Hilfe, mein Papa ist im Gefängnis
Opferschutz, Resozialisierung von Straftätern: In Deutschland gibt es viele wichtige Projekte dieser Art. Für Angehörige von Inhaftierten dagegen sähe es auf der bundesweiten Landkarte trostlos aus. Wäre da nicht Wittlich. Dort gibt es die Anlaufstelle "Rückenwind", deren Name Programm sein soll.
"Ich habe mich dauernd gefragt, warum Papa nicht mehr kommt. Ob ihm vielleicht etwas passiert ist? Warum meldet er sich nicht? Mama hat nichts gesagt. Durch Zufall habe ich gehört, dass mein Papa im Gefängnis ist." Die Sätze stammen von der sechsjährigen Emma, der Protagonistin des Kinderbuchs "Besuch bei Papa". Entstanden ist das ansprechend illustrierte Info-Heft in Zusammenarbeit mit Häftlingen der Justizvollzugsanstalt Wittlich. "Besuch bei Papa" ist nur ein Beispiel für die vielfältigen Projekte der Wittlicher Anlaufstelle "Rückenwind - Hilfen für Angehörige Inhaftierter" in Trägerschaft des "SKM, Katholischer Verein für soziale Dienste, Diözesanverein Trier e.V."
Ehrenamtliche tragen Projekt
2010 wurde in Wittlich die Kontaktstelle "Rückenwind" eingerichtet Melanie Begon ist die einzige Hauptamtliche im Team; ansonsten bringen Ehrenamtliche ihr Engagement und vor allem auch ihre Erfahrung ein. Da ist zum Beispiel der ehrenamtliche Projektleiter Hans-Peter Pesch: Er war bei der Bundeswehr, früh im Ruhestand und sah den Bedarf in Wittlich. Seine Motivation hat viel mit christlicher Nächstenliebe zu tun: Not sehen und handeln. Und die Angehörigen von Strafgefangenen seien in einer akuten Notlage: emotional, aber auch wirtschaftlich. "Angehörige tragen eine schwere Last", weiß er. Aus seiner Sicht ist es ein wichtiges, aber auch schwieriges Projekt. Zwar gebe es gute Kontakte und Unterstützung von Seiten der JVA Wittlich, man arbeite mit dem Sozialdienst der JVA und der katholischen Gefängnisseelsorge zusammen. Letztendlich aber "haben wir kein Mandat, keinen Auftrag von der Justiz". Finanziell werde man vom Bistum und vom SKM unterstützt, sei aber auch auf Spenden angewiesen.
Seelischer Beistand
In Wittlich verbüßen ausschließlich Männer ihre Haftstrafen. Meist hat das Team es deshalb mit Frauen zu tun, die ins Büro in der Trierer Landstraße kommen. Bei "Rückenwind" können sie sich fallen lassen, sich ihre Ängste, Sorgen und Nöte von der Seele reden. Seelischer Beistand, Informationen zum Strafvollzug, Fragen wie: "Schenke ich meinem Kind reinen Wein ein? Was sage ich Nachbarn? Was muss ich beim Besuch beachten?" - "Rückenwind" versucht, Antworten zu finden. Froh seien die Angehörigen, dass die Kinder auch einmal in der Anlaufstelle bleiben können, wenn ein Besuch im Gefängnis ansteht. "Rückenwind" bietet zudem Ausflüge und Freizeiten für die Kinder an. "Es ist schön, wenn man spürt, wie ausgelassen sie dann wieder sind", erzählt Pesch.
Auf eine Tasse Kaffee
Um auf das Angebot aufmerksam zu machen, bauen die Rückenwind-Mitglieder regelmäßig einen Info-Stand vor der JVA Wittlich auf oder halten Vorträge. "Wichtig ist, dass es ein niedrigschwelliges Projekt ist. Die Angehörigen können auch einfach so auf eine Tasse Kaffee zu uns reinkommen", sagt Melanie Begon. Es sei ja oft so, dass die Männer - obwohl inhaftiert - in vielen Familien immer noch bestimmen und argwöhnisch beäugen, was die Familie macht. Etliche Frauen hätten auch Panik, sobald sich die Haft des Partners dem Ende zuneigt: Wie wird das jetzt zuhause? Gibt es jetzt wieder das alte Rollenspiel?
Und was hat "Rückenwind" in der Zukunft vor? Hans-Peter Pesch: "Wir wollen unser Niveau halten und noch weiter verbessern. Vielleicht folgen andere unserem Vorbild." Melanie Begon: "Wie wichtig unsere Hilfe ist, erleben wir fast täglich. Wir erleben sehr viel Dankbarkeit und spüren so selber Rückenwind."
Ingrid Fusenig