Erfolgsfaktor Kooperation
Für die eigene Organisation ist es vorteilhaft, im Bereich der Digitalisierung stärker zu kooperieren. Das bekräftigen 60 Prozent der Teilnehmenden der Studie "Erfolgsfaktor Digitalisierung", die in enger Kooperation mit der BAGFW von der Bank für Sozialwirtschaft (BfS)1 erstellt wurde. Unter den Teilnehmenden aus der Caritas sind es 70 Prozent, die verstärkte Kooperationen in digital(politisch)en Fragen als wichtig ansehen. Damit bestätigt die Befragung unter Trägern und Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände, was sich auf den letzten beiden Delegiertenversammlungen des Deutschen Caritasverbandes (DCV) zeigte: Digitalisierung ist ein verbandliches Gemeinschaftsprojekt. Sie erfordert eine Neujustierung von Aufgaben und Rollen zwischen den verbandlichen Gliederungen und Mitgliedern - im Bewusstsein dessen, dass Autonomie der Träger und Subsidiarität Leitmaximen der Zusammenarbeit in der verbandlichen Caritas bleiben. Schwarmintelligenz und kooperative Vernetzung2 sind Voraussetzungen dafür, bei begrenzten Ressourcen die vielfältigen Anforderungen der digitalen Gesellschaft beantworten zu können.
Teilnehmende sehen Engpässe im Bereich der Investitionen
Über 80 Prozent der Studienteilnehmer(innen) aus der Caritas betonen, dass die als notwendig erachtete verstärkte Kooperation idealerweise innerhalb der verbandlichen Caritas erfolgen solle. Über 60 Prozent befürworten außerdem eine engere Kooperation mit anderen Akteuren aus der Sozialwirtschaft, 56 Prozent eine verstärkte Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Dabei ist das Niveau digitaler Kooperationen bei den Caritas-Gliederungen höher als im Durchschnitt der Teilnehmenden der Studie: 62 Prozent der Caritasteilnehmer(innen) bestätigen, bei der Bewältigung der digitalen Transformation im Jahr 2019 mit Partnern zu kooperieren, über alle Befragten gemittelt liegt der Wert bei 51 Prozent. Auch wenn die Ergebnisse der Teilnehmenden insgesamt und die aus der verbandlichen Caritas nicht 1:1 vergleichbar sind (unter den Caritas-Rückmeldungen gibt es ein deutliches NRW-Übergewicht, der Anteil der Rückmeldungen von Trägern mit Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen ist bei der Caritas deutlich höher als im Durchschnitt…), so geben die Ergebnisse doch wichtige Hinweise auf die Erwartungen, denen eine Digitalstrategie der Caritas genügen muss.
Erfahrungsaustausch erwünscht
Unangefochtener Spitzenreiter - besonders in der Caritas - ist der Wunsch nach Best-Practice-Austausch. Ein verbandliches Wissensmanagement, das die Erfahrungen verbandlicher Akteure im Bereich digitaler Vorhaben systematisch zugänglich macht, ist gefordert; für seine erfolgreiche Umsetzung ist "eine Kultur des Teilens" zu pflegen. 3 Die Organisation von Austausch ist ein Verbandsentwicklungsvorhaben: Ähnlich wie Lorenz Werthmann noch vor Gründung des Verbandes Bibliothek und Archiv schuf, um Geschäftsberichte und Ratgeberbroschüren aus der Caritas-Bewegung zu sammeln und verfügbar zu machen, so geht es heute um das Voneinander-Lernen in einer lernenden Organisation und um den Überblick über (digitale Vorhaben) mögliche(r) Partner. Erfolgreiches Wissensmanagement schöpft - im Austausch guter und schlechter Beispiele4 - Innovationspotenziale aus; Ergebnis ist die Verkürzung von Reaktionszeiten und eine größere Anpassungskraft.
Fast 50 Prozent der Studienteilnehmer(innen) aus der Caritas wünschen sich Kooperationen in Finanzierungsfragen, knapp 40 Prozent Zusammenarbeit als juristische Hilfestellung und ebenso viele "Peerberatung". Damit liegen die Caritaswerte bei all diesen Antworten deutlich über den Durchschnittsergebnissen.
Engpässe bei der Bewältigung der digitalen Transformation werden - wenig überraschend - im Bereich der Investitionen gesehen. Nur insgesamt 16 Prozent der Befragten und lediglich sieben Prozent der Caritas-Teilnehmenden gehen davon aus, dass sie den mit der Digitalisierung entstehenden Investitionsbedarf in naher Zukunft stemmen können. Auf Platz 1 der Ursachen für bislang nicht erfolgte Investitionen rangieren weder bei den Caritas-Teilnehmenden noch bei den Befragten insgesamt fehlende Eigenmittel oder ausbleibende Refinanzierung durch die Kostenträger. Stattdessen verweisen 79 Prozent der Teilnehmenden insgesamt und 86 Prozent der Caritas-Antworten auf fehlende personelle Ressourcen. Digitalkompetenzen in der eigenen Führungsriege aufzubauen, um Investitionsentscheidungen sachgerecht vorbereiten zu können, wird von den Verantwortlichen in den Wohlfahrtsverbänden damit als zentrale Herausforderung erkannt.5
Digitalisierung soll vor allem die Teilhabe verbessern
Wesentlicher Treiber der tatsächlichen und geplanten Investitionen in digitale Tools und Infrastrukturen ist der Wunsch, das vorhandene Personal zu entlasten (80 Prozent Zustimmung). Über 60 Prozent der Caritas-Teilnehmenden geben an, in Digitalisierung zu investieren, um ihre Zielgruppen besser zu erreichen. Für 50 Prozent der Befragten aus der verbandlichen Caritas dienen die Digitalisierungsanstrengungen einer Verbesserung der Teilhabechancen der Klient(inn)en.6 Die Botschaft der Jahreskampagne 2019 "Sozial braucht digital"(#sozialbrauchtdigital) findet damit in der praktischen Arbeit der verbandlichen Caritas erkennbar Resonanz: "In einer Welt, in der alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens von der digitalen Transformation durchdrungen sind, wird digitale Teilhabe zur zentralen Voraussetzung für soziale Teilhabe. (…) Die entscheidenden Fragen sind: Wie bleiben wir auf dem Weg in die digitale Zukunft unserem originären Anspruch treu - nah bei den Nächsten zu sein, mit klarer Option für die Armen und Ausgegrenzten?"7
Anstrengungen in strategischer Planung sind nötig
Auch wenn das Bild, das die Studie zeichnet, den fortbestehend starken Bedarf "klassischer" Digitalisierungsanstrengungen in der Sozialwirtschaft unterstreicht und deutlich wird, wie viele Träger durch Investitionsziele in den Bereichen "Prozesse und IT" als Basisanforderungen herausgefordert sind, so macht der zweite Blick in das Zahlenmaterial große Dynamik sichtbar: "Not sehen und handeln" erfordert im hybriden Sozialraum und unter den Bedingungen plattformisierter (öffentlicher) Dienstleistungen8 umfassende Anstrengungen der Wohlfahrtsverbände, nicht zuletzt in der Organisationsentwicklung und strategischen Planung. Die OnlineBeratung der Caritas ist ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, neue Governance-Formen zu erproben, um Vernetzung und Ressourcenpoolung für verbandliche Gemeinschaftsaufgaben zu gestalten.
Kooperationen müssen unterschiedlich ausgestaltet werden
Die Beschlüsse zur Plattformfähigkeit der Delegiertenversammlung 2019 haben über die Beratungsplattform hinaus verbandliche Initiativen angestoßen: Die konkrete Ausgestaltung der als notwendig erachteten Kooperationen wird je nach Handlungsbereich unterschiedlich aussehen (müssen). Während bei der OnlineBeratung dem DCV eine koordinierende Rolle bei der Strukturentwicklung und bei der Gewährleistung von Standards zufällt, ist die Frage nach dem Wo und Wie digitaler Kompetenzzentren im Verband noch offen. Das Deutsche Rote Kreuz hat im Rahmen des Förderprojekts des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur digitalen Transformation der Wohlfahrtsverbände9 mit der Initiierung regionaler Zentren erste Erfahrungen gesammelt. Für IT-Infrastrukturunterstützung werden an verschiedenen Stellen genossenschaftliche Lösungen erprobt.
Generell gilt: Digitale Dynamik erfordert verbandliche Innovationsbereitschaft und das richtige Matching von Aufgaben und Governance-Konzepten. Die Studienergebnisse ermutigen bei der Suche nach kooperativen Erfolgsrezepten. Und die Erfahrungen des Corona-Lockdowns zeigen, wie dringlich es ist, den Weg der Digitalen Agenda weiterzugehen.
Anmerkungen
1. Die Studie wurde erstellt von der Universität zur Köln in Zusammenarbeit mit der Bank für Sozialwirtschaft, begleitet durch einen verbandlichen Beirat, in dem der Deutsche Caritasverband (DCV) durch Renate Walter-Hamann, Leiterin der Abteilung Gesundheit und Soziales, vertreten war. Die Befragung erfolgte 2019. Teilgenommen haben insgesamt 1100 Personen aus der Sozialwirtschaft, mehrheitlich haben Personen aus der Leitungsebene (Vorstand oder Geschäftsleitung) geantwortet. 83 Prozent der Teilnehmenden kommen aus dem Bereich der freigemeinnützigen Organisationen der Wohlfahrtspflege, weniger als zehn Prozent der Antworten aus dem Bereich privat-gewerblicher Träger. Circa zehn Prozent der Teilnehmenden sind der verbandlichen Caritas zugehörig. Die ursprünglich für März 2020 geplante Veröffentlichung der Studie wurde verschoben, um in eine finale Fassung die Digitalisierungsdynamiken der Pandemie einzubeziehen. Die Online-Erhebung dazu soll noch diesen Mai stattfinden.
2. Landstorfer, J.; Welskop-Deffaa, E. M.: Die "Schwarmintelligenz" des Verbandes nutzen. In: neue caritas Heft 22/ 2018, S. 15-18.
3. Kühn, M.: Potenziale von Wissensmanagement in der Wohlfahrt (siehe https://drk-wohlfahrt.de, Blog vom 14. Februar 2020).
4. Auf die Bedeutung des Lernens auch aus schlechten Beispielen verwies die Autorin bei der Delegiertenversammlung des DCV 2019 mit ihrer Sortierung der Aufgaben der Digitalen Agenda entlang der sechs "großen I": Impulse geben, Initiativen fördern, Ideen skalieren, Irrwege abkürzen, Institutionelle Rahmungen gestalten, Interessen vertreten.
5. Die laufende Enquete-Kommission "Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt" des Deutschen Bundestages greift die hier aufscheinenden existenziellen Fragen digitalen Kompetenzaufbaus in der beruflichen (Weiter-)Bildung auf - leider bislang mit zu wenig Aufmerksamkeit für das Sozialwesen und den Bereich vollschulischer Ausbildung.
6. Insgesamt geben nur 44 Prozent der Befragten an, es gehe bei ihren Digital-Investitionen um die Verbesserung der Erreichbarkeit der Zielgruppen, insgesamt 32 Prozent geht es um die Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten.
7. Sozialpolitische Positionen zur Jahreskampagne 2019 "Sozial braucht digital", www.caritas.de, direkter Kurzlink: https://bit.ly/2P6YTiy
8. Vgl. neue caritas Heft 17/2019, Schwerpunktthema OnlinePlattformen.
9. Die Webseite www.diewohlfahrt.digital begleitet das Förderprogramm und stellt die Projekte der einzelnen Verbände vor.
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