Coach und Kumpel
Leon, 9 und Najib, 12, kicken auf dem Fußballplatz hinter dem Haus. Der Ball fliegt an den Torpfosten. "Super Einsatz, Leon!", ruft Maximilian Scharf. "Du bist gut! Dir fehlt nur noch ein bisschen Glück!"
Der Bildungsbuddy arbeitet seit Anfang August im Jugendhaus St. Josef in Berlin-Neukölln. Er ist 24, freundlich, ruhig und souverän. Typ großer Bruder, wie man ihn gern gehabt hätte. Buddy heißt Kumpel. Die Bildungsbuddys sind für Kinder und Jugendliche in der stationären Jugendhilfe in Berlin da. Eine Art "Personal Trainer", die junge Menschen betreuen, begleiten, fördern und ermutigen.
Das brauchen die Kinder und Jugendlichen hier besonders, denn sie bekommen diesen Zuspruch in der Regel weder von ihren Eltern noch von anderen Familienmitgliedern. "Es gibt hier Kinder, die gar niemanden haben", erklärt Monika Kießig, die Leiterin des Hauses. Das ist derzeit Ersatzfamilie für 27 Kinder und Jugendliche, die meisten aus dem Bezirk. Sie sind zwischen sechs und 22 Jahre alt. Viele wurden von ihren Eltern körperlich und seelisch misshandelt. "Fehlende Erziehungskompetenz heißt das offiziell", sagt Monika Kießig, "wenn die Eltern gewalttätig sind, Drogen nehmen oder psychisch krank sind." In solchen Fällen entscheidet ein Familiengericht, dass es für die Kinder besser ist, nicht mehr bei den Eltern zu leben.
Bis dahin haben die meisten Kinder und Jugendlichen jedoch einen langen Leidensweg hinter sich. "Die bringen einen Rucksack mit Problemen mit", sagt Monika Kießig. "Wir versuchen für sie das zu sein, was Familie ausmacht. 24 Stunden am Tag. 365 Tage im Jahr." 15 Fachkräfte arbeiten hier, hinzu kommen zwei Bedarfskräfte und drei Bildungsbuddys.
Ein Bildungsbuddy für alle Fälle
Maximilian Scharf studiert Physiotherapie an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und will Anfang nächsten Jahres das Staatsexamen ablegen. Er hat für den praktischen Teil seines Studiums in Krankenhäusern, Arztpraxen und Reha-Einrichtungen gearbeitet und Jugendgruppen in der Gemeinde Zum guten Hirten in Friedrichsfelde geleitet. "Eine gute Vorbereitung für das, was ich hier tue," sagt er. "Ich bin eine Art Schweizer Taschenmesser." Das heißt, er macht das, was ansteht mit den Kindern und Jugendlichen - also vor allem Hausaufgaben und Nachhilfe. Er bereitet sie aber auch schon mal auf die Fahrradprüfung vor. Allerdings, betont er: "Ich kann den Kindern und Jugendlichen nichts aufzwingen. Ich kann nicht sagen, von 15 Uhr bis 18 Uhr bin ich hier, und wir machen nur Hausaufgaben und lernen. Das funktioniert nicht." Er schaut und hört genau hin, was sie gerade brauchen. Manchmal ist das eine Runde Mensch-ärgere-dich-nicht, Uno oder ein kleines Fußball-Match, um Dampf abzulassen.
"Es wird mir nie langweilig", sagt der Bildungsbuddy, "die Kinder haben unendlich viel Energie." "Neeeee!", rufen sie, als er mit dem Fußballspielen aufhören will, weil er langsam erschöpft ist. "Die Kinder bringen mich manchmal an meine Grenzen", erzählt er, "doch es ist für mich eine Bereicherung, ihnen helfen zu können." Wenn er mit ihnen Hausaufgaben macht, achtet er darauf, dass sie sich den Stoff selbst erarbeiten und greift nur ein, wenn sie nicht mehr weiterkommen. Das dauere zwar länger und sei mühsam, dafür sei aber der Lerneffekt höher. "Ich bin hier um die Ecke zur Schule gegangen." berichtet er, "da gab es auch Kinder, die Probleme hatten, aber nicht, weil sie nicht clever genug waren, sondern weil sie niemand unterstützte."
Für die Kinder und Jugendlichen ist Maximilian Scharf nicht nur ein Bildungscoach, sondern auch eine Vertrauensperson. "Sie erzählen mir zum Beispiel von Streitereien mit anderen Kindern, von Ärger mit Lehrern oder dass sie in der Schule gemobbt werden." Wenn er so etwas hört, fragt er genau nach: "Seit wann ist das so? Was ist seitdem passiert? Hast du selbst eine Erklärung dafür?" Er rede offen mit den Kindern und Jugendlichen und versuche ihnen etwa Tipps zu geben, um in der Schule besser zurechtzukommen.
"Viele halten Stress nicht gut aus und sind schnell frustriert", sagt er. "Manche weinen, wenn sie beim Fußballspielen verlieren."
Bei einem Jungen sei das besonders auffällig. "Er ist sehr ehrgeizig, will immer nur gewinnen. Und wenn er dann mal verliert, ist er schnell sauer und lässt das auch an anderen aus." Maximilian Scharf redet immer wieder mit ihm. "Und ich finde, er macht Fortschritte und akzeptiert inzwischen mehr," erzählt er. Dabei kennen sich die beiden erst seit einem Monat. Solche Entwicklungen machen Maximilian Scharf Mut und zeigen ihm, wie wertvoll seine Arbeit für die Kinder und Jugendlichen ist.
Für viele ist er hier so etwas wie ein großer Bruder, den man Dinge fragen und mit dem man eine Runde kicken kann.
"Max ist cool," sagt Leon. Seine Augen leuchten. Die von Maximilian Scharf auch.