Zwischen Himmel und Erde
Ein bisschen versteckt, hinter dem imposanten Haupteingang der St.-Johannes-Kirche in Sundern und unweit des Caritashauses gelegen, findet sich seit einigen Monaten für alle Sunderner Bürgerinnen und Bürger ein eher ungewöhnlicher Begegnungsort. Wenn man das "Himmel und Erde" betritt, findet man sich in einem hellen großen Raum wieder. "Eigentlich weist eine lange Tischreihe einem den Weg in die neu eingerichtete Küche, 70 Quadratmeter - viel Platz für gute Ideen", sagt Bettina Stanke, die Koordinatorin dieses Projekts. Kaffee und belegte Brötchen gibt es gratis, wer mag darf Geld ins Sparschwein werfen.
Am Tisch sitzen Regina und Helmut, beide 73 Jahre alt, und geben bereitwillig Auskunft, warum sie herkommen. "Weil man sich hier unterhalten kann, klönen oder auch mal dummes Zeug zusammen erzählen kann und unter Leuten ist." Die Motivation der beiden ist dabei unterschiedlich. Regina ist seit zwei Jahren Witwe und war 50 Jahre verheiratet. Zuhause fühlt sie sich nun manchmal einsam. "Früher war da jemand, wenn man sich unterhalten wollte oder auch nur mal kurz ein Wort wechseln wollte, so im Vorbeigehen. Heute ist zuhause nur mein Fernseher und das kann es ja auch nicht gewesen sein. Da bin ich lieber hier unter Leuten, auch wenn mir das anfangs nicht leicht gefallen ist, alleine loszugehen."
Helmut kommt gebürtig aus Wuppertal. "Ich hab´ immer gedacht, der Sauerländer ist ´n bisschen stur, isser aber nicht", grinst er schelmisch. "Wenn hier neue Leute kommen, kommt man hier im Himmel und Erde auch immer sofort ins Gespräch." Helmut ist verheiratet mit "Frau und Kind und Haus", erzählt er, aber die könne er ja auch nicht die ganze Zeit ärgern und so mache jeder auch mal was für sich. Helmut ist schnell im Gespräch und begeistert mit Entertainerqualitäten. "Hier kann man wirklich gut auch ein Netzwerk knüpfen, wenn man in einen neuen Lebensabschnitt wie die Rente wechselt", ist er sich sicher und holt erstmal Kaffee.
Platz für alle Menschen
In der Küche bereitet Doris gerade für die Mittagszeit einen Flammkuchen vor, den Regina anlässlich ihres Geburtstages ausgegeben hat. Doris engagiert sich ehrenamtlich im "Himmel und Erde", ist darüber hinaus bei vielen anderen Stellen aktiv. "Ich habe das im Sommer in einem Zeitungsartikel gelesen, dass das Begegnungscafé hier eröffnet", erzählt sie. "Da habe ich mich sofort beworben, ich bin viel beschäftigt, Gott sei Dank, was soll ich auch zu Hause sitzen?" Meist gibt es donnerstags Suppe, vor den coronabedingten Einschränkungen saßen zur Mittagszeit dann bis zu 25 Leute gemeinsam am Tisch.
Die Eingangstür geht auf. Alle freuen sich, Resi ist da. Sie ist 75 Jahre jung, berichtet stolz, dass sie vier Enkel hat und im Stemeler Frauenchor singt und Hühner züchtet. Gebürtig kommt sie aus Zwenkau im Kreis Leipzig, ihre Mutter flüchtete schwanger aus Schlesien und kam bei minus 30 Grad in Zwenkau an. Vier Tage später kam Resi auf die Welt und 1949 dann mit ihrer Mutter nach Sundern. "Deswegen bist du auch heute noch so ´ne Frierhippe", neckt Helmut vom Tisch gegenüber, und Resi ist schnell von dem ernsten Thema ihrer eigenen Biografie wieder im Tagesgespräch angekommen. Sie hat sich ihr Butterbrot mitgebracht, mit Hackfleisch, eine Stulle mit locker drei Zentimeter Stärke. "Ich mache Intervallfasten", lacht sie herzhaft. Resi wird für diese kulinarische und nicht leicht zu verzehrende Köstlichkeit gefeiert.
Vor der Fensterscheibe schaut eine Dame mit Hund interessiert herein, ist aber offensichtlich unsicher, ob sie direkt reinschauen soll. Projektkoordinatorin Bettina Stanke geht zur Tür und begrüßt sie freundlich. Doch die Dame vertagt den Besuch auf ein nächstes Mal, sie will ohne den Hund kommen.
Auch an Heiligabend war für acht Leute der Tisch hier gedeckt, berichtet Bettina Stanke. Das "Himmel und Erde" mache zudem verschiedene Angebote im Laufe der Woche für unterschiedliche Zielgruppen: Es gibt ein Montagsgespräch, in dem zu aktuellen Themen diskutiert wird, ein Trauercafé und einen Spielenachmittag, alles im Schwerpunkt durch ehrenamtliches Engagement organisiert. Diverse andere Gruppen und Ehrenamtler nutzen das "Himmel und Erde" als Platz für gemeinsame Treffen. Genau das war auch die Intention der über 30 Frauen und Männer der Caritas-Konferenzen in Sundern, die die Idee und den Wunsch zu einem Begegnungscafé hatten.
Der Erfolg gibt ihnen Recht: Wer neue Leute kennenlernen will oder einfach mal wieder Gesellschaft haben möchte, findet dort die richtige Anlaufstelle. Denn zwischen Himmel und Erde ist in Sundern Platz für alle Menschen.
Info
"Himmel und Erde" ist eine Kooperation zwischen dem Caritasverband Arnsberg-Sundern, dem Pastoralen Raum Sundern sowie der Pfarrei St. Johannes Baptist Neheim und Voßwinkel. Die Sorge für die Mitmenschen vor Ort ist ein wichtiges Thema, dem sich Pastoral und Caritas gemeinsam verpflichtet fühlen.
Eine bei der Caritas angestellte Koordinatorin mit einem Beschäftigungsumfang von 68 Prozent ist für die Organisation des Treffpunktes, den Aufbau und die Organisation des Ehrenamts und die Netzwerkarbeit zuständig, außerdem ist sie Ansprechpartnerin für die Menschen im sozial-pastoralen Raum für alle sozialen Themen. Die Koordinatorin und der Vorstand der örtlichen Caritas-Konferenz treffen sich regelmäßig zwecks Austausch und Weiterentwicklung des Cafés.
Finanziert wird das über zwei Jahre laufende Projekt durch "LEADER"- Fördermittel sowie im Vorfeld von der Caritas-Konferenz gesammelte Spenden. Es wird darüber hinaus bezuschusst aus dem Sonderfonds des Erzbistums Paderborn für spezifisch armutsorientierte Dienste der Caritas.
Initiatoren des Projekts in Sundern sind die Ehrenamtlichen der CKD St. Johannes Sundern, insbesondere das Vorstandsteam: Dr. Birgitta Plass, Silke Köhler, Stefanie Grünebaum und Julia Levermann. Hilfreich war auch die große Unterstützung durch Spenden der Bevölkerung in Sundern, die dieses Projekt mitträgt.