Gut ausgerüstet ins digitale Neuland
Auf und mit Internet-Plattformen zu agieren ist eine wesentliche Anforderung an Organisationen im digitalen Zeitalter. Plattformen fungieren als Sammelpunkte (Aggregatoren) etwa von Daten, Dienstleistungen und Ehrenamtsangeboten und bilden so zentrale Anlaufstellen für Kund(inn)en und Ratsuchende. Sie bündeln Informationsströme (und damit auch Aufmerksamkeit).1 Verbandlich organisierte Akteure sind erfolgreicher, wenn sie Plattformen koordiniert, also strategisch abgestimmt, nutzen. Sie erleichtern die Arbeit ihrer Mitarbeitenden und erreichen ihre Zielgruppen besser, wenn sie ihre Angebote entsprechend aufbauen.2 Dies gilt für Plattformen von Dritten wie auch die der Caritas (CariNet, Online-Beratungsplattform).
Als Mitglieder eines Verbands, also einer Netzwerkorganisation, wissen wir, dass dies nicht bedeutet, dass alle eine einheitliche technische Lösung nutzen müssen, aber dass zumindest "Zugänge" zueinander sichergestellt und gepflegt werden. In den verbandlichen Beratungsprozessen in jüngster Vergangenheit3 ist deutlich geworden, dass es für diese Koordination mehr Struktur braucht.
Einzelinitiativen und ein jährlicher Erfahrungsaustausch sind zu wenig. Erforderlich sind:
- eine "Landkarte digitaler Gemeinschaftsaufgaben". Ein Blick darauf ermöglicht den einzelnen Akteuren, ihre Strategien aufeinander auszurichten;
- ein permanenter Ort des Austauschs, eine verlässliche Informationsbörse, wo Fragen beraten und Erfahrungen verbreitet werden und Initiativen Mitstreiter(innen) finden können. Als ein verbandlich "gängiges" Format wird dazu bis zur Delegiertenversammlung 2020 eine Kommission beim DCV-Vorstand eingerichtet;
- technische Infrastruktur, die den Austausch fördert, wo er den jeweiligen Betroffenen sinnvoll erscheint - auch unabhängig von offiziellen Rollen und so, dass ein effektiver Wissenstransfer möglich ist.
Die Landkarte digitaler Gemeinschaftsaufgaben
Im Zentrum der verbandlichen Beratungen standen die Aufgaben, die für die digitale Transformation gemeinsam angegangen werden müssen. Daraus ist eine handhabbare Zahl an Handlungsfeldern hervorgegangen, die nun als Orientierungspunkte im weiten Feld der digitalen Aufgaben dienen. In der Grafik auf S. 15 sind sie daher als Positionsnadeln dargestellt. Orientierung bieten sie bei der Frage, welche der vielen Aufgaben nur gemeinsam gelöst werden können (daher "Gemeinschaftsaufgaben") und sind "Anknüpfungspunkte" für die konkreten Maßnahmen (bestehende und geplante). Diese sind als Kreise dargestellt und nur eine beispielhafte Auswahl. Eine Priorisierung erscheint aufgrund der starken Abhängigkeiten der Handlungsfelder weder sinnvoll noch ist eine einheitliche Steuerung über den ganzen Verband hinweg wünschenswert.
Die bestehenden Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Handlungsfeldern sind ansatzweise durch die Positionierung zueinander wiedergegeben. Außerdem ist erkennbar, dass einige Handlungsfelder sozusagen "Grundlagenarbeit" bedeuten, also darauf abzielen, handlungsfähig(er) zu werden. Ein prägnantes Beispiel dafür ist Tandem 4.0.4 Das Projekt unterstützt die Mitarbeitenden in sechs DiCV dabei, arbeitsbegleitend digitale Fähigkeiten "in der Breite des Verbandes" aufzubauen - unter anderem mit digitalen Personalakten, bei der Einführung einer digitalen Pflegedokumentation, mit nutzerzentrierten Methoden zur Software-Auswahl oder beim Ausbau professioneller Social-Media-Aktivitäten. Auch das Forschungsprojekt "BeBeRobot" zielt auf Grundlagen ab. Dort wird ein wissenschaftlich fundierter Kriterienkatalog rund um Robotik in der Pflege erarbeitet.5
In anderen Handlungsfeldern steht das bewusste Betreten von Neuland stärker im Vordergrund, etwa bei neuen Formaten im Engagementraum wie der Verbreitung der Anpacker-App oder dem umfangreichen Ausbau der Online-Beratungsplattform. Die Einordnung in die beiden Kategorien "Potenzial vergrößernd" und "Potenzial nutzend" ist allerdings nicht trennscharf und die eine Kategorie kann sinnvoll nicht ohne die andere sein. Der "Leuchtturm" OnlineBeratungsplattform zeigt, dass die Handlungs- immer auch Lernfelder sind: Zielgruppenanalysen, digitale Produktentwicklung, Governance- und steuerrechtliche Fragen für Gemeinschaftsprojekte, Kooperationsmöglichkeiten durch Open-SourceStrategien werden hier angegangen. Neuland bedeutet Entscheidungen unter Unsicherheit, ein oft mühsames Vorantasten, auch umkehren und neu beginnen - Pfadfinder-Metaphern, die nicht zufällig zum Begriff "Landkarte" passen. Einen guten Weg für das Projekt selbst zu finden liefert gleichzeitig Erfahrungen und Anschauungsbeispiele für andere Maßnahmen.
Deutscher Caritasverband e. V.
Die Vorstandskommission zur digitalen "Readiness"
Nicht Konformität, sondern Kompatibilität ist das Gebot der Zusammenarbeit im Netz. Diese Kompatibilität zu ermöglichen und zu fördern ist eine wesentliche Aufgabe einer neu zu bildenden Kommission.
Es braucht ein Forum aus verbandlichen Entscheidungsträger(inne)n einerseits und Expert(inn)en aus den acht Handlungsfeldern der Landkarte andererseits, das diese Aufgaben übernimmt und den Vorstand des DCV berät. Die Beteiligten am Beratungsprozess hatten dafür eine Kommission vorgeschlagen, die - bei aller Neuheit der Inhalte - als Form bekannt und verbandlich anschlussfähig ist. Bis zur Delegiertenversammlung am 13. Oktober 2020 soll sie namentlich besetzt sein mit Mitgliedern, die die verbandlichen Gruppen ebenso wie die Handlungsfelder der Landkarte abdecken. Die Geschäftsführung wird bei der Stabsstelle Koordination Digitale Agenda des DCV liegen.
Kernauftrag ist, die Kompatibilität der Initiativen und Maßnahmen der digitalen Agenda zu befördern. Dabei soll der Vorstand (auch) beim Ausbau der verbandlichen Plattformfähigkeit unterstützt werden, wozu auch die Anschlussfähigkeit an Plattformen der öffentlichen Hand gehört, wie sie in Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes entstehen (OZG-Readiness).
Konkret sind die Aufgaben wie folgt:
- Überblick über die unterschiedlichen Entwicklungen im Verband und über laufende Digitalprojekte in den Handlungsfeldern der Landkarte;
- Beobachtung von Rahmenbedingungen in Gesellschaft, Politik (Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung), Markt, Technik, Recht und nach Bedarf Anforderungen von Nutzer(inne)n und Stakeholdern (Qualität der Leistungserbringung in den Fachbereichen, Arbeitsbedingungen, Statistik etc.);
- Aufspüren von Synergien oder aber Kompatibilitätsrisiken zwischen den Initiativen für verbandsweite Digitalaufgaben;
- Orientierung für die Akteure im Verband durch Bereitstellen der gesammelten Erkenntnisse und Entwicklung von Beurteilungsmaßstäben. Damit wird ein Rahmen für gemeinsames Handeln im Verband geschaffen und die Kompatibilität der Initiativen gefördert;
- Austauschorte zu Digitalstrategien im Verband identifizieren und bekanntmachen (zum Beispiel Engagement auf Plattformen, OZG-Aktivitäten, Innovationsformate, Dienstleistungsdatenbanken).
- Im Einzelfall: Impulse geben, um Fragen von strategischer Bedeutung zusammen mit Partnern im Verband (zum Beispiel in Pilotprojekten) zu bearbeiten.
Ideen und Erfahrungen mit digitalen Innovationsprojekten tauschen die "Digitalbeauftragten" (Pioniere in den unterschiedlichsten Rollen und Funktionen) weiterhin im Forum Digitale Agenda aus.
Das CariNet als Wissensnetz und Datendrehscheibe
Um die Möglichkeiten der Plattformwelt für die Ziele der Caritas zu nutzen, kommt es auf zwei Dinge an: die Koordination untereinander und mächtige Datenschnittstellen, die kompetent gepflegt werden.
Nötig ist die Möglichkeit, Erfahrungen schnell verbreiten zu können, zu lernen (auch aus Fehlern), Wissen zu sichern, attraktiv zu machen und Positionen abzustimmen.6 All das tut die verbandliche Caritas schon lange, manchmal aber nur im Rhythmus jährlicher Konferenzen oder in bestimmten Gruppen. Die Kommunikation über digitale Plattformen ermöglicht einen schnelleren und (zeit-) effizienteren Austausch. Die Corona-Infobörse hat diesen Bedarf und diese Möglichkeit eindrücklich gezeigt.
Die Schnelligkeit - und aus Sicht der Nutzer(innen) der Komfort - von Plattformen ist unter anderem im weitgehend automatisierten Austausch möglichst aktueller, genauer Daten begründet. Es kommt also darauf an, zu verstehen, welche Daten gebraucht werden, wie sie bereitgestellt werden müssen, aber auch welchen Wert sie haben (teilweise bekannt aus der Zentralstatistik). Schnittstellen sind in der Plattformwelt ein wichtiger Gestaltungsort, der eine fokussierte Betreuung braucht. Jede technische Schnittstelle funktioniert nur dann, wenn es dazu auch eine menschliche Schnittstelle gibt. Bei aller Technik ist dies also auch eine Frage der Koordination und Governance.
Anmerkungen
1. Vgl. Dritter Engagementbericht der Bundesregierung, 2020, S. 25ff., www.dritterengagementbericht.de
2. Vgl. zum Beispiel das "echte soziale Netzwerk" der Aktion Mensch:
www.aktion-mensch.de/dein-engagement.html
3. Hier ist vor allem die Gesprächsreihe des DCV-Vorstands mit Vertreter(inne)n der OCV, Fachverbände und der DiCV Anfang 2020 im Blick.
4. https://www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/caritas/tandem40
5. www.technik-zum-menschen-bringen.de/projekte/beberobot
6. Vgl. Landstorfer, J.; Welskop-Deffaa, E. M.: Die "Schwarmintelligenz" des Verbandes nutzen. In neue caritas Heft 22/2018, S. 15 f
Corona-Prämie ist ein erster Schritt
Digitales Empowerment
Gut ausgerüstet ins digitale Neuland
Wirtschaftliche und digitale Strategien in der Covid-19-Pandemie
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