"Ohne Schwester Doris wäre es schwierig"
Ein Dienstagmorgen, 7.30 Uhr: Vor der Caritas-Sozialstation Neumarkt steige ich bei Doris Champagne ins Auto. Einen guten halben Tag lang werde ich die 32-jährige Krankenschwester auf ihrer rund 80 Kilometer langen Pflegetour begleiten. Wir fahren in den ländlichen Raum Freystadt. Rund zehn Patienten wird Schwester Doris an diesem Vormittag versorgen. In Frettenshofen betreten wir ein großes Haus. Die 89-jährige Therese V. ist alleine zu Hause, weil ihre Angehörigen arbeiten. Die Krankenschwester verabreicht der alten Frau, die an einer leichten Demenz leidet, Tabletten, die sie alleine vermutlich vergessen würde. Außerdem zieht sie ihr Kompressionsstrümpfe an.
„Sich mitteilen können“ wichtig
„Ohne Schwester Doris wäre es schwierig für mich. Was sollte ich da machen?“, meint Frau V., für die außer Zweifel steht, dass sie für den Rest ihres Lebens zu Hause leben will. „ Sie macht alles und ist außerdem so lieb“, ergänzt die alte Frau, der auch die menschliche Zuwendung der Krankenschwester guttut. Zum Kaffeetrinken und längeren Plausch lässt deren enger Fahrplan freilich keine Zeit. „Doch man merkt, dass es für die Leute wichtig ist, sich mitteilen zu können. Das reicht von ‚Ich habe diese Nacht nicht gut geschlafen‘ bis ‚Das ist heute ein sonniger Tag‘“, erzählt mir Schwester Doris auf dem Weg zum nächsten Patienten in Möning.
Hier bereitet sie dem 83-jährigen Josef D. für alle Tage der Woche fein getrennt mehrere Medikamente vor: gegen Blutdruck ebenso wie gegen Diabetes. „Ich komme ja selbst mit dem Zeug nicht mehr zurecht. Das macht das Alter“, meint Josef D. salopp und schmunzelnd. Spontan zeigt er der Krankenschwester einen geschwollenen Fuß mit Wassereinlagerungen. Schwester Doris rät ihm zu Kompressionstrümpfen. Wir bleiben in Möning und fahren zu Walburga K., die im Haus neben einem früheren Kuhstall wohnt. „Wie neugeboren fühle ich mich“, meint die Patientin, nachdem sie von der Caritasschwester gewaschen wurde. Ihre Socken zieht sie sich noch alleine an. Sie erzählt von ihren Enkeln, wobei sie nicht weiß, wie viele sie hat. Auch ihr Alter kann sie nur noch indirekt mitteilen: „Am 24.4.1937 bin ich geboren.“ Sie verblüfft mich aber mit den Worten: „Die Demenz ist eine schlechte Krankheit, aber da muss man durch, und solange man nicht davonläuft, sage ich alle Tage zum Herrgott ‚Vergelt’s Gott‘“.
Baden - ein festes Ritual
In Rohr widmet sich Schwester Doris längere Zeit einem älteren Ehepaar. Der Frau hilft sie beim Anziehen. Ihren bettlägerigen Ehemann macht sie frisch und zieht ihn nochmals neu an. Dieser war länger im Krankenhaus und dann noch auf Reha. Dann geht es weiter nach Mörsdorf zu einer Patientin, die immer wieder unter depressiven Episoden leidet und in ihrem Allgemeinzustand geschwächt wirkt. Hierhin fährt Schwester Doris mal zur Ganz-, mal zur Teilkörperwäsche.
In Sulzkirchen treffen wir die Schwiegertochter von Elsa S.. Diese pflegt die 88-jährige im Rollstuhl sitzende Frau selbst – bis auf eine Ausnahme: „Dienstags kommt die Schwester zum Baden. Das ist für meine Schwiegermutter ein festes Ritual. Da stellt sie sich innerlich drauf ein und genießt das dann auch“, erklärt Hannelore S..
DIENST DER SOZIALSTATION
Auch, wenn es sich nicht rechnet
Die Caritas-Sozialstation Neumarkt ist einer der größten ambulanten Dienste in Bayern und ihr Versorgungsgebiet ist das flächenmäßig größte eines solchen Dienstes der Caritas im Bistum Eichstätt. Es umfasst 1.400 Quadratkilometer: den gesamten Landkreis Neumarkt und zusätzlich die Bereiche Burgthann, Altdorf und Leinburg im Nürnberger Land sowie Ursensollen im Landkreis Amberg-Sulzbach. Nach Mitteilung von Geschäftsführer Josef Bogner werden monatlich rund 600 Patienten versorgt. „Wenn man Beratungsgespräche mit Angehörigen hinzuzählt, sind es im Jahr über 1.600 Personen, denen wir weiterhelfen.“ Über 100 Mitarbeitende sind in täglich etwa 50 Pflegetouren eingesetzt, davon ungefähr 20 in der Stadt Neumarkt und 30 im ländlichen Raum.
Versorgt werden auch Patienten, für die sich eine Tour aufgrund einer weiten Strecke und einer nur kleinen Verrichtung finanziell nicht rechnet. „Wir fahren zum Beispiel zu einer 85-jährigen Patientin nach Habertshofen, um nur einen Verbandswechsel vorzunehmen. Dafür hat die Krankenschwester eine Anfahrt von 15 bis 20 Minuten“, nennt die Bereichsleiterin „Neumarkt Land“ der Caritas-Sozialstation, Erna Port, ein Beispiel. Ein anderer Pflegedienst tue dies nicht. „Ohne unsere Versorgung müsste die alte Frau dreimal in der Woche zum Hausarzt zum Verbandswechsel fahren, was sicherlich für sie und die Angehörigen nicht ganz einfach wäre“, ergänzt Erna Port.
Krankenpflegevereine bleiben wichtig
Dass die Caritas-Sozialstation auch solche Dienste leisten kann, verdankt sie vor allem Zuschüssen der knapp 50 Krankenpflegevereine in ihrem Gebiet. „Solange wir deren Unterstützung haben, gewährleisten wir auch eine flächendeckende Versorgung“, versichert Josef Bogner. Sorge bereitet ihm allerdings, dass diese Vereine immer mehr Mitglieder verlieren. „Das könnte diesem Service, flächendeckend zu versorgen, einmal zum Verhängnis werden. Daher wäre es gut, wenn sich mehr junge Menschen dazu entschließen könnten, den Krankenpflegevereinen beizutreten.“
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