Klein, aber wirkungsvoll
Es ist ein kleines, aber bundesweit beachtetes Projekt: CariFair setzt sich dafür ein, dass Betreuungskräfte aus Polen zu fairen Bedingungen in deutschen Pflege-Haushalten beschäftigt werden. Entwickelt wurde dieses Modell vor zehn Jahren von der Caritas im Erzbistum Paderborn. Mehr als 500 Betreuungskräfte sind aktuell in ganz Deutschland in etwa 350 Familien im Einsatz. 18 örtliche Caritasverbände im gesamten Bundesgebiet und ein diözesaner Caritasverband in Polen tragen gemeinsam CariFair (www.carifair.de).
Das Projekt ist auch Thema der künstlerischen Auseinandersetzung. Die Berliner Fotografin Marlene Pfau begleitete die Arbeit einer Betreuungskraft in einem Haushalt mit ihrer Kamera. Sie stellt die Beziehung der beiden Hauptpersonen in den Fokus, deren Situation unterschiedlicher nicht sein kann: einerseits das durch Migration gekennzeichnete Leben der Betreuungskraft, andererseits der von einer Demenz-Erkrankung bestimmte Alltag der betreuten alten Dame.
Die Initiative für das Projekt ergriff vor zehn Jahren der Paderborner Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig. Im Interview erläutert er Hintergründe, Erfahrungen und Perspektiven:
Was war der Anlass für das Projekt?
Im Jahr 2007 berichteten Pflegekräfte der Sozialstationen zunehmend über offensichtlich illegal tätige Haushaltshilfen aus Polen in den Haushalten pflegebedürftiger Menschen. Für uns als Caritas stellte sich die Frage, wie wir mit dieser Beobachtung umgehen sollten. Gemeinsam mit den örtlichen Caritasverbänden Paderborn, Olpe und Soest und der nationalen Caritas in Polen haben wir dann versucht, eine eigene Antwort zu finden. Herausgekommen ist ein Projekt mit dem ursprünglichen Titel "Heraus aus der Grauzone". Der Untertitel zeigte deutlich die Richtung an. Es ging uns um den "qualitätsgesicherten Einsatz polnischer Haushaltshilfen in Haushalten mit Pflegebedürftigen". Ziel des Projekts war und ist es, die Interessen beider Parteien zu sichern: eine gute und sichere Versorgung Pflegebedürftiger auf der einen Seite sowie andererseits die faire und legale Beschäftigung von Betreuungskräften aus Polen sowie deren Schutz vor Ausbeutung. Heute ist dieses Projekt ein Regelangebot unter dem Namen "CariFair".
Wie funktioniert CariFair?
Grundlage ist die Zusammenarbeit zwischen polnischen und deutschen Caritasverbänden. Während die Caritas in Polen interessierte Personen berät und auf ihren Einsatz in Deutschland vorbereitet, stellen hierzulande die Caritasverbände die Begleitung des Arbeitsverhältnisses sicher. Dafür stehen eigens zweisprachige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung. Sie beraten und unterstützen sowohl die Betreuungskräfte als auch die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen. Sie besprechen außerdem die Einsatzzeiten, wobei auf freie Zeiten geachtet wird. Außerdem sorgen sie dafür, dass auch andere Angebote in die Betreuung einbezogen werden, etwa eine Tagespflege-Einrichtung. Dies soll auch dazu beitragen, die Betreuungskraft zu entlasten. Die Caritas sorgt auch dafür, dass die Betreuungskräfte untereinander in Kontakt kommen, damit sie nicht sozial isoliert sind. Um eine sichere pflegerische Begleitung zu gewährleisten, sind in jedem Fall auch eine Sozialstation oder eine Tagespflege-Einrichtung einbezogen.
CariFair unterscheidet sich vom Angebot der vielen in Deutschland tätigen Vermittlungsagenturen. Worin bestehen die Unterschiede?
Die Beschäftigung bei CariFair basiert im Unterschied zu den meisten Agenturen auf dem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Modell. Das heißt, die Familie der pflegebedürftigen Person ist Arbeitgeberin, die Betreuungskraft angestellte Arbeitnehmerin. Beide schließen einen Arbeitsvertrag mit festgelegtem Beschäftigungsumfang und einem tariflich vereinbarten Gehalt. Die Betreuungskräfte sind sozialversichert und zahlen in Deutschland Steuern. Sie haben Anspruch auf bezahlten Urlaub und auch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Versorgungsangebote, die mit einer Rund-um-die Uhr-Betreuung durch Osteuropäerinnen werben, sind offensichtlich anfällig für rechtliche Grauzonen und Ausbeutung.
Die Zahl der in Deutschland tätigen ausländischen Betreuungskräfte liegt - je nach Schätzung - zwischen 150.000 und 300.000. Manche Experten sagen, dass etwa 90 Prozent von ihnen in Schwarzarbeit tätig sind. Man muss also von einem ausgesprochen hohen Anteil von Beschäftigungsverhältnissen in der Grauzone ausgehen. Von politischer Seite gibt es derzeit leider wenig Initiative, diese Situation zu verändern.
CariFair erfährt viel Lob - warum wird das Angebot nicht ausgebaut?
Zum einen ist es hierzulande für viele Caritasverbände schwierig, zweisprachiges Personal für das Projekt einzustellen. Da spielen dünne Personaldecken und der leergefegte Pflegekräfte-Arbeitsmarkt mit hinein. Auf der anderen Seite haben sich auch die Verhältnisse in Polen gewandelt; es herrscht praktisch Vollbeschäftigung und es wird dort immer schwieriger, interessierte und vor allem geeignete Personen zu finden. Nur noch ein diözesaner Caritasverband in Polen beteiligt sich noch an CariFair. Inzwischen wenden sich jedoch auch Frauen und Männer aus Polen und anderen EU-Staaten direkt an die deutschen Caritasverbände, die sich bei CariFair engagieren. Aus diesem Grunde haben wir in Paderborn zusätzlich eine zweisprachige Mitarbeiterin eingestellt, die interessierte Personen in ihrer Muttersprache über die Beschäftigung bei CariFair informiert.
Was kann das Projekt leisten? Wo sind aber auch Grenzen?
Mit CariFair schaffen wir ein hohes Maß an Sicherheit - sowohl für die Familien als auch für die Betreuungskräfte. Aus Sicht der Frauen und Männer könnte die Bezahlung sicher höher sein, allerdings schätzen viele von ihnen doch auch die Absicherung im Krankheitsfall und auch den Erwerb von Rentenansprüchen. Die Begleitung durch die Caritas hilft vielen von ihnen bei ihrem Einsatz in Deutschland. Herausfordernd ist und bleibt die Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeit, was an der fehlenden Trennung von Wohn- und Einsatzort der Betreuungskraft liegt.
Eine weitere Herausforderung sind die vergleichsweise hohen Kosten. Die Familien zahlen etwa 2.500 Euro im Monat, was es für viele unbezahlbar macht. Allerdings können wir nur so eine faire, tariflich geregelte Bezahlung der Betreuungskräfte gewährleisten. Wir setzen uns jedoch dafür ein, dass die Familien einen höheren Anteil durch die Pflegeversicherung erstattet bekommen und die Hürde auf diese Weise niedriger wird.