leistungsträger nach dem Fünften und Elften Buch Sozialgesetzbuch, und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Leistungsträger) gewährleisten, dass im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuches oder des Aufenthaltsgesetzes das Angebot sozialer Leistungen vorgehalten wird, und sichern den dazu notwendigen Bestand der Einrichtungen, sozialen Dienste, Leistungserbringer und Maßnahmenträger, die als soziale Dienstleister im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuchs oder des Aufenthaltsgesetzes soziale Leistungen erbringen.
Ergänzender Regelungsbedarf zu § 2: Fahrdienste zur WfbM ohne direkte Vertragsbeziehung zum Leistungsträger
Fahrdienste zur WfbM, die nicht mit eigenem Personal und eigenen Fahrzeugen sichergestellt werden, sondern mit denen Dritte im Rahmen des Personenfördergesetzes beauftragt sind, fallen nicht unter den Schutzschirm des SodEG, denn die beauftragten Personenbeförderungsunternehmen stehen in keiner unmittelbaren Vertragsbeziehung zum Leistungsträger der Eingliederungshilfe, sondern zur sie beauftragenden WfbM. Aktuell führt diese Konstellation dazu, dass die Fahrdienste vor erheblichen Erlöseinbrüchen stehen. Die Stillhaltekosten im Fahrdienst für Menschen mit Behinderung zur WfbM sind beträchtlich. Auch wenn für die Beschäftigten der Fahrdienste Kurzzeitarbeit beantragt ist und geringfügig Beschäftigte vorübergehend aus eigenen Mitteln weiterbezahlt werden, müssen die laufenden Betriebskosten refinanziert werden. Der DCV setzt sich nachdrücklich dafür ein, diese Lücke im vorliegenden Gesetzentwurf zu schließen, indem beispielsweise unten stehender Änderungsvorschlag in § 2 eingefügt werden könnte.
Änderungsbedarf
In § 2 wird ein neuer Absatz 2 eingefügt: "Absatz 1 Satz 1 gilt entsprechend für natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die, ohne selbst in einem Rechtsverhältnis zu einem Leistungsträger nach Absatz 1 zu stehen, mit sozialen Dienstleistern nach Absatz 1 in einem Rechtsverhältnis stehen und im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses regelmäßig und in erheblichem Umfang unerlässliche Dienstleistungen zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch oder dem Aufenthaltsgesetz erbringen."
Nummer 2 Änderung von § 3: Anzeige von Mitteln
Die Begründung macht deutlich, dass es darum geht, über vorrangige Mittel, die bereits vor Antragstellung beantragt und somit tatsächlich verfügbar sind, bei Antragstellung zu informieren, um überschießende Bewilligungssummen zu vermeiden, die später zurückerstattet werden müssten. Dieser Regelungsinhalt sollte in der Formulierung des § 3 klarer gefasst werden. Auch sollte in § 3 und in der diesbezüglichen Gesetzesbegründung nochmals klargestellt werden, dass vor einer Gewährung von SodEG-Leistungen keine vorrangigen Mittel nach § 4 Satz 1 SodEG beantragt werden müssen. § 4 SodEG zum Erstattungsanspruch legt fest, dass bei Doppelzahlung die SodEG-Zuschüsse vorrangig zurückerstattet werden müssen. Die in § 3 Absatz 1 für die Leistungsträger vorgesehene Verpflichtung zur Auszahlung der Zuschüsse in Höhe von 75 Prozent des Monatsdurchschnitts gewährleistet, dass die sozialen Dienstleister in der Corana-Krise arbeitsfähig bleiben. Sie werden damit ohne notwendige Vertragsanpassungen zwischen Dienstleister und Leistungsträger auch im Interesse der Leistungsträger in die Lage versetzt, ihre sozialen Dienstleistungen sowie andere in der Krise zwingend benötigte wichtige Unterstützungs- und Daseinsvorsorge-Leistungen (insbesondere auch in Umsetzung von § 1 SodEG) zu erbringen. Hierdurch unterscheiden sich die sozialen Dienstleister von Unternehmungen in der Wirtschaft.
Änderungsbedarf
Die sozialen Dienstleister haben bei Antragstellung gegenüber dem zuschussgewährenden Leistungsträger anzuzeigen, in welcher Höhe vorrangige Mittel nach § 4 Satz 1 bereits geleistet werden. Vor der Zuschussbewilligung nach SodEG müssen vorrangige Mittel nicht beantragt werden.
Nummer 3 Änderung von § 4
Zu c)
Der neue § 4 Satz 2 will sicherstellen, dass Vergütungen nach § 22 dem Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) und § 149 SGB XI auf die Ausgleichsleistungen nach dem SodEG angerechnet werden, sofern die Rehabilitationseinrichtungen Versorgungsverträge nach SGB VI und SGB VII haben. Das ist sachgerecht. Es gibt jedoch viele Rehabilitationseinrichtungen, die Versorgungsverträge sowohl nach dem SGB VI als auch nach dem SGB V und daher anteilig auch Zuschüsse nach § 111d SGB V in Anspruch nehmen dürfen. Um diese Schnittstelle zur Berechnung der Ausgleichsleistung nach § 111d SGB praxisgerecht zu lösen, ist eine Ergänzung notwendig: "Satz 1 gilt entsprechend, wenn die sozialen Dienstleister als Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen folgende Vergütungen erhalten haben, die nicht bereits in der Kalkulation des Anspruchs nach § 111d Absatz 2 Satz 1 SGB V berücksichtigt wurden: (…)."
Zu d)
Zu den Informationen, die vom Dienstleister an den Leistungsträger zu übermitteln sind, um den Erstattungsanspruch ermitteln zu können, gehören per se keine personenbezogenen Daten. Es geht um bereite Mittel, also um Summen. Darauf verweist auch die aktuelle Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 29. April 2020, wenn davon gesprochen wird, dass lediglich die "Anzahl" der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen beziehungsweise der in Kurzarbeit befindlichen Personen anzugeben ist und der tatsächliche Mittelzufluss aus vorrangigen Mitteln "rein rechnerisch" dargestellt werden muss.2
Änderungsbedarf
Streichen: "einschließlich personenbezogener Daten" im zweiten Satz der unter d) vorgesehenen Einfügung. Nr. 4 neu: § 6 Datenschutz § 6 verfolgt das Ziel, die Information über Unterstützungsmöglichkeiten (Abs. 1 und 2) und zu den Abrechnungsgrundlagen (Absatz 3) für den Leistungsträger verfügbar zu machen. Der DCV geht davon aus, dass dazu keine Übermittlung personenbezogener Daten notwendig und deshalb auch keine datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage im Rahmen dieses Gesetzes erforderlich ist.
Zu Absatz 1:
Die Kontaktaufnahme zum Zwecke der Vermittlung personeller Ressourcen erfolgt über die Ansprechpartner der sozialen Dienstleister, deren Daten ohnehin vorhanden sind und im Rahmen der allgemeinen Aufgabenerfüllung verarbeitet werden dürfen. Dazu reicht die allgemeine Rechtsgrundlage im SGB X aus.
Zu Absatz 2 und 3:
§ 6 Absatz 2 sieht die Befugnis für die Leistungsträger vor, soziale Dienstleister zu verpflichten, Informationen unmittelbar an öffentliche Stellen (zum Beispiel Krisenstäbe) zu übermitteln. Diese Ermächtigung wird vom DCV grundsätzlich begrüßt. Sie hat allerdings keinen datenschutzrechtlichen Gehalt, weil die zu übermittelnden Informationen keine personenbezogenen Daten umfassen (dürfen).
Der DCV geht davon aus, dass nach § 1 SodEG keine personenbezogenen Daten übermittelt werden müssen, sondern lediglich eine Erklärung zum Umfang der verfügbaren Ressourcen. Konkret: Es wäre zum Beispiel zu übermitteln, dass ein Gärtner einer Jugendhilfeeinrichtung verfügbar ist (der dann gegebenenfalls als Erntehelfer einsetzbar wäre). Personenbezogene Daten dieses Gärtners sind nicht erforderlich und dürfen daher auch nicht übermittelt werden.
Zu Absatz 4:
Für die Berechnung des Zuschusses nach § 3 ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht erforderlich. Die Dienstleister sind insoweit auch nicht verpflichtet, personenbezogene Daten zu übermitteln, sondern lediglich die tatsächlich zugeflossenen Summe der vorrangigen Mittel.
Für diese Feststellung des nachträglichen Erstattungsanspruchs nach § 4 genügt die Bezifferung der bereiten Mittel. Auch im Falle des Kurzarbeitergeldes geht es nicht um die Frage, wer Kurzarbeitergeld bezogen hat, sondern um die Frage, in welcher Höhe Kurzarbeitergeld die Belastungen des Trägers gemindert hat (§ 4 Satz 1 Nr. 3).
Im Übrigen weisen wir darauf hin, dass die Übermittlung personenbezogener Daten, die ein sozialer Dienstleister im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erhoben hat und die nur zu diesem Zweck verwertet werden dürfen, stets einer Rechtsgrundlage für den weiterleitenden Arbeitgeber bedürfen. Nach Ansicht des DCV liegt diese aber nicht in Artikel 6 Absatz 1 lit. c) Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) i. V. mit diesem Gesetz, weil dieses Gesetz zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch nicht in Kraft war und deshalb keinen Erlaubnisvorbehalt für die Weiterleitung der Daten durch den sozialen Dienstleister vorsehen konnte. Eine Rechtfertigung könnte allenfalls nach Artikel 6 Absatz 1 lit. f) DSGVO vorliegen, wenn die Weiterleitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des sozialen Dienstleisters erforderlich ist und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person hintenanstehen lassen. Nach dem datenschutzrechtlichen Grundsatz der Datensparsamkeit reichen allerdings abstrakte Informationen über mögliche personelle Unterstützungen aus, wie zum Beispiel, in welchem Umfang und mit welchen Qualifikationen Personal bereitstehen kann. Die Übermittlung personenbezogener Daten erscheint auch insoweit unverhältnismäßig und rechtfertigt die Übermittlung durch den Dienstleister nicht.
Änderungsbedarf
Die Überschrift zu § 6 ist zu ändern in "Informationspflichten".
Absatz 1 entfällt. Absatz 2 ist wie folgt zu fassen: "Die Dienstleister sind auf Anforderung der Leistungsträger verpflichtet, Informationen zu den Unterstützungsmöglichkeiten nach § 1 an öffentliche Stellen im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben dieser Stellen zu übermitteln."
Absatz 3 und 4 entfallen.
§ Nr. 4 neu: § 7 Rechtsweg
Der Entwurf sieht eine geteilte Rechtswegzuständigkeit vor. Der DCV lehnt diese Zersplitterung ab, denn der Rechtsschutz für Streitigkeiten aufgrund des SodEG muss effektiv ausgestaltet sein (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz). (…)
§ 8 Evaluation
Der DCV begrüßt nachdrücklich, dass die Regelungen des SodEG evaluiert werden sollen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sollte jedoch zur Evaluation verpflichtet werden. Die "Kann"-Regelung ist entsprechend nachzubessern. Des Weiteren ist klarzustellen, dass die in die Untersuchung einzubeziehenden Dritten unabhängige Wissenschaftler sein sollen. Der mit einer Million Euro bezifferte Erfüllungsaufwand, der für die Untersuchung vorgesehen ist, erscheint uns allerdings als sehr hoch, um wissenschaftliche Expertise in ausreichendem Umfang und der gebotenen Qualität einzubeziehen. Der DCV fordert zudem, dass die vom SodEG betroffenen Spitzenverbände der Einrichtungen und Dienste über einen Beirat in die Evaluation eingeschlossen werden müssen. Dies ist in der Gesetzesbegründung zu ergänzen.
Änderungsbedarf
"Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragt eine Untersuchung zur Ausführung dieses Gesetzes. In die Untersuchung ist wissenschaftliche Expertise einzubeziehen. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen bis zum 31. Dezember 2021 veröffentlicht werden."
Artikel 7, 12 und 13: Änderungen Aufwendungen für gemeinschaftliches Mittagessen trotz Schul- und Kitaschließungen
Der mit Schließung von Schulen, Kindertagesstätten und der Kindertagespflege verbundene Wegfall von Leistungen, die über das Bildungs- und Teilhabepaket gefördert werden, betrifft nicht nur die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Wegfall des kostenlosen Mittagessens für einkommensschwache Familien eine spürbare finanzielle Belastung darstellt, so ist doch die wesentliche Gefahr, die für Kinder aus einkommensschwachen bildungsfernen Familien mit der Schulschließung entsteht, noch eine andere. Für sie kann der Wegfall des analogen Unterrichts besonders gravierende und nachhaltige Auswirkungen auf ihre Leistungsentwicklung haben. Die Krise zeigt noch einmal sehr deutlich auf, dass es dringend notwendig ist, den Digital-Gap zu schließen und die Familien mit den entsprechenden Geräten auszustatten und in ihre Kompetenzen zu investieren. Kinder und Jugendliche laufen Gefahr, bildungstechnisch ausgeschlossen zu werden, weil sie digital nicht auf dem Stand sind. Es müssen flächendeckend Lösungen zum Auffangen und Unterstützen der abgehängten jungen Menschen erarbeitet werden - nicht erst nach der Krise.
Die Bundesregierung hat dies erkannt und hat beschlossen, arme Familien mit einem Zuschuss 150 Euro zu unterstützen, um digitale Geräte und Infrastruktur (Internetzugang) zu beschaffen. Dieser Beschluss muss nun zügig umgesetzt werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass alle Familien/Schüler über die Zuschussmöglichkeit informiert werden. Bei der Organisation der Auszahlung ist nach Bedürftigkeit entlang rechtssicherer Kriterien vorzugehen. Grundsätzlich erscheint der Betrag deutlich zu niedrig, um geeignete Geräte zu kaufen. Um zu vermeiden, dass weitere Anträge beim Jobcenter gestellt werden müssen, sollten die tatsächlichen Kosten einer angemessenen und in dieser Form von den Schulen beschriebenen EDV-Ausstattung (bis zu 250 Euro) übernommen werden. Sicherzustellen ist die administrative Umsetzung über die Schulen. Dabei ist zu beachten, dass die gesamte Abwicklung möglichst stigmatisierungsfrei erfolgt. Zu berücksichtigen ist, dass es nicht damit getan ist, die notwendigen Geräte zur Verfügung zu stellen. Studien belegen, dass teilweise auch das Know-how fehlt, die Geräte und die Software anzuwenden. Hier braucht es weitere Anstrengungen.
Derzeit ist festzustellen, dass manche Kinder weder digital noch analog hinreichend erreicht werden. Damit sich Bildungsarmut nicht verschärft, müssen sozial- und bildungsbenachteiligte Kinder bei der schrittweisen Öffnung der Betreuungs- und Bildungseinrichtungen möglichst schnell eine besondere Berücksichtigung erfahren. Kindern mit besonderem Förderbedarf fällt es häufig schwer, ihre Lernaufgaben eigenständig zu strukturieren und Lerninhalte selbstständig zu erarbeiten. Ihre Familien können eine angemessene Unterstützung aus unterschiedlichen Gründen nicht immer sicherstellen. Bei Bedarf sollten deshalb Kinder mit besonderem Förderbedarf auch schon während der Schließung eine intensivere Betreuung durch die Lehrer erhalten, zum Beispiel telefonisch oder per Skype, wenn WLAN vorhanden ist.
Zudem müssen Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf über "Rückkehrkonzepte" möglichst schnell wieder in das schulische Lernumfeld integriert werden. In Baden-Württemberg können schwächere Schülerinnen und Schüler ohne Digitalausstattung seit 4. Mai zur Betreuung in kleinen Lerngruppen in die Schule bestellt werden. Die Entscheidung, wer kommen muss/soll und wer nicht, liegt bei den Lehrkräften. Dieses Arrangement erlaubt es, gezielt solche Kinder zu fördern, die in der momentanen Situation besonders benachteiligt werden, weil sie den Anschluss zu verlieren drohen. Die Einbeziehung der Schulsozialarbeit in die Konzepte muss dabei selbstverständlich sein.
In der Philosophie der Hilfeleistung des Bildungs- und Teilhabepakets muss auch die Lernförderung nach § 28 Absatz 5 SGB II besonders großzügig angewandt werden. Grundsätzlich ist das schulische Bildungssystem vorrangig in der Pflicht, bei allen Schülerinnen und Schülern auf einen Bildungserfolg hinzuwirken. Die coronabedingten Lücken sind allerdings in den nächsten Wochen und Monaten durch die Schule allein nicht zu schließen. Solange durch das schulische Bildungssystem nicht gewährleistet ist, dass auch Kinder aus Haushalten mit Einkommen an der Grenze des soziokulturellen Existenzminimums, die eine ergänzende Lernförderung benötigen, diese tatsächlich erhalten und somit Bildungsund Chancengerechtigkeit hergestellt wird, müssen die Leistungsträger die Deckung des Bedarfs an Bildung durch angemessene Lernförderung sicherstellen. Dies gilt in Zeiten von Schulschließungen in ganz besonderer Weise.
Wenn für bildungsbenachteiligte Schüler, die derzeit weder digital noch analog gut erreicht werden können, Rückkehrkonzepte erarbeitet werden, die einen baldigen Schulbesuch sicherstellen, so kann für diese Kinder auch das schulische Mittagessen sichergestellt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Mittagessen im Rahmen des Bildungspakets geliefert oder abgeholt werden kann. Diese Lösung ist aus Sicht des DCV nicht praktikabel. Solange kein Schulbesuch stattfinden kann, findet das Mittagessen gemeinsam in der Familie statt. In den Blick genommen werden muss dabei die gesamte Familie.
Das BuT-Mittagessen stellt einen pauschal geregelten Mehrbedarf dar. Dieser hatte die Voraussetzung, dass das Mittagessen gemeinschaftlich und in schulischer/Kita-Verantwortung eingenommen wird. Nun wird auf diese Voraussetzungen verzichtet. Deshalb wäre es konsequent, diesen Betrag an die Familien auszuzahlen. Alles andere bringt für alle Beteiligten einen unverhältnismäßig großen Aufwand mit sich. Der DCV plädiert deshalb dafür, allen Familien im Bezug von SGB-II-, SGB-XII-, Kinderzuschlags-, Asylbewerberleistungsgesetz- und Wohngeld-Leistungen eine einmalige Leistung in Höhe von 150 Euro pro Kind für das Mittagessen in Zeiten der Corona-Krise zu gewähren und so eine Entlastung zu schaffen. Sachleistungen schränken die Gestaltungsfreiheit unnötig ein. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Eltern diese Mittel zweckwidrig verwenden. Studien belegen im Gegenteil, dass Eltern zuletzt bei ihren Kindern sparen. Vorrangig wichtig ist es aus Sicht des DCV, dass mit der schrittweisen Öffnung der Schulen auch zügig die Möglichkeit eröffnet wird, dass Kinder und Jugendliche unter Einhaltung der gebotenen Hygieneregelungen Zugang zur Mittagsversorgung in Schulen und Kitas erhalten.
Der DCV schlägt weiter vor, die im Bildungs- und Teilhabepaket vorgesehenen Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben, für die bei nachgewiesener Teilhabe 15 Euro monatlich vorgesehen sind, auch dann zu gewähren, wenn Bücher, Spiele oder Bastelmaterial gekauft wurden. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen und Schließungen aller Kultureinrichtungen wie zum Beispiel Kino ist Lesen momentan ein wesentlicher Ausfluss von Teilhabe am kulturellen Leben. Diese sollten hilfebedürftige Kinder mit den Mitteln des BuT finanzieren können; eine Aufstockung auf 30 Euro monatlich wird vom DCV für die Zeit coronabedingter Einschränkungen empfohlen.
Artikel 8: Änderung des Tarifvertragsgesetzes
Wie bei dem Verfahren bei der Mindestlohnkommission sollte sichergestellt werden, dass die Verfahren nach § 5 Absatz 2 Tarifvertragsgesetz (TVG) nicht gegen den Willen der Beteiligten mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden. Sollte die Verhandlung des Tarifausschusses mittels Video- oder Telefonkonferenz zudem nicht nur für das Verfahren nach § 5 TVG, sondern auch für §§ 7, 7 a Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) gelten, sollte dies rechtssicher klargestellt werden. § 7 a Absatz 4 AEntG verweist jedenfalls für die Befassung des Tarifausschusses nur auf § 5 Absatz 1 Satz 1 TVG und nicht auf § 5 TVG, wie in der Begründung der Formulierungshilfe ausgeführt. Wir gehen zudem davon aus, dass die beabsichtigte Neuregelung der Ermöglichung einer Telefon- oder Videokonferenz nicht auch das Anhörungsverfahren der paritätisch besetzten Kommissionen nach § 7 a Absatz 1 a AEntG erfasst. Dies sollte in der Begründung ausdrücklich klargestellt werden. Der letzte Satz des zweiten Absatzes der Begründung zu Artikel 7 sollte vor diesem Hintergrund daher auch wie folgt gefasst werden: "Die Möglichkeit einer Video- oder Telefonkonferenz steht auch für die Befassung des Tarifausschusses auf Grundlage der Regelungen der §§ 7, 7 a Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie 3 a Arbeitnehmerüberlassungsgesetz offen, die auf die Vorschrift des § 5 TVG verweisen." Hilfsweise weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass die Durchführung des Anhörungsverfahrens nach § 7 a Absatz 1 a AEntG im Wege einer Telefon- oder Videokonferenz nicht gegen den Willen der an der Anhörung Beteiligten - wie etwa der paritätisch besetzten Kommissionen - erfolgen kann. Auch insoweit bitten wir dann - zur Gewährleistung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts - nachdrücklich um die oben erwähnte Ergänzung des Gesetzestextes.
Änderungsbedarf
Die in § 5 Absatz 2 TVG vorgeschlagene Anfügung eines weiteren Satzes zur Ermöglichung von Video- oder Telefonkonferenzen sollte wie folgt ergänzt werden: "In begründeten Fällen kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Teilnahme an der Verhandlung mittels Video- oder Telefonkonferenz vorsehen, wenn nicht ein Teilnehmer diesem Verfahren unverzüglich widerspricht."
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