Mit der E-Rikscha durch Gießen
Text - Andrea Kipp
"Wir zwei fahren wieder mit!" Ganz begeistert waren die beiden Seniorinnen aus dem Gießener Caritashaus Maria Frieden bei der Rückkehr von ihrer "Radtour". Mit einer E-Fahrradrikscha wurden Ingeborg Müller (79) und Ottilie Riehm (91) durchs benachbarte Wohnviertel Schlangenzahl gefahren.
Rund 30 Bewohnerinnen und Bewohner der Altenpflege-Einrichtung des Caritasverbandes Gießen nutzten das Angebot, als die E-Rikscha drei Tage lang im Einsatz war. In die Pedale traten dabei in der Regel ehrenamtlich Engagierte. Die E-Rikscha wurde der Einrichtung kostenlos zur Verfügung gestellt - dank einer gemeinsamen Aktion der Initiative Demenzfreundliche Kommune - Stadt und Landkreis Gießen (IDfK) und eines Angebots des Landes Hessen. Auch andere Einrichtungen in Gießen und Privatpersonen konnten das Angebot nutzen. Und in anderen Kommunen werden die E-Rikschas ebenfalls für Fahrten mit alten Menschen eingesetzt.
Ehrenamtliche "Kapitäne" und "Piloten"
Als ehrenamtlicher "Kapitän" fungierte bei der Aktion der 69-jährige Bernd Stäudtner. Er und eine "Kapitänin" hatten sich im Umgang mit der Rikscha schulen lassen. Sie zeigten dann den "Pilotinnen" und "Piloten", wie die Rikschas funktionieren. "Das Lenken ist zum Beispiel schon anders als beim Radfahren", sagt Stäudtner. Das müsse man üben, bevor man die erste Tour mit den Gästen unternimmt. Und die Steigungen im Raum Gießen seien nur mit den drei Motorstufen der Rikscha zu bewältigen.
Stäudtner ist schon lange im Rahmen der offenen Seniorenarbeit des Caritasverbandes ehrenamtlich aktiv, unter anderem im Smartphone-Café. Darüber hinaus hilft er auch individuell, wenn Senioren Unterstützung brauchen. "Und oft bringt er auch eigene neue Ideen für unsere offene Seniorenarbeit ein", erzählt Gundula Breyer, die sich beim Caritasverband Gießen um die Ehrenamtlichen und um die offenen Seniorenangebote kümmert.
Radtour auch für alte Menschen mit Einschränkungen
Für die Aktion mit den E-Rikschas war er schnell zu begeistern: "Ich fahre sehr gern Fahrrad", erzählte der 69-Jährige. "Da hat man einen größeren Horizont, als wenn man zu Fuß unterwegs ist." Darum wollte er dazu beitragen, dass die Menschen in den Altenpflegeeinrichtungen, die selbst wegen ihrer eingeschränkten Beweglichkeit oder wegen einer Demenz nicht mehr in die Pedale treten können, dennoch etwas Wind in den Haaren genießen konnten. Der Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern war für ihn allerdings neu. Manche hatten zunächst etwas Angst, manche brauchten etwas Zeit, bis sie auf der Bank der Rikscha auch Platz für den zweiten Fahrgast machten. Aber Stäudtner freute sich über die Begegnung und den Austausch mit den alten Menschen. "Vielleicht entstehen da auf Dauer auch Beziehungen, wenn ich sie öfters fahren kann."
Individuelle Tourenplanung
Ottilie Riehm war dankbar, endlich einmal das Stadtviertel vor der Haustür der Einrichtung zu gesehen zu haben, das sie zu Fuß nicht erreichen kann. "Das ist ja ein richtig schönes Viertel", schwärmte sie: "Das könnte ich jeden Tag machen!" Ihre Sitznachbarin Ingeborg Müller kannte das Viertel zwar, da sie bis vor kurzem dort zusammen mit ihrem Partner gerne zu Fuß unterwegs war. Doch seit dessen Tod traute sie sich allein nicht mehr raus.
Die Fahrer versuchten, die Wünsche der Rikscha-Gäste bei der Tourenplanung zu berücksichtigen. So wurden die beiden Damen gezielt durch dieses Stadtviertel gefahren. Um das Gefährt mit den drei Erwachsenen darauf zu bewegen, musste Bernd Stäudtner schon kräftig in die Pedale treten - trotz der elektrischen Unterstützung. Auf ihrer Tour begegneten sie einer Kindergartengruppe, die das Fahrzeug erstaunt zur Kenntnis nahm. Da legte die Rikscha einen Stopp ein und aus dem gegenseitigen Zuwinken entwickelte sich ein kurzes Gespräch.
Lisa Peppler. Leiterin des Sozialen Dienstes, geht es bei diesem Angebot nicht nur um etwas Abwechslung im Alltag der alten Menschen. "Die Eindrücke und Erlebnisse tun den alten Menschen gut, und die E-Rikscha-Touren sind auch für Menschen mit Demenz möglich. Bei Bedarf setzen wir eine Betreuerin mit in die Rikscha", erklärte sie.
Die Idee zu dem Angebot hatte Gundula Breyer schon bevor das Angebot der Initiative Demenzfreundliche Kommune kam. Schon lange überlegte sie, wie eine E-Rikscha für Maria Frieden und das Pflege- und Förderzentrum St. Anna genutzt werden könnte.
Dann kam die Corona-Pandemie und eine Umsetzung war zunächst nicht möglich.
Zusammen denken Breyer und Stäudtner darüber nach, ob es sinnvoll wäre, dass der Caritasverband selbst eine Rikscha anschafft, "am besten eine, mit der wir auch Rollstuhlfahrer transportieren können", erzählte Breyer. Dann könnten auch Bewohner aus dem Pflege- und Förderzentrum St. Anna mit schweren neurologischen Erkrankungen das Angebot nutzen. Doch vor einem eventuellen Kauf will der Verband die E-Rikschas erst einmal ausgiebig testen und sehen, wie die Seniorinnen und Senioren reagieren. Ingeborg Müllers Urteil war klar: "Es war wunderschön!"
Weitere Informationen:
Andrea Kipp
Caritasverband Gießen,
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