Wirtschaftliche Schieflagen von Pflegeheimen
Es häufen sich Meldungen über wirtschaftliche Schieflagen und Insolvenzen kleinerer und größerer Betreiber von stationären Pflegeeinrichtungen. Eine Ursache können die deutlichen Kostensteigerungen der letzten zwei Jahre sein, wenn sie nicht vollständig in die Pflegesatzvereinbarungen eingebracht wurden. In Summe können diese Kostensteigerungen erheblich sein, so dass Pflegesatzerhöhungen von deutlich über zehn Prozent notwendig werden. Denn neben der allgemeinen Inflation und der damit verbundenen Lohnsteigerung wurde im September 2022 die Tarifpflicht eingeführt und ab Juli 2023 die Möglichkeit eröffnet, mit dem § 113 c SGB XI deutlich mehr Personal in den Einrichtungen einzusetzen. Auch diese Mehrkosten müssen refinanziert werden. Eine der Hauptursachen ist aber der stärker werdende Personalmangel, weshalb viele Pflegeheime nicht mehr voll belegen können und zusätzlich in erheblichem Umfang Leiharbeit einsetzen müssen.
Welche Handlungsoptionen gibt es?
Die Mehrkosten durch die Pflegereformen und Inflation müssen unbedingt in die Pflegesatzverhandlung eingebracht werden. Die Rechtsgrundlage für eine Anerkennung bildet der § 82 c SGB XI. Viele Träger werden erstmals wieder Individualverhandlungen auf Basis ihrer eigenen einzeln nachzuweisenden Kosten führen müssen, wenn die Angebote der Pflegekassen zur pauschalen prozentualen Steigerung nicht ausreichen, um die Kostensteigerungen abzufangen. Eine gute Vorbereitung und ein funktionierendes Controlling zur Datenbereitstellung sind unerlässlich. Bei der Verhandlung müssen die eigenen Forderungen nachweissicher dargestellt werden, und die Betreiber sollten gute Argumente finden, die eigene Position auch durchzusetzen. Eine der wenigen Möglichkeiten, Überschüsse zu erzielen und damit das unternehmerische Risiko abzufedern, ist die Verhandlung von Gewinn- oder Risikoaufschlägen. Hierauf besteht seit einigen Jahren ein Rechtsanspruch (§ 84 Abs. 2 Satz 4 SGB XI und § 89 Abs. 1 Satz 3 SGB XI) und dieser sollte auch geltend gemacht werden.
Pflegesatzverhandlungen erfolgreich führen
Eine noch größere Bedeutung bekommt die betriebswirtschaftliche Steuerung. Es bedarf prospektiver Personalsteuerungsinstrumente, die die auf Basis der täglichen Belegung berechnete Personalmenge in Netto-Anwesenheitsstunden pro Tag und Wohnbereich umrechnen - für drei Qualifikationsgruppen. Diese Berechnung ist idealerweise eingebettet in die Dienstplansoftware und dient dem Dienstplaner als Planungsvorgabe. Zudem braucht es ein gut funktionierendes Controllingsystem, das neben dem Finanzcontrolling auch die Leistungserbringung, den Personaleinsatz, die Kundenstruktur sowie Vergleiche zur Entgeltverhandlung abbildet. Durch die Einführung der neuen Personalbemessung nach § 113 c SGB XI ergeben sich Möglichkeiten, mit einer deutlich geringeren Fachkraftquote die Pflege zu organisieren. Damit können bei gleicher Anzahl an Fachkräften mehr Bewohner:innen aufgenommen werden - vorausgesetzt, es finden sich genügend Hilfskräfte, um die neue Personalbemessung zu erfüllen. Die Aktivitäten zur Personalgewinnung und zum Arbeitgebermarketing sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren.
Sollte es dennoch nicht gelingen, eine Vollbelegung zu erreichen, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um auch die (anpassbaren) fixen Kosten zu reduzieren. Die Personalstrukturen der Leitung und Verwaltung, der Küche und der Haustechnik müssen an die geringere Belegung angepasst werden. Für die nicht anpassbaren Fixkosten müssen Lösungen gefunden werden, wie diese in der Pflegesatzverhandlung refinanziert werden können: entweder durch eine Absenkung der verhandelten Auslastungsquote oder durch entsprechende Risikoaufschläge. Auch die Investitionskostensätze müssen auf die niedrigere - leider realistische - Belegung verhandelt werden.