21 Wohnungen zum Ankommen in Berlin
Das Team vom Caritas-Beratungszentrum in Lichtenberg nahm die Angebote dankbar an, kümmerte sich um die Mietverträge und alle Fragen rund um das Ankommen und Einziehen der Bewohner:innen. "21 Wohnungen für etwa 50 Personen", erklären Irina Shaforostova und Stefan Peucker von der Caritas die Dimension des Projekts, hier im Garten einer Wohnanlage in Tempelhof. Alleine an diesem Ort wurden 14 Wohnungen eingerichtet und neu bezogen. Ein Fest mit Grill und Buffet bringt alle Bewohner:innen, Unterstützer:innen und das Caritas-Team heute zusammen. Vor allem soll Danke gesagt werden. "Glücklicherweise hatten viele der 50 Bewohner:innen ehrenamtliche Hilfe von Leuten, die dauerhaft an ihrer Seite blieben - so kamen viele zu uns ins Projekt", erzählt Stefan Peucker. Neben den 14 Wohnungen hier in Tempelhof sind weitere Wohnungen in Treptow, Lichtenberg, Marzahn und Friedrichshain zu einem neuen Zuhause für Geflüchtete geworden.
Peucker, Sozialarbeiter in der Caritas-Wohnungslosenhilfe, kümmerte sich zusammen mit seinem Kollegen Andreas Buhl um die Anmietung. "Das Konzept haben wir genauso wie in der Wohnungslosenhilfe aufgezogen. Wir stellen nicht nur den Wohnraum als Träger, sondern unterstützen die Bewohner:innen auch sozialarbeiterisch bei der Klärung ihrer Probleme", sagt er, "den Aufwand habe ich am Anfang allerdings total unterschätzt." Mit im Team arbeitet auch Irina Shaforostova. Sie kam vor zwei Jahren aus Russland nach Berlin und ist als Sozialbetreuerin im Frühjahr neu in das Caritas-Projekt eingestiegen. "Auch wenn unsere Klient:innen traumatisiert sind, denke ich, dass ein Neuanfang in Berlin für viele gut gelungen ist, weil es eine sehr große Hilfsbereitschaft gab", erklärt sie.
Eine der 50 Bewohner:innen ist Oksana Pavlova. Die Ukrainerin stammt aus der Nähe von Odessa im Süden des Landes. Sie ist chronisch nierenkrank und erfuhr nach Kriegsausbruch davon, dass es in Berlin angeblich Behandlungsmöglichkeiten für Geflüchtete gab. Sie recherchierte und nahm Kontakt zu einer Ärztin auf, die glücklicherweise Russisch sprach und der sie ihr Anliegen schildern konnte.
Die Ärztin, Helene Dirks, erklärte sich sofort bereit, die Patientin in "ihrem" Dialysezentrum nahe des Ankunftszentrums Tegel zu behandeln. Zusammen mit ihrem Mann und ihrem 7-jährigen Sohn machte sich Oksana Pavlova daraufhin auf nach Deutschland. Die Familie fuhr nächtelang im Auto durch, mit einem Zwischenstopp in Lwiw, denn Pavlova benötigt jeden zweiten Tag eine Dialysebehandlung. Bliebe diese Behandlung aus, wäre das lebensbedrohlich. Aus diesem Grund wurde ihrem Mann die Begleitung genehmigt, er durfte ausreisen. Die Flucht führte die Familie über Polen nach Berlin. Gegen 22 Uhr in Tegel angekommen, wurden sie im ersten Moment auf den nächsten Morgen vertröstet - erst ein Anruf von Helene Dirks mit der Aufklärung über den gesundheitlichen Zustand ihrer Patientin öffnete die Tür. Nach einer weiteren Notunterkunft kam die Familie schließlich ins Wohnprojekt der Caritas und konnte Mitte Juni in eine der Tempelhofer Wohnungen einziehen. Helene Dirks sorgte dafür, dass der 7-jährige Dmitriyiv inzwischen in eine Willkommensklasse der benachbarten Schule gehen kann. Die Medizinerin ist bescheiden, auch wenn ihr ehrenamtliches Engagement kaum eine Grenze kannte. "Ich bin so geprägt, dass ich Menschen helfe, wo ich kann. Ich bin in Kasachstan aufgewachsen und kam selbst vor 26 Jahren nach Deutschland, wurde hier aufgenommen und unterstützt."
Auch Julia Däppen ist voller Wohlwollen den Deutschen gegenüber. "Es ist verrückt, es musste erst ein Krieg kommen, damit wir wieder an die Menschen glauben", sagt sie mit Tränen in den Augen. Die 38-jährige Ukrainerin aus Kiew lebt bereits seit 2005 in Berlin, damals kam sie zum Studieren her. Als der Krieg ausbrach, war sie gerade Mutter geworden, ihr Sohn erst vier Monate alt. Dennoch sagte sie allen Freunden, Bekannten und Verwandten in Kiew ihre volle Unterstützung zu. "Insgesamt waren es 16 Menschen, mit denen ich während ihrer Flucht ständig in Kontakt war." Das Wichtigste war es, möglichst alle bei ihrer Ankunft in Berlin schnell unterzubringen. "Glücklicherweise waren meine Freunde und Bekannten in Berlin bereit, diese fremden Leute bei sich zu Hause aufzunehmen. Jedes Mal, wenn ich darüber spreche, rührt es mich, wie viel Liebe es noch auf der Welt gibt." Auch ihre Mutter kam nach Berlin - und konnte über das Caritas-Projekt hier in Tempelhof einziehen.
Die Zukunft des Wohnprojekts allerdings ist ungewiss - niemand weiß, wie lang der Krieg andauern wird. "Alle Wohnungen sind erst einmal auf ein Jahr befristet", erklären die Caritas-Fachleute Irina Shaforostova und Stefan Peucker. "Ein Teil der Wohnungen lässt sich vielleicht verlängern, dennoch ist die große Herausforderung, für alle 50 Bewohner:innen eine langfristige Lösung zu finden", gibt Peucker zu bedenken. "Klar ist aber auch, wir lassen niemanden allein."
Text: Christina Kölpin