Gemischte Gefühle sortieren
Ein Gefühl von Hilflosigkeit und gleichzeitig Gefühle von großer Dankbarkeit: So ganz klar kann Familie Ulusu aus Hagen ihre Erlebnisse noch nicht in Worte fassen. Bei dem Hochwasser am 14. Juli hat die Familie alles verloren: ihre Möbel, Kleidung, Spielzeug und Fotos von gemeinsamen Momenten. Mehr als einen Meter hoch stand das Wasser in den Räumen. "Unser Haus befindet sich gar nicht in direkter Nähe eines Flusses, aber durch den langen starken Regen ist der Abfluss übergelaufen und hat unsere gesamte Wohnung geflutet", erzählt Melike Ulusu. Für einige Wochen kam die dreiköpfige Familie mit ihrem kleinen Hund Chico in der Wohnung von Melikes Vater unter.
"Wir waren im Urlaub, in der Türkei, als wir von dem Hochwasser erfahren haben. Im Internet wurden die betroffenen Straßen gezeigt und plötzlich haben wir unser Haus gesehen", berichtet Melike Ulusu. Sofort kontaktieren sie und ihr Mann Umut, Freunde und Verwandte vor Ort. "Meine Schwester hat dann Bilder und Videos geschickt. Das war schon ein großer Schock." Weil sie mit dem Auto zurückfahren müssen und in Österreich und Bayern ebenfalls Hochwasser ist, kommen sie erst nach mehr als einer Woche zu Hause an. "Ich bin völlig verzweifelt in der Wohnung rumgelaufen, ich wollte noch ein paar Dinge retten, aber es war einfach alles nass und dreckig", erinnert sich Melike Ulusu. Ihr Mann versucht über die Stadt Hilfe zu organisieren. Eine Familie aus Husum bietet an zu helfen. Zusammen räumen sie innerhalb weniger Stunden die Wohnung komplett leer. "Zu sehen, wie alles weggeworfen wird, war furchtbar."
Zu der Trauer kommen Sorgen und Ängste, wie es weitergehen soll. Vor allem finanziell. Umuts Schwester macht die beiden auf die Aktion Lichtblicke aufmerksam. Schnell kommt ein Kontakt zur Caritas Hagen zustande. Von Anfang an steht Familienbegleiterin Jana Ellerbrake der Familie zur Seite. "Wir sind so dankbar für diese großartige Hilfe", sagt Melike Ulusu. Die Familie erhält Soforthilfen von der Aktion Lichtblicke und vom Erzbistum Paderborn. Doch daneben bekommt die Familie noch viel mehr: Beratung und seelische Unterstützung. "Ich rufe beinahe jeden Tag bei Jana Ellerbrake an und frage sie etwas. Ich bin eigentlich eine sehr stolze Frau und nehme nicht gerne Hilfe an, aber ich habe gemerkt, dass es mir hilft, mit jemandem zu reden", sagt Melike Ulusu. Auch für die Familienbegleiterin und ihre Kollegen ist es eine völlig neue Situation. "Wir haben mit ganz vielen unterschiedlichen Schicksalen zu tun, das geht einem schon sehr nahe", berichtet Jana Ellerbrake. Die Familienbegleiterinnen der Caritas Hagen wollen in erster Linie als Ansprechpartner da sein. "Wir wissen ja auch nicht alles, aber wir können helfen, die Gedanken zu sortieren und vor allem haben wir als Caritas ein gutes Netzwerk und können Kontakte vermitteln."
Inzwischen sind die Wände trocken und die Räume vom Vermieter renoviert. Mit Jana Ellerbrake bleibt die Familie erstmal weiterhin in Kontakt. Zusammen suchen sie nach einer neuen Wohnung. Gemeinsam wollen sie auch versuchen, das Erlebte zu verarbeiten und die gemischten Gefühle ein kleines bisschen zu sortieren.