Voller Einsatz ohne Limit
Aufgrund fehlenden Nachwuchses lebt die Arbeit vieler Caritas- und Vinzenz-Konferenzen von dem persönlichen Engagement von Seniorinnen und Senioren. Wer sind diese Männer und Frauen, die sich auch im gesetzteren Alter noch für Mitmenschen in unterschiedlichster Art und Weise einsetzen?
"Jeden Mittwoch bin ich der Fahrer für ältere Damen, die alleine oder in Senioreneinrichtungen leben und fahre sie zu einem gemeinsamen Kaffeetrinken. Außerdem organisieren wir regelmäßig Ausflüge für sie." Wolfgang Busche ist Mitglied der Vinzenz-Konferenz der St. Clemens-Gemeinde in Rheda-Wiedenbrück. In Seniorenheimen besucht er regelmäßig Bewohner, die wenig soziale Kontakte haben. Dabei ist der gelernte Bildhauer selbst bereits 81 Jahre alt. "Meine Frau war Vorsitzende einer Caritas-Konferenz. Als sie 2005 verstarb, brauchte ich für mich eine Aufgabe. Und die fand ich in dieser Tätigkeit." Wolfgang Busche hat in späteren Berufsjahren im Kundendienst einer Möbelfirma gearbeitet. Es fällt ihm leicht auf Menschen zuzugehen. Nachdenklich aber wird er, wenn er an die Zukunft der Konferenz denkt. "Wir sind derzeit gerade noch fünf Mitglieder, von denen sich aber gesundheitsbedingt nur zwei ehrenamtlich einbringen können." Jüngere Mitglieder? "Wir werben aktiv um Nachwuchs. Aber leider ohne Erfolg."
"Wir sind zehn Damen, alles Seniorinnen." Erika Thömke ist seit 1988 zweite Vorsitzende der Caritas-Konferenz St. Katharina in Unna. "Wir machen Geburtstagsbesuche und bringen uns in die Gemeinde ein, wenn Frauenpower gefragt ist", lacht die ehemalige kaufmännische Angestellte. Und dann ist da die jährliche Adventssammlung in der Gemeinde, die sie als Konferenz-Buchprüferin letztlich verantwortet. "Als mein Mann 1986 verstarb und ich in ein dunkles Loch fiel, wurde ich aus meiner Trauer von einer Bekannten mit den Worten gelockt: Möchtest du dich nicht als Spendensammlerin bei der Caritas einbringen?" So nahm ihre Ehrenamtskarriere ihren Anfang. "Im Corona-Winter 2020 haben wir per Brief um Spenden gebeten und über 4000 Euro erhalten." Über den Verwendungszweck der Spenden wird jedes Jahr neu entschieden. Mit ihren 88 Jahren fühlt sich Erika Thömke topfit und an ihrer ehrenamtlichen Arbeit hat sie Freude. "Doch ohne Nachwuchs ...", sagt sie und lässt den Satz unvollendet.
"Wir sind elf Herren, neun im gesetzten Alter, zwei aber sind berufstätig und in ihren Vierzigern", berichtet Heinrich Stolze (77), Vorsitzender der Vinzenz-Konferenz St. Bonifatius in Herne. Vor 18 Jahren kam er zur Konferenz. Das Ehrenamt ist für den ehemaligen Mitarbeiter eines großen Energiekonzerns eine Ehrensache. Daher engagierte er sich bereits zuvor (ab 1963) im Kolping-Werk. "Wir machen Geburtstagsbesuche, nehmen an ordnungsbehördlichen Bestattungen teil, ich bin darüber hinaus in einem Heimbeirat engagiert und auch als Helfer für Seniorenheimbewohner tätig, wenn ein solcher gebraucht wird. Man kommt viel mit Menschen zusammen - und das ist der schönste Lohn!" Eine ganz besondere Beziehung pflegt die Konferenz nach Kaposfö in Südwest-Ungarn. Über den Wanne-Eickeler Seelsorger Lothar Weiss, der sich bis zu seinem Tod 2011 über Jahrzehnte für die Belange von Sinti und Roma einsetzte, entstand 2008 ein Kontakt zu dem Generalvikar des Bistums Kaposvar, Laszlo Somos, der über 2000 Sinti und Roma in der Region unterstützt. "Dieser Mann hat es geschafft, allen Kindern einen Kindergarten- und Schulbesuch zu ermöglichen. Gegen große Widerstände in den Gemeindeverwaltungen, aber teils auch in den Kirchengemeinden. Vor diesem Durchsetzungsvermögen ziehen wir unseren Hut." Es ist aber nicht beim "Hutziehen" geblieben. Über Laszlo Somos ist ein Kontakt zu der kleinen Roma-Gemeinde Kaposfö entstanden. Seit 2013 hat die Vinzenz-Konferenz 13 Hilfslieferungen nach Kaposfö organisiert, 2020 in Form zweier Sattelzüge. Da putzt man ein paar Klinken, um Spenden zu generieren, "doch wenn sich am Ende ein Transport auf den Weg begibt, hat es sich gelohnt."
Hannelore Müller hat als Vorsitzende der Caritas-Konferenz St. Petrus Canisius im Hagener Stadtteil Eckesey derzeit alle Hände voll zu tun. Sie kümmert sich um zehn Familien, fast alle mit Migrationshintergrund, die durch die Unwetterkatastrophe vom 14. Juli ihre Wohnungen verloren haben, nachdem in ihrem Stadtteil der Fluss Volme über die Ufer getreten ist. "Normalerweise besteht unsere Arbeit aus Geburtstags- und Heimbesuchen oder dem Organisieren von Weihnachtsfeiern." Nun aber sind jene Kontakte gefragt, die sie in 40 Jahren Ehrenamt gesammelt hat. "Ich konnte beispielsweise Sach- und Kleiderspenden für diese Familien über den evangelischen und den städtischen Kindergarten organisieren." Wie wichtig ehrenamtliche Arbeit in einem kleinen Karree wie Eckesey sein kann, zeigt sich in dieser Ausnahmesituation. "Leider sind wir nur noch eine sehr kleine Gruppe und mit meinen 74 Jahren bin ich die Zweitjüngste."
Kleine technische Hilfen
Einem besonderen ehrenamtlichen Aufgabenfeld widmen sich der ehemalige Altenpfleger Friedhelm Lülsdorf (72) und der pensionierte Bahnbeamte Hubert Lillemeier (76) in Witten. Sie helfen, wenn kleine technische Arbeiten ausgeführt werden müssen. "Ein ganz einfaches Beispiel", erklärt Hubert Lillemeier, "eine ältere Dame kann eine Glühbirne nicht alleine auswechseln, dann kommt jemand von uns raus." "Oder", ergänzt Friedhelm Lülsdorf, "da war neulich ein junges Ehepaar, beide körperlich behindert. Der junge Mann musste fürs Home-Office einen Schreibtisch aufbauen. Das konnte er nicht, also haben wir geholfen." Ihre Tätigkeiten dürfen nicht in Konkurrenz zur Arbeit von Gewerbetreibenden stehen. Als ehrenamtliche Nachbarschaftshelfer arbeiten sie ehrenamtlich unter dem Dach der vom Caritasverband Witten unterhaltenen Freiwilligenagentur Fokus, die das Ziel verfolgt, interessierten Bürgerinnen und Bürgern Informationen und Beratung über ein ehrenamtliches Engagement in Bereichen wie Soziales, Naturschutz, Kultur oder Sport zu bieten.
Während der ehemalige Beamte Hubert Lillemeier als Pensionär nicht nur daheim sitzen wollte und auf diesem Weg zu Fokus fand, hat sich Friedhelm Lülsdorf immer schon gerne ehrenamtlich engagiert. Zwar sind auch die Wittener Nachbarschaftshelfer in der Regel bereits im Rentenalter, durch die zentrale Organisation ihrer Arbeit via Fokus aber dürften sie zumindest keine Nachwuchssorgen haben.