Nur ich bestimme über mich
Eigentlich will Lisa auf der Busfahrt zur Werkstatt lieber allein sein. Aber der Lars hat sich einfach ungefragt neben sie gesetzt. Das passt Lisa eigentlich nicht, ebenso wenig, dass Lars so dicht aufrückt und auch noch seine Hände nach ihr ausstreckt. Eigentlich will sie Nein sagen – schafft es aber nicht. „Und deshalb üben wir das Nein sagen jetzt gemeinsam“, animiert Werner Kiehl, Leiter des St.-Hildegard-Hauses, das Publikum beim ersten Auftritt der Puppenspieler-AG in der Caritas-Werkstatt St. Martin im sauerländischen Brilon.
Um ein selbstbewusstes „Nein, so nicht“ über die Lippen zu bringen, wenn die eigenen Grenzen überschritten werden, braucht es Mut und das Wissen, das es Hilfe gibt. Diese Kernbotschaften haben Mitarbeiter von Werkstatt und Wohnhäusern der Behindertenhilfe der Caritas Brilon für die Beschäftigten und Bewohner ganz spielerisch auf den Punkt gebracht – und zwar mit Stabpuppen.
In kurzen Sequenzen werden gleichwohl schöne Geschichten, etwa übers Kennenlernen und sich verlieben, wie auch weniger schöne, etwa von Belästigungen gespielt. „Die Bewohner und Beschäftigten bewegen die gleichen Themen wie alle Menschen“, betont Werner Kiehl. Liebe und Leid gehören genauso dazu, wie dass man seine Grenzen klar absteckt. Nur braucht es mitunter andere Wege und Kanäle, um diese Themen anzusprechen. Und da kommen die Puppen buchstäblich ins Spiel. Im Rahmen der sexualpädagogischen Arbeitsgruppe, die Aufklärung- und Präventionsarbeit in den Einrichtungen der Behindertenhilfe intensiviert, haben zehn Mitarbeiter an der Fortbildung „Puppenspiele als Präventionsmaßnahme“ teilgenommen. In kurzen und eingängigen Theaterszenen werden Begebenheiten, die so ähnlich im Alltag passieren könnten, inszeniert: der Flirt am Getränkeautomaten während der Werkstatt-Pause, das erste aufregende Date in der Eisdiele, aber eben auch das anstrengende Gespräch mit dem Sozialen Dienst über die ungewollten Berührungen auf der Busfahrt. „Was ist erlaubt? Was ist erwünscht? Wo kann ich Hilfe holen? Und wie kann ich deutlich Nein sagen“, brachte Werner Kiehl vor den Beschäftigten bei der Puppenspiel-Premiere das Wichtigste auf den Punkt. Fragen, die jeden interessieren werden. Die „Nein-Sager – so nicht mit mir“-Tour führte in alle sechs Standorte der Werkstatt. „Darüber hinaus haben wir ein Extra-Programm für alle Wohnhäuser aufgeführt, um Situationen aus dem Bereich Freizeit und Wohnen aufzugreifen“, erzählt Werner Kiehl.