Weniger unternehmerische Freiheit und mehr Bürokratie befürchtet
Die vom Bundesfinanzministerium (BMF) verkündete Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) birgt Zündstoff für die Gewinnentstehung und die Gewinnverwendung von gemeinnützigen Trägern. Aus Sicht des Deutschen Caritasverbandes kommt es dadurch zu einer gravierenden Einschränkung der unternehmerischen Freiheit und damit der Gestaltungsmöglichkeiten für bedarfsorientierte soziale Dienstleistungen. Außerdem droht weit mehr Bürokratie. Was ausgehend vom sogenannten Rettungsdiensturteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 2013 auf die Verhinderung einer nicht gemeinwohlorientierten Gewinnerzielung und -verwendung (nur "des Erwerbs wegen") abzielte - und damit auf Ausnahmefälle - droht nun das Regelgeschäft vieler Organisationen auf den Kopf zu stellen. Betroffen von den neuen Regelungen zu § 66 Abgabenordnung (AO) sind insbesondere Rettungsdienste, ambulante Pflegedienste, Kleiderkammern, Sozialkaufhäuser, Tafeln oder Einrichtungen der Obdachlosenhilfe.
Zu den befürchteten bürokratischen Auswüchsen zählt, dass ein gemeinnütziger Träger in Zukunft eine Ergebnisplanung und -erfassung je Zweckbetrieb erstellen muss, damit das Finanzamt die Gewinnentstehung und -verwendung nachvollziehen kann. Zudem werden sich die Anforderungen bei der Verteilung von Gemeinkosten deutlich erhöhen. Dass sich die Kostenstellenrechnung und das Controlling eines Unternehmens nicht am Steuerrecht, sondern an der Organisationsstruktur ausrichten sollten, wird dabei ignoriert.
Zur Gewinnentstehung: Gemäß AEAO sind in den genannten Zweckbetrieben ab 2016 Gewinne, die einen Inflationsausgleich oder die Finanzierung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen übersteigen, gemeinnützigkeitsschädlich. Kein Wort von notwendigen Rücklagen für Risiken und die Gewährleistung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit. In seinem Schreiben vom 28. April 2016 stellt das BMF zwar klar, dass es sich hier um eine exemplarische Aufzählung handelt, die keinen abschließenden Charakter hat. Gewinnerzielung für notwendige Kapazitätsanpassungen und zur Abdeckung von Risiken wird jetzt ausdrücklich im Schreiben erwähnt. Entwarnung? Das muss erst die Umsetzung in der Praxis zeigen.
Zur Gewinnverwendung: Künftig soll es für diese Zweckbetriebe gemeinnützigkeitsschädlich sein, wenn deren Überschüsse für die Querfinanzierung von anderen Zweckbetrieben nach §§ 65, 67, 67a und 68 AO oder für die übrigen ideellen Tätigkeiten verwendet werden. Lediglich bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2015 wurde aufgrund der Lobbyarbeit der freien Wohlfahrtspflege und angeschlossener Sozialunternehmen zwischen Bund und Ländern vereinbart, Quersubventionierungen nicht zu beanstanden. Am 25. April 2017 fand ein weiteres Gespräch von freier Wohlfahrtspflege und BMF statt. Ergebnis war, dass das BMF nach wie vor keinen Spielraum sieht, das Rettungsdiensturteil, etwa durch einen Nichtanwendungserlass, zu ignorieren. Das Quersubventionsverbot beziehungsweise das Verbot der Verwendung von Überschüssen im ideellen Bereich zurückzunehmen sei deshalb ausgeschlossen. Dass sich zwischenzeitlich selbst der Richter des BFH geäußert hat, dass seine Urteilsgrundsätze im AEAO nicht sinngemäß umgesetzt seien, wurde vom BMF zur Kenntnis genommen.
Das Ministerium sieht nun ebenfalls Handlungsbedarf, das Rettungsdiensturteil praktikabel umzusetzen. Ein Ansatzpunkt dafür kann laut BMF bei der Interpretation des Begriffs "des Erwerbs wegen" bestehen. Beispielsweise ist es fraglich, ob eine überwiegend aus öffentlichen Zuschüssen finanzierte Leistung überhaupt des Erwerbs wegen ausgeübt werden kann. Dazu sind noch viele Fragen zu klären. Die Lobbyarbeit wird fortgesetzt.
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