Wohnen heißt zu Hause sein
Wir schreiben den November 2004. An diesen Tagen kommt man schlecht durch die Straßen von Görlitz. Es hat schon kräftig geschneit. Ich bin auf dem Weg in die Blumenstraße 36/37 in Görlitz, in das Gebäude, wo bis 2001 das Altenpflegeheim "Josef Negwer" untergebracht war. Der Caritasverband der Diözese Görlitz e.V. hat bei den zuständigen Stellen die Errichtung einer Außenwohngruppe für Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung in den Räumen der Blumenstraße beantragt. Nun liegen die entsprechenden Zustimmungen für eine Inbetriebnahme zum 1. Dezember 2004 vor. Ich bin in Eile, ich treffe mich mit Andrea Pribil, der Gruppenleiterin der Wohngruppe. Einige Monate intensiven konzeptionellen und inhaltlichen Arbeitens sowie der Begleitung der Umbaumaßnahmen liegen hinter uns.
Zuhause für 30 Bewohner
Und doch gab es noch viel zu tun. Letzte bautechnische und gestalterische Arbeiten waren notwendig, die Wohn- und Betreuungsverträge mit den zukünftigen Bewohnern und deren Angehörigen beziehungsweise Betreuern mussten abgeschlossen, der Personaleinsatz geplant werden, einige Bewohner wollten ihr Zimmer mit eigenen Möbeln beziehen, die Zusagen seitens des Kostenträgers lagen noch nicht vor … Auf dem Heimweg dachte ich: Erstbezug Dezember 2004, das schaffen wir nie! Doch mit Gottes Hilfe haben wir es geschafft. Ende Dezember zogen die ersten sieben Bewohner in die neuen Räume der Wohngruppe ein und am 18. März 2005 wurde diese feierlich eingeweiht.
Seitdem ist und war die Wohngruppe für 30 Bewohner ihr Zuhause. Einige von ihnen sind in eine eigene Wohnung gezogen, andere benötigten eine Wohnform mit intensiverer Betreuung und Begleitung oder mit einem anderen pädagogischen Konzept wie zum Beispiel ein Mutter-Kind-Heim oder eine Einrichtung für Menschen mit einer Suchtproblematik.
Familiäre Atmosphäre
Die Außenwohngruppe liegt zentrumsnah in einem Wohnhaus in der Stadt Görlitz. Die 14 Einzelzimmer - verteilt auf zwei Wohngruppen mit einem gemeinsamen Wohn- sowie Essbereich ermöglichen eine familiäre Atmosphäre. Die Bewohner gehen tagsüber einer Beschäftigung außerhalb der Einrichtung nach. Aus diesem Grund erfolgt die Betreuung und Begleitung durch ein professionelles Team morgens und in den Nachmittagsstunden sowie an den Wochenenden. Da bei der Außenwohngruppe die sonst übliche Anbindung an ein Wohnheim nicht gegeben ist, wird für 365 Tage im Jahr eine Nachtbereitschaft vorgehalten.Die Betreuungsinhalte sind daran ausgerichtet, dass der Bewohner das benötigte Maß an Betreuung erhält, welches ihn in seiner Entwicklung fördert und ihm ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Angehörige und andere nahestehende Personen schätzen wir als Partner und Mitgestalter im Unterstützungsprozess.
Das Haus, in dem sich die Wohngruppe neben drei Wohnungen und dem Büro für das Ambulant Betreute Wohnen befindet, trägt auch nach der Neugestaltung 2004 den Namen Caritasheim "Josef Negwer" und erinnert so an den Prälaten Dr. Josef Negwer. Dieser war von 1949 bis zu seinem Tod im Jahr 1964 dem Haus als Seelsorger im damaligen Kinder- und Pflegeheim sehr verbunden.
Jubiläumsfeier der Caritas-Wohngruppe
Zehnjähriges Bestehen der Außenwohngruppe waren am 19. Juni für Mitarbeiter und Bewohner Anlass genug, gemeinsam mit Angehörigen, Betreuern, ehemaligen Mitarbeitern sowie Bewohnern und anderen Gästen zu feiern.
Pfarrer Nobert Joklitschke eröffnete mit einem geistlichen Wort und nach den Begrüßungsworten von Claudia Görner, der Leiterin der Caritas-Behindertenhilfe, hielt Prof. Dr. Phil. Norbert Störmer von der Hochschule Zittau/ Görlitz einen Fachvortrag. Unter dem Thema "Selbstbestimmt Wohnen und dennoch auf Unterstützung angewiesen sein" ging es darin um mögliche Fragen und Entwicklungen, mit denen sich künftig auseinander gesetzt werden muss. Die Fun Singers - eine Band der Zittauer Behindertenwerkstätten - begeisterten die Feiergesellschaft.
Besonders beeindruckend war der Beitrag von Bewohnern, die gemeinsam mit dem jetzigen Gruppenleiter Michael Heuer auf "Zehn Jahre miteinander leben" zurückschauten. Sie erzählten von ihren Ängsten und Unsicherheiten, die sie vor dem Einzug hatten, von den jetzigen Aufgaben und was ihnen an ihrem Zuhause gefällt. Mit selbstorganisierten Blumensträußen bedankten sie sich bei den Mitarbeitern und Angehörigen für die liebevolle Betreuung und Unterstützung.
INFO:
Caritas- Behindertenhilfe für den Landkreis Görlitz:
Caritasheim "Josef Neger"
Außenwohngruppe für Menschen mit geistiger Behinderung
Telefon: 0 35 81 6 61 39 40
Telefax: 0 35 81 6 61 39 46
E-Mail: negwerheim@caritasgoerlitz.de
www.dicvgoerlitz.de
Information
Das Caritasheim "Josef Negwer" in Görlitz, Blumenstraße 36/37
1817 Erwerb der Gebäude durch die Barmherzigen Schwestern vom hl. Karl Borromäus aus dem Vermächtnis Prof. Dr. Peschke
1917 Waisenhaus, Kindergarten und Kinderhort, Kommunikantenanstalt; bis 1990 Kinderheim
1920 - 1926 Privatklinik Dr. Blau im Vorderhaus, die Borromäerinnen übernehmen die Pflege
1923 Näh- und Handarbeitsschule
1923 - 1926 Volksküche für bedürftige Görlitzer
1926 Caritas-Sekretariat Görlitz
1945 Altenheim im Vorderhaus, ab 1961 Pflegestation
1964 Aspirantur zur Vorbereitung junger Menschen auf einen sozialen Beruf
1981 Rückzug der Schwestern, Übertragung an den Caritasverband, das Haus erhält die Bezeichnung Caritasheim "Josef Negwer"
1991 Sozialpflegerische Berufsfachschule (Einjährige Berufsfachschule für Gesundheit und Pflege)
2001 Umzug des Altenpflegeheimes in den Neubau "Hildegard-Burjan-Heim"
2004 Eröffnung ein