Vernetzung ist für Kita und Kirchengemeinde von Vorteil.
Das Haus für Kinder und Familien im ostfriesischen Aurich betreut derzeit 65 Kinder. Sie sprechen 18 Muttersprachen, stammen aus sieben Nationen und zwölf Kulturkreisen und praktizieren neun unterschiedliche Religionen. Durchschnittlich sind nur sieben Prozent aller Ostfries(inn)en katholisch. Dementsprechend ist die Kooperation mit Mitarbeiter(inne)n aus verschiedenen Religionen und Konfessionen an der Tagesordnung. Gearbeitet wird nach einem Modell des evangelischen Theologen und Religionspädagogen Friedrich Schweitzer, das sich mit dem Umgang mit fremden Religionen und Konfessionen in Kitas beschäftigt. Zum sogenannten Modell der "Dialogischen Begegnung der Religionen" von Frieder Harz, evangelischer Pfarrer, Professor i.R. für Religionspädagogik, gehören zugleich eine Beheimatung in der eigenen Religion als auch das Respektieren und Tolerieren des Anderen und Fremden - all das unter einem katholischen Leitbild. Damit eine Zusammenarbeit des Teams im Sinne der dialogischen Begegnung der Religionen stattfinden kann, ist zunächst das Verständnis von Diversität eine wichtige Säule.
Das Diversitätsmodell nach Harz benennt drei Dimensionen der Persönlichkeit, die vom Arbeitgeber nicht verändert werden können: die Religion, das Geschlecht und die Muttersprache. Einen Zugriff hat der Arbeitgeber lediglich auf die äußere (organisatorische) Dimension, die die Funktion der Mitarbeitenden, das Arbeitsfeld oder die Leistungsebene bestimmt. In Bezug auf neu einzustellende Mitarbeiter(innen) hat sich in der Praxis gezeigt, dass die Fokussierung auf die fachlichen Qualitäten im Zusammenhang mit der im Team vorhandenen Multireligiosität die Arbeit mit den Kindern und innerhalb des Teams in ungeahnter Weise bereichert.
Die Mitarbeiter brauchen Fortbildung und Unterstützung
Die besondere Herausforderung der genannten Modelle ist, dass Mitarbeitende intensiver fortgebildet und unterstützt werden müssen. Diese Unterstützung wird besonders in einer dem katholischen Leitbild entsprechenden Kinder- und Elternarbeit geleistet: Alle sozialpädagogischen Fachkräfte der Einrichtung wurden als Elternberater(innen) und Elternbegleiter(innen) in Bildungsverläufen von Kindern weitergebildet - jede in einem anderen Schwerpunkt (zum Beispiel Transitionen, Sprache, Krisenintervention oder Trauerbegleitung). Außerdem werden Kita und Kirchengemeinde stärker vernetzt. Diese Vernetzung erfordert eine Veränderung der personellen und funktionsorientierten Tätigkeitsstruktur in der Kita (durch Präsenz in Gemeindezusammenhängen) und in der Kirchengemeinde (durch eine(n) feste(n) Ansprechpartner(in) im Pastoralteam, Beschreibung siehe unten).
Auseinandersetzung mit der eigenen und anderen Religionen
Gerade in der Begegnung mit fremden Kulturen und Religionen ist es die Aufgabe der Mitarbeitenden, sich mit dem eigenen Glauben und der fremden Religion auseinanderzusetzen, um eine Arbeitsgrundlage zu schaffen, die dem Leitbild entspricht. Die Kita-Teams kommen immer wieder mit Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft zusammen. Sie versuchen, das Evangelium mit der jeweiligen Lebenssituation des Kindes und der Eltern kreativ in Einklang zu bringen und die Frohe Botschaft lebendig zu machen. Daher ist es richtig, die Kita stärker in den Mittelpunkt der gemeindlichen und kirchlichen Arbeit zu stellen und Vernetzung zu schaffen: Die Kita wird von einer Nebenstelle im Gefüge der Gemeinde zu einem eigenständigen Zentrum innerhalb der Gemeinde gemacht. Auch Papst Franziskus definiert den Begriff der Pfarrei in seinem apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" ("Freude des Evangeliums"), 28 als eine vielfältige und offene Gemeinschaft von Gemeinschaften.
In der Kita vollzieht sich pastorale Arbeit. Besonders deutlich wird dies am Verständnis von Pastoral in den Leitbildtexten der Kita (www.neuauwiewitt.de/Aurich/ Kita) und in der Pfarrgemeinde. Von beiden Seiten werden zur Beschreibung des pastoralen Auftrags die klassischen pastoralen Grunddimensionen aus den Schreiben des Zweiten Vatikanischen Konzils "Gaudium et spes" und "Lumen gentium" herangezogen: Diakonie, Verkündigung, Liturgie und Gemeinschaft. In diesem Sinne ist festzuhalten, dass alle kirchliche Praxis, die um der Menschen willen Zeichen der liebenden Nähe Gottes setzt - in der Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge, Caritasarbeit, Religionsunterricht - als "Pastoral" gilt. Kita wird also als ein spezifischer Ort der Gestaltung von Pastoral verstanden.
Kita wird als Ort der Gestaltung von Pastoral verstanden
Die Kita ist in den letzten Jahren als Bildungsort massiv aufgewertet worden und somit den Vorgaben des staatlichen Bildungs- und Sozialsystems unterworfen. Daher ist sie zu einer hohen fachlichen Qualitätverpflichtet. Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft, die in der Gemeinde nicht anzutreffen sind, fühlen sich dort willkommen. Die Mitarbeiter(innen) sind beratungskompetent, um Familien in prekären Lebenssituationen angemessen zur Seite zu stehen oder um sie gegebenenfalls zur Caritas weiterzuleiten. Die Kita ist ein Ort der Inklusion und Integration (Sprachförderprogramme und vieles mehr). Da sich die Kita mit ihrer Arbeit so eng an den Gegebenheiten der gesamten Gesellschaft orientiert, ist es für eine Kirchengemeinde unverzichtbar, sich mit der Kita zu vernetzen und sich auf die Prozesse der gesellschaftlichen Entwicklung einzulassen. So kann sie mit ihrem Sendungsauftrag glaubhaft wahrgenommen werden.
Rückhalt aus dem Bistum
Schon im Jahr 2012 sprach sich der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode dafür aus, "auch muslimische Erzieherinnen in katholischen Kitas zu beschäftigen". Die kirchlichen Kitas seien auf einem guten Weg, so der Bischof. So seien im Vergleich zu früher behinderte Kinder und Kinder mit Migrationshintergrund wesentlich besser in den Einrichtungen integriert. Als Besonderheit der kirchlichen Kitas nannte er die werteorientierte Erziehung. Zudem trügen sie dazu bei, Familien mit dem kirchlichen System zu vernetzen.1 Auch Generalvikar Theo Paul plädierte für eine Vernetzung von Kita und Pastoral und hatte die Idee einer vom Pastoralteam benannten Person als pastoraler Ansprechperson für die Kita.
Zu den Aufgaben der Ansprechperson gehören die Brückenfunktion nach innen (Vernetzung zwischen Familienseelsorge und Kita), die Brückenfunktion nach außen (Austausch mit Kita-Leitung, religionspädagogischer Fachkraft, im Folgenden RP-Fachkraft, Eltern und Familien), die Zusammenarbeit mit der RP-Fachkraft (Stärkung der Kita in ihrem katholischen Profil verbunden mit der Offenheit für Menschen anderer Religionen und Konfessionen), die Zusammenarbeit mit dem Kita-Team (geistliche Tage zur Stärkung der eigenen religiösen Verwurzelung, Teilnahme an Teamsitzungen), die Zusammenarbeit mit Eltern und Kindern (Vernetzung mit Sozialpastoral, spirituelle Angebote) und die Vernetzung mit anderen pastoralen Ansprechpersonen und Kita-Leitungen auf Dekanatsebene.
Da Vernetzung nur von beiden Seiten gelingen kann und die KitaMitarbeiter(innen) Hauptamtliche im Gefüge der Gemeinde sind, werden gewisse Erwartungen an sie herangetragen. Dazu gehören die Mitarbeit in Gruppen und Gremien, die Offenheit für gemeinsame Projekte, die Umsetzung des katholischen Leitbildes, die Vernetzung mit Gemeindemitgliedern, die Präsenz in Liturgie und Gemeindeleben, die Vernetzung auf Dekanatsebene und die Ausbildung einer RP-Fachkraft als Multiplikator(in) für das Team.
Ein Gewinn für beide Seiten
Der Gewinn für beide Seiten liegt auf der Hand. Die Kirche bekommt einen stärkeren Blick für die Lebenswirklichkeit von Kindern und Familien, gewinnt Kompetenzen für familien- und kleinkindgerechte Formen der Glaubensweitergabe und steigert ihre Glaubwürdigkeit. Die Kita erhält Unterstützung für ihren Dienst in der Gesellschaft, bekommt Kontakt zu Gruppen und Kreisen der Gemeinde, eine Plattform der Öffentlichkeitsarbeit (in Liturgie oder auf der Gemeinde-Homepage) und Hilfe in religiösen Dimensionen. Die besten Voraussetzungen sind eine theologische Begleitung durch die Träger (pastorale Ansprechperson) und ein gemeinsames, respektvolles und wertschätzendes Unterwegssein. Diese Zusammenarbeit von Kita und Kirchengemeinde, wie sie in Aurich gepflegt wird, ist eine große Bereicherung für Gemeindemitglieder, Eltern, Kinder und das Kita- und Pastoralteam.
Anmerkungen
1. Diözesan-Caritasverband Köln (Hrsg.): Bischof Bode
Benachteiligte Schüler unterstützen
Erfolgsfaktor Kooperation
Was stärkt das Herz?
Zusammenhalt in Europa wird großgeschrieben
Es begann bei Kaffee und Kardamom
Corona-Krise auf den zweiten Blick
Stellungname zum Sozialschutz-Paket II
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}