Angesichts der Pandemie ist noch mehr Solidarität gefragt
Mit der Corona-Pandemie hat Caritas international, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, erstmals mit einer globalen Katastrophe zu tun, die alle Länder gleichermaßen trifft - und auch ihre eigenen Mitarbeiter(innen). Sie haben Herausforderungen zu lösen wie: Wo besorgen wir Schutzmaterialien wie Atemmasken und Handschuhe? Wie sind die Erfahrungen mit der Verteilung von Lebensmitteln unter Vermeidung von Menschenansammlungen? Welche Aufgaben müssen aufgrund der aktuellen Situation völlig neu und anders angegangen werden als bisher? Was tun, wenn Helfer(innen) nicht mehr zu den Notleidenden kommen können? Was tun, wenn sie selbst an Covid-19 erkranken? Selbst Hilfe brauchen? Gibt es plötzlich hilflose Helfer(innen)?
Lautet das Motto der Caritas doch "Not sehen und handeln", so entdeckt sie jetzt, in ihrer Arbeit weltweit, auch den Wahrheitskern eines anderen Spruchs: "Not macht erfinderisch." Neue Herausforderungen kreieren neue Lösungen. Ob im Nahen oder Fernen Osten, Osteuropa, Afrika oder Lateinamerika - überall finden "Caritäter(innen)" neue Wege und Ansätze, den Ärmsten der Armen in dieser globalen Tragödie beizustehen.
So etwa auf den Philippinen. "Weil plötzlich fast unser ganzes Personal wegen der Ausgangssperren zum Verharren zu Hause gezwungen war und es kaum noch Warentransporte im Land gab", erzählt Edwin Gariguez, der Leiter der Caritas auf den Philippinen, "funktionierten die üblichen Wege unserer humanitären Hilfe nicht mehr: von einer Zentrale aus Hilfsgüter zu beschaffen und an Bedürftige zu verteilen." Gariguez gründete kleine lokale "Caritas Kindness Stations" (Caritas-Zentren der Güte). Dies sind dezentralisierte Initiativen, in denen Ehrenamtliche nach anfänglicher (organisatorischer) Hilfe zur Selbsthilfe eigenständig in ihrer näheren Umgebung um Geld- und Sachspenden bitten und über die Pfarreien an Bedürftige verteilen. Inzwischen sind "Caritas Kindness Stations" über das ganze Land verteilt.
Vieles wird per Telefon oder Video kommuniziert
Ähnliche Solidaritätsinitiativen begann die Caritas inzwischen in vielen Ländern der Erde. Was immer ohne persönlichen Kontakt möglich ist, wird vom Heimbüro aus, via Telefon, E-Mail oder Video-Kommunikation gesteuert. Die Caritas Armenien hat eine Telefonbetreuung für ihre Klient(inn)en eingerichtet, über die sie psychologische Unterstützung und Beratung anbietet, aber auch materielle Bedürfnisse ständig abfragt. Sie erledigt für die Klient(inn)en, wenn nötig, Einkäufe, leistet Haushaltshilfe oder natürlich Hauspflegedienste. Der physische Kontakt wird auf ein notwendiges Minimum reduziert.
Die Caritas Rumänien hat in einer Telefonaktion Bedürfnisse ihrer Klient(inn)en identifiziert und versucht, diese zu befriedigen, so gut sie kann, leistet aber weiterhin selbstverständlich Dienste in Alten- und Pflegeheimen. Die Caritas Jerusalem verteilt Lebensmittel und notwendige Haushaltsartikel auch im Westjordanland und im Gaza-Streifen. Die Caritas Indonesien gibt über viele Pfarreien Lebensmittel zusammen mit Desinfektionsmitteln und Gesichtsmasken aus. In Mexiko und Guatemala arbeitet die Caritas entlang der Migrantenrouten in Richtung USA, um die Menschen über das Virus und den Schutz davor aufzuklären. In Jordanien hat die Caritas ein großes Gesundheitsprojekt gestartet mit dem Ziel, dass Menschen, die aus den Konfliktgebieten in Syrien und im Irak nach Jordanien geflüchtet sind, auch in Zeiten der Pandemie medizinisch versorgt werden und eine Ausbreitung des Virus in den Einrichtungen verhindert wird. Die Caritas arbeitet dort grundsätzlich mit Schutzmasken und verwendet nur Einmalhandschuhe.
Die Armut verschärft sich
In vielen Ländern sorgen sich die Menschen allerdings noch mehr um die materiellen Folgen der Pandemie als um gesundheitliche Fragen. Trifft doch die Corona-Krise, so schwere Opfer sie auch in den wohlhabenden Ländern fordert, die Menschen dort besonders hart, wo sie ohnehin arm und von humanitärer Hilfe abhängig sind. Länder, in denen mangelhafte hygienische Verhältnisse herrschen. Länder, in denen es oft nur eine schlechte Gesundheitsversorgung gibt. Es zeichnet sich ab, dass Menschen im Krieg, auf der Flucht und in bitterer Armut diese Krise ohne Hilfe nicht überleben. Besonders verheerend würde sich die Ausbreitung des Virus in den großen Flüchtlingslagern in Bangladesch, Kenia oder Griechenland auswirken, in denen es kaum möglich ist, einen Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Unermüdlich sind daher dort wie in vielen anderen Ländern Caritasmitarbeiter(innen) damit beschäftigt, die Menschen über die Seuche aufzuklären, Prävention zu leisten und "nebenher" weiterhin die Grundversorgung für die Menschen in Not aufrechtzuerhalten. Atemschutzmasken und Schutzkleidungen sind zwar fast überall Mangelware, doch werden sie in einer Reihe von Caritas-Projekten inzwischen selbst produziert, so etwa in Indien, in Hongkong oder in Serbien, wo in einigen Aufnahmestationen für Flüchtlinge Nähwerkstätten für Atemschutzmasken eingerichtet wurden und sich Geflüchtete freiwillig an der Produktion beteiligen.
In den Flüchtlingslagern gibt es keinen Mindestabstand
Wo immer die Caritas zu Zeiten der Corona-Krise Hilfsgüter ausgibt, geschieht dies in kleineren Gruppen; dafür gibt es aber entsprechend mehr Verteilaktionen. "Der Arbeitsaufwand für uns erhöht sich", sagt Jürgen Prieske, Mitarbeiter von Caritas international in Kenia. Doch für ihn und seine Kolleg(inn)en sei es gerade der einzige Weg, ihre Aufgabe als humanitäre Helfer(innen) zu erfüllen. "Wir dürfen unsere Hilfen nicht wie bisher leisten und damit riskieren, zur Ausbreitung des Virus beizutragen. Aber wir können zu unseren Begünstigten auch nicht sagen: Wegen Corona bekommt ihr jetzt nichts zu essen", erklärt er. Er und seine Kolleg(inn) en achten auch darauf, bei Verteilungen alle Hygienestandards einzuhalten.
Der Einsatz, mit dem die Caritas weltweit gegen die Folgen der Pandemie ankämpft, wird nicht immer nur gewürdigt. Oft werde humanitären Hilfsorganisationen der Vorwurf gemacht, dass ihr Engagement im Kampf gegen das Ebolavirus nicht so groß gewesen sei wie jetzt in der Corona-Krise, bei der auch Weiße betroffen seien, so Prieske. An präventive Hygiene ist man in einigen Ländern Westafrikas schon seit Jahren gewöhnt: Es macht sich jetzt bezahlt, was die Caritas in Ländern Westafrikas und im Kongo gegen die Ebola-Epidemie an Hilfen und Bewusstseinsarbeit geleistet hat. Lehren aus der Ebola-Krise können nun gezogen werden. Damals stark betroffene Länder wie Liberia oder Sierra Leone sind so besser auf die Pandemie vorbereitet. Melvin Nyanti Gaye von der Caritas Liberia ist überzeugt: "Die Erfahrungen, die wir mit Ebola gemacht haben, helfen uns, besser in der Corona-Krise zurechtzukommen als andere Länder. Ständiges Händewaschen, Einhalten der Hygienevorschriften, Bewusstsein in der Familie und im näheren Umfeld schaffen - dies alles hilft, die Ausbreitung des Virus einzudämmen."
Die Menschen werden kontinuierlich informiert und aufgeklärt
Das hat auch den Arbeitsalltag der Caritas-Organisationen völlig verändert. "Früher", erklärt Peter Konteh, Geschäftsführer des CaritasBüros Freetown in Sierra Leone, "gingen bei uns Bedürftige und Mitglieder von Partnerorganisation ein und aus. Heute bitten wir darum, alles, soweit möglich, am Telefon zu klären. Und wer unser Gebäude doch betreten möchte, muss sich vorher zweimal die Hände waschen."
Es sei, sagt Konteh, für die Mitarbeiter(innen) ungewohnt, Angst um die eigene Gesundheit zu haben und in jedem Begünstigten jemanden zu sehen, der sie mit dem Virus infizieren könnte. Um die weitere Ausbreitung zu verhindern, liegt ein Fokus ihrer humanitären Helfer(innen) auf der Aufklärung der Bevölkerung. "Die kontinuierliche Weiterbildung der Menschen ist gerade das Entscheidende. Aber wir müssen schnell und konsequent sein", erklärt der Leiter des Caritas-Büros.
Im Südsudan erscheint die Lage noch dramatischer als in Kenia oder Sierra Leone. Sebastian Haury, Sudan-Experte von Caritas international, berichtet: "Laut unserer Helfer vor Ort gibt es in Wau, der zweitgrößten Stadt des Landes, kein einziges Beatmungsgerät." Doch selbst wenn die Geräte vorhanden wären, fehlte die notwendige Stromversorgung, um sie zu betreiben. Die vor Ort tätigen Mitarbeiter(innen) setzen nun alles daran, eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Doch der Aberglaube der Bevölkerung und die hohe Analphabetenrate (sie ist im Südsudan die höchste der Welt) erschweren die Aufklärungsarbeit. Im Schutzcamp, in dem etwa 40.000 Binnenvertriebene auf engsten Raum zusammenleben, leisten Helfer(innen) unter anderem durch Plakate Präventionsarbeit.
Lehren aus der Ebola-Krise können nun gezogen werden
Papst Franziskus hat - in einer Videobotschaft kurz vor Ostern - dazu aufgerufen, dass die Corona-Krise "das Beste in uns zum Vorschein bringen" sollte. Im Angesicht der Pandemie ist noch mehr Solidarität, noch mehr Caritas zum Wohle aller nötig. "Wir können es uns nicht leisten", warnt denn auch der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Prälat Peter Neher, "derzeit nicht solidarisch zu sein. Grenzen kennt das Virus nicht. Solange es irgendwo auf der Welt grassiert und kein Impfstoff verfügbar ist, können die Versäumnisse in anderen Teilen der Welt auch uns immer wieder treffen."1
Anmerkung
1. Siehe Kurzlink: https://bit.ly/2WuCej8
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