Zunächst ein STOPP setzen
M.: Hallo Rita! Jutta Lehmann bat mich, einen Artikel über häusliche Gewalt zu schreiben. Ist das bei dir ein Thema?
R.: Ja, das ist Thema in unserer Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL), aber natürlich auch in den anderen Beratungsdiensten. Dann werden die Klienten an die EFL weitervermittelt.
In erster Linie kommen Menschen in unsere Beratungsstelle, die Gewalt in Paarbeziehungen erleben. An erster Stelle steht hierbei psychische Gewalt in Form von den Anderen erpressen, unter Druck setzen, tagelanges Schweigen, massiv kontrollieren oder durch Abwertung klein halten. Ich erlebe aber auch Paarbeziehungen, in denen körperliche Gewalt, wie Schläge, Tritte, Gegenstände schmeißen, sich auf den Anderen werfen oder ähnliches vorkommt.
R.: Wie erklärst du deinen Klienten, wie es zur Gewalt zwischen ihnen kommt?
M.: Zunächst arbeite ich mit dem Paar an konkreten eskalierenden Situationen, die sie im Miteinander erlebt haben. Was war der Auslöser, wie hat sich die Situation hochgeschaukelt, welche Gefühle sind bei jedem Einzelnen aufgetreten? Wie sind die Klienten dann mit dem Gefühl umgegangen? Dann gehen wir der Frage nach: Was hat dieses konkrete Verhalten beim Anderen wiederum ausgelöst? Wann ist die Situation eskaliert / gekippt? Und wie sind dann beide wieder aufeinander zugegangen?
In diesem Prozess gehe ich auch auf die vier Phasen der Gewaltspirale ein. Meist wird dabei deutlich, dass unbearbeitete Gefühle aus der Biographie in diesen Gewaltmustern weiterwirken. Dann geht es darum, die Wahrnehmung des immer wiederkehrenden Gefühls erstmal zu nutzen, um ein STOPP zu setzen.
M.: Welche Möglichkeiten nennst du deinen Klienten für eine Veränderung?
R.: Nun, zuerst das STOPP zu setzen und aus der Situation zu gehen, um sich und den Anderen vor der Eskalation und der folgenden Gewalt zu schützen. Dann werden in Beratungsgesprächen Möglichkeiten besprochen, sich auf andere Art und Weise herunter zu fahren, um danach wieder in Kontakt gehen zu können und die Situation zu besprechen. Hierzu erlernen die Paare die Kommunikationsregeln des Fünf-Minuten-Gespräches. Über einen längeren Beratungsprozess wird, genau wie du das eben beschrieben hast, an der Gewaltspirale dieser Beziehung gearbeitet, bis alte Muster flexibler geworden sind und die Klienten alternative Handlungsmöglichkeiten für sich verinnerlicht haben. Es geht darum zu lernen, anders mit den immer wiederkehrenden Gefühlen umzugehen: Manchmal empfehle ich auch eine Therapie.
M.: Hast du einen Schlusssatz?
Wenn Gewalt eine Rolle spielt, ist es immer wichtig, darüber zu sprechen, am besten mit einem Außenstehenden. Wie schwer das ist, weil sich die Menschen schämen, erzählen die Menschen immer wieder. Und du?
R.: Ähnlich, wer Gewalt anwendet braucht Hilfe, immer. Das Hilfesystem ist gut ausgebaut, leider nicht immer bekannt, dazu können wir was tun! Danke!
INFO:
Caritas-Regionalstelle Görlitz
E-Mail: efl-beratung@caritasgoerlitz.de
Caritas-Regionalstelle Cottbus
E-Mail: werner.m@caritas-cottbus.de