Wie geht es den Caritas-Einrichtungen in der Pandemie?
Die Bank für Sozialwirtschaft (BfS) hat von Mitte November bis Mitte Dezember in Kooperation mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege, dem Deutschen Verein, dem Bundesverband der privaten Anbieter und der Universität Köln zum zweiten Mal eine Befragung zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Sozial- und Gesundheitswesen durchgeführt.1 Teilgenommen haben diesmal rund 1400 Organisationen. Die Ergebnisse wurden Anfang Februar auf der Homepage der BfS veröffentlicht.2 Gefragt wurde auch nach der Mitgliedschaft in einem Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege. Von den 582 Teilnehmern, die diese Frage beantwortet haben, gaben 385 an, Mitglied in der Caritas zu sein. Auf Wunsch des Deutschen Caritasverbandes (DCV) hat die BfS eine Sonderauswertung zu den Caritas-Daten zur Verfügung gestellt, deren Ergebnisse hier präsentiert werden.3
Wirtschaftliche Auswirkungen der Pandemie
Die Auswirkungen der Pandemie gestalten sich sehr unterschiedlich für die einzelnen Arbeitsfelder der Caritas: Am stärksten von Auslastungsrückgängen ist die Tagespflege betroffen, gefolgt von der stationären Pflege, den Arbeitsmarktdienstleistungen, der Kinder- und Jugendhilfe sowie den ambulanten Pflegediensten. Vergleichsweise geringe Auslastungsrückgänge werden gegenwärtig in den Bereichen der ambulant betreuten Wohngemeinschaften, Krankenhäuser und im betreuten Seniorenwohnen angegeben. Als vorwiegende Gründe für die Auslastungsprobleme werden von 77 Prozent rechtliche Rahmenbedingungen wie behördlicher Belegungsstopp, Quarantänemaßnahmen und das Freihalten von Belegungskapazitäten für die Notfallversorgung angeführt, aber auch andere Gründe, die ebenfalls von hoher Bedeutung sind, etwa eine geringere Nachfrage und eine pandemiebedingte Schwächung der Personaldecke. Insgesamt erwarten viele Einrichtungen und Dienste fiskalische Auswirkungen: 58,8 Prozent der Befragten gaben an, eine Verringerung der Liquidität zu erwarten.
Große Bedeutung der Schutzschirme
Die Corona-Krise hat die soziale Infrastruktur in Deutschland vor einen nie dagewesen Stresstest gestellt: Auf allen Ebenen der Caritasarbeit wurde trotzdem versucht, Hilfen in möglichst großem Umfang aufrechtzuerhalten. Betretungsverbote und pandemiebedingte Einschränkungen haben allerdings das Aufrechterhalten einzelner Angebote erschwert oder gar unmöglich gemacht. Wie groß die Bedeutung der Corona-Schutzschirme in der Pandemie für die Einrichtungen und Dienste der Caritas in dieser Situation ist, zeigt die Tabelle auf S. 11. 44 Prozent aller Umfrageteilnehmer geben an, auf Hilfen aus dem Rettungsschirm des Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetzes zurückgegriffen zu haben. Beim Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) waren es 39 Prozent. Ein hoher Anteil hat dabei Leistungen bereits ausgezahlt bekommen. Auch Programme der Landesregierungen haben hohe Bedeutung. Die Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Kreditprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW), Liquiditätsprogramme der Banken, Kreditprogramme der Landesförderbanken, steuerliche Hilfen für Unternehmen sowie das Sonderprogramm Stärkung gemeinnütziger Organisationen Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) spielen eine geringe Rolle.
Nachbesserungsbedarf bei den Schutzschirmen
50 Prozent der Teilnehmer beklagen, dass die Schutzpakete des Bundes und der Länder Defizite nicht auskömmlich kompensieren. 91,5 Prozent der Befragten gaben an, dass es zum jetzigen Zeitpunkt der Pandemie bereits zu teilweise nicht kompensierten Einnahmeausfällen gekommen ist. 15,3 Prozent bezifferten diese unter fünf Prozent. Die Hälfte der Befragten nannten eine Größenordnung zwischen fünf und 20 Prozent. 12,4 Prozent nannten sogar über 30 Prozent.
Wer bezahlt die Schutzkleidung?
Beklagt wird vor allem, dass Mehraufwendungen nicht refinanziert werden. Klärungsbedarf besteht dabei vor allem bezüglich der Bewältigung des zusätzlichen Bürokratie- und Dokumentationsaufwands, der Refinanzierung von Mehraufwand bei Personal, aber auch von Schutzkleidung und Schutzausstattung sowie von sonstigen Sachmitteln. Ungeklärt ist auch die Kompensation von Fehleinnahmen aufgrund von Minderbelegung. Häufig wurde auch berichtet, dass die Nachverhandlungen nicht hinreichend geklärt sind. 22,5 Prozent geben sogar an, dass Nachverhandlungen in der Praxis von den Kostenträgern verweigert werden. Der DCV hat diese Rückmeldung erneut zum Anlass genommen, in der Stellungnahme zum Sozialschutzpaket III eine Neugestaltung der Schutzschirme anzumahnen, welche die Erstattung coronabedingter Mehrbedarfe umfasst und Nachverhandlungen bestehender Verträge mit den Leistungsträgern verbindlich regelt.4
Schnittstelle Kurzarbeitergeld
39 Prozent geben an, Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen zu haben (s. Tabelle rechts). Die Daten lassen keine Rückschlüsse darauf zu, in welchem betrieblichen Umfang, für wie lange und in welchen einzelnen Arbeitsfeldern Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen wurde. Die vergleichsweise häufige Nennung könnte jedoch ein Hinweis darauf sein, dass zahlreiche freigemeinnützige Träger weiterhin darauf verwiesen worden sind, vor der Inanspruchnahme der Schutz[1]schirme Anträge auf Kurzarbeitergeld zu stellen. In beiden Schutzschirmgesetzen fehlt nach wie vor eine eindeutige Klärung des Vorrang-Nachrang-Verhältnisses von Kurzarbeitergeld und Schutzschirm, wenngleich die FAQ (häufig gestellten Fragen) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zum Sozial[1]dienstleister-Einsatzgesetz klarstellen, dass nicht realisierte vorrangige Mittel bei der Prüfung auf Zuschussgewährung durch den Leistungsträger unerheblich sind. Die BfS-Studie "Erfolgsfaktor Digitalisierung" im letzten Jahr zeigte bereits, dass das Thema schon vor der Corona-Krise ein wichtiges Gemeinschaftsprojekt der Wohlfahrtsverbände war.5 In der Corona-Pandemie weist die aktuelle Studie nun die hohe Bedeutung der Digitalisierung für die Bewältigung der Krise aus. Fast 90 Prozent der Befragten gaben an, dass der IT-Ausstattung (Hard- und Softwareausstattung) und digitalen Bildungsplattformen eine "hohe" oder "eher hohe" Bedeutung bei der Bewältigung der Pandemie zukommt. 83 Prozent benannten Online-Beratung. Onlinevermittlungsplattformen und -portale werden von 56 Prozent angegeben.
Einnahmeausfälle bis zu 30 Prozent erwartet
88 Prozent der Befragten haben in den letzten Monaten verstärkt in Hard- und Software investiert, um die Erreichbarkeit ihrer Einrichtungen in der Pandemie zu verbessern. 70 Prozent haben neue Formate zum Informationsaustausch benutzt und diese Anstrengung durch gezielte Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter flankiert. Fast 40 Prozent haben technische Dienstleistungen (Web-Services) eingesetzt und neue Angebote gestaltet. Den Ausbau von Kooperationen gaben fast 20 Prozent an.
Hürden für den Einsatz von Technik und Digitalisierung
Zu den bedeutsamsten Hürden für den Einsatz von Technik und Digitalisierung zählt das Problem Personalknappheit, welches von 72,3 Prozent der Befragten genannt wurde. Fast 60 Prozent nannten aber auch Mangel an Ausstattung mit Hard- und Software, fehlende Kenntnis im eigenen Unternehmen zum Einsatz von neuen Technologien und eine unzureichende Finanzbasis durch Hilfsprogramme. Es zeigt sich, dass hier erhebliche, auch finanzielle Anstrengungen nötig sind, damit die freie Wohlfahrtspflege anschlussfähig bleibt.
Anmerkungen
1. Zu den Ergebnissen der ersten Studie siehe Walter-Hamann, R.: Wirtschaftliche und digitale Strategien in der Covid-19-Pandemie. In: neue caritas Heft 17/2020, S. 18 ff. 2. www.sozialbank.de/fileadmin/2015/documents/8_Umfrage/
2. BFS_Ergebnisse_zweite_Corona-Befragung_2021_02-08_ WEBSITE.pdf
3. Bank für Sozialwirtschaft: Zweite Befragung zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Sozial- und Gesundheitswesen. Auswertung für die Einrichtungen der Caritas. Januar 2021.
4. www.caritas.de/fuerprofis/presse/stellungnahmen/02-06-2021-stellungnahme-zum-sozialschutzpaket-iii
5. Welskop-Deffaa, E. M.: 2020: Erfolgsfaktor Kooperation. In: neue caritas Heft 9/2020, S. 17 ff
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