Altenhilfe: Führung will gelernt sein
Bei einem aufmerksamen Blick auf die Altersstruktur der Mitarbeitenden in sozialen Einrichtungen zeigt sich: In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird ein Drittel der momentanen Leitungskräfte in den Ruhestand gehen. Es ist eine strategische Managementaufgabe der Geschäftsführung, sich bereits jetzt um die Nachbesetzung dieser Stellen zu kümmern. Dafür ist eine langfristige Planung vonnöten: Die üblichen Stellenausschreibungen führen nicht immer zum gewünschten Erfolg und die Qualifizierung von Mitarbeitenden aus den eigenen Reihen ist oft quantitativ nicht ausreichend, um dem Bedarf gerecht zu werden.
Ausgehend von der Prämisse, dass gute Führung in der Altenhilfe der zentrale Stellhebel für eine langfristig erfolgreiche Personalarbeit ist, setzt hier das Trainee-Programm des Caritasverbandes für die Diözese Münster an: Nicht nur im Sinne von guter Personalführung, sondern auch im Sinne eines Bewusstseins für Caritas-Arbeit sollen begeisterungsfähige und gut qualifizierte Menschen auf ihrem Weg zur Führungskraft unterstützt und begleitet werden. Neben den klassischen Zugangswegen zu Führungsaufgaben wird durch das Trainee-Programm ein neuer und zusätzlicher Weg eröffnet, um eine bisher kaum für die Altenhilfe angesprochene Gruppe potenzieller Führungskräfte zu erschließen.
Dazu stellte der Caritasverband für die Diözese Münster mit seinen angeschlossenen 205 stationären, 100 ambulanten und 85 teilstationären Einrichtungen bereits vor drei Jahren erste Überlegungen an. Junge Führungskräfte sollten über ein Trainee-Programm für Leitungspositionen in der Altenhilfe gewonnen und qualifiziert werden. Hierfür wurden Kooperationen mit den Hochschulen Münster und Niederrhein sowie der Universität Vechta aufgebaut, die im Bereich Gesundheit Studiengänge anbieten. Es wurden konkrete Praxis- und Projektsemesterangebote sowie Themenangebote für Bachelor- oder Masterarbeiten für Studierende und Absolvent(inn)en erarbeitet und auf Symposien, Studierendenmessen und in Vorlesungsreihen mit Praxisbezug vorgestellt. Das Aufzeigen einer stringenten Karriereperspektive über Praxiseinsätze hin zu einem Trainee-Programm in der Altenhilfe überzeugte: Die Resonanz war nach anfänglichem Zögern erstaunlich gut, es konnten viele Studierende für Praxis- und Projektsemester und in der Folge für die Bearbeitung praxisrelevanter Bachelor- und Masterarbeiten gewonnen werden. Das war neu, denn die Lehrenden an den Hochschulen und die Studierenden hatten oftmals sowohl die Caritas als auch die Altenhilfe als potenzielles Arbeitsfeld nicht im Blick.
Das Grundkonzept des Traineeprogramms beruht also auf der Auswahl und im Folgenden auf der
Qualifikation von Absolvent(inn)en, die ein gesundheits- und managementbezogenes Studium absolviert haben.
Eine vorgelagerte Ausbildung im Gesundheitsbereich hat Vorteile
Eine vorgeschaltete Ausbildung im Gesundheitsbereich ist dabei wünschenswert, weil der Trainee in diesem Fall als zukünftige Führungskraft konkrete Praxiserfahrung einbringen kann und damit die Akzeptanz bei Mitarbeitenden deutlich gesteigert wird.
Derzeit sind im Bistum Münster in mehreren Orts-Caritasverbänden und bei anderen katholischen Trägern Studierende im Praxissemester in den Bereichen der ambulanten, stationären und teilstationären Altenhilfe sowie im Qualitätsmanagement im Einsatz. Aus den Ergebnissen dieser Praxissemester entstanden und entstehen Bachelor- oder Masterarbeiten, die auch für die Beschäftigungsträger einen großen praktischen Nutzen haben. Durch diese vor dem eigentlichen Trainee-Programm vorgeschaltete Zeit wird sowohl den Verantwortlichen in den Trägereinrichtungen als auch den Studierenden deutlich, ob dieser Arbeitsbereich für sie passend sein kann. An diesen Abwägungsprozess schließt sich dann gegebenenfalls das einjährige Trainee-Programm an.
Mit der Aufnahme in das Trainee-Programm werden die Trainees wechselnd in den verschiedenen Handlungsfeldern der Altenhilfe eingesetzt und dabei von erfahrenen Mentor(inn)en betreut, die es ihnen ermöglichen, Leitungsaufgaben kennenzulernen. Die ersten fünf Trainees haben am 25. September 2019 das einjährige Trainee-Programm in den drei Orts-Caritasverbänden Geldern-Kevelaer, Münster und Steinfurt erfolgreich beendet.
Begleitprogramm vor Ort
In Zusammenarbeit mit diesen drei innovativen Orts-Caritasverbänden wurde ein zentrales Begleitprogramm als Ergänzung zum praktischen Lernfeld innerhalb der Orts-Caritasverbände entwickelt. Das Programm vermittelt im Umfang von zehn Tagen notwendiges Hintergrundwissen über die Lehrinhalte der Studiengänge hinaus. Nach den Erfahrungen im ersten Jahr wurde dieses Programm evaluiert und leicht angepasst. Im Begleitprogramm werden Schwerpunkte etwa in den Bereichen "Führen und Leiten im caritativen Kontext", "Ergebnisqualität und interne Qualitätssicherung" und "Sozialrechtliches Dreiecksverhältnis" gesetzt. Hinzu kommen zwei Kamingespräche mit jeweils einem gesundheitspolitischen und einem führungsspezifischen Schwerpunkt. Bei Ersterem findet ein Dialoggespräch mit einem Mitglied des Gesundheits- und Sozialausschusses des nordrhein-westfälischen Landtags statt. Die Trainees erarbeiten im Vorfeld Fragen zu aktuellen altenhilferelevanten Gesetzgebungsverfahren und lernen dadurch politische Entscheidungsprozesse kennen. Beim zweiten Kamingespräch findet ein konkreter Austausch mit einer erfahrenen Einrichtungsleitung in einem geschützten Rahmen statt, den die Trainees vorbereiten und organisieren. Inhaltlich geht es dabei um das Rollenverständnis als Führungskraft.
Ein Baustein des Traineeprogramms ist die Vernetzung und Kontaktgewinnung über den eigenen Betrieb hinaus, wie beispielsweise die Teilnahme am Caritaskongress, an den Benediktbeurer Zukunftsgesprächen oder ein fünftägiger Aufenthalt in der rumänischen Partnerdiözese Iasi, um Altenhilfe im europäischen Kontext kennenzulernen.
Nach den durchlaufenen Praxisphasen, den entstandenen Bachelor- oder Masterarbeiten und nach einem Jahr Trainee-Programm lässt sich festhalten, dass die jungen Trainees neue Impulse in die Einrichtungen der Altenhilfe bringen und hilfreiche Beiträge in Form von selbstständiger Umsetzung großer Projekte leisten. Allerdings führt der Einsatz von Trainees auch zu Irritationen in den Einrichtungen, beispielsweise aufgrund ihrer komfortablen Ausstattung mit Arbeitsmitteln (Laptop erforderlich, da wechselnde Einsatzorte) oder wegen der umfangreichen Freistellung für die regelmäßige Teilnahme an den Trainee-Begleitveranstaltungen und weiteren Fortbildungen. Ob der oder die Trainee mehr wert sei, war eine oft gestellte Frage von Einrichtungsleitungen der teilnehmenden Verbände. Darüber im Gespräch zu sein und ein Verständnis für das Programm innerhalb der Einrichtungen zu schaffen, war und ist nicht immer einfach.
Positive Nebeneffekte, die sich aus dem Trainee-Programm ergeben, sind unter anderem die intensiveren Kooperationen mit den Hochschulen. Zwei weitere konkrete Projekte sind daraus im ersten Jahr hervorgegangen.
Die Investition lohnt sich
Das Fazit: Das Programm ist aufwendig, aber es lohnt sich. Die Vernetzung der beteiligten Orts-Caritasverbände wurde ausgebaut und das Trainee-Programm hat neben der Praxis-Erfahrung vor allem zur Prägung der Persönlichkeit der künftigen Führungskräfte beigetragen. Die beteiligten Träger schätzen die Zusammenarbeit mit dem Diözesan-Caritasverband, und auch aus wirtschaftlicher Perspektive ist die Investition sinnvoll - zum einen, um die Zukunftsfähigkeit der Träger zu sichern, und zum anderen auch, um aktuelle Prozesse in den Einrichtungen zu unterstützen, wie beispielsweise die Umsetzung des neuen MDK-Prüfverfahrens in der Praxis oder die Planungen zur Generalistischen Ausbildung.
Die Absolvent(inn)en des Trainee-Programms konnten umfangreiche berufliche und persönliche Erfahrungen sammeln. Alle fünf Trainees des ersten Durchlaufs sind bereits in Folgeanstellungen in der Leitungsebene von Altenhilfeeinrichtungen oder in übergeordneten Stabsstellen zur Weiterentwicklung von Einrichtungen tätig, vier von ihnen sind im Caritasbereich beziehungsweise bei ihren Trainee-Orts-Caritasverbänden geblieben. Die Zahl der Träger, die sich am Trainee-Programm als Ausbildungsstätte beteiligen, nimmt zu. Am 1. Oktober 2019 haben neun Trainees die zweite Runde des Programms begonnen.
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