Ein Ort zum Trauern und Erinnern
Er befindet sich am Rande der Mainzer Altstadt, ist gut zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Und er vermittelt dennoch eine ruhige Atmosphäre: der Trauerort an der St. Ignazkirche in der Kapuzinerstraße. Der Trauerort bietet allen Menschen, die nicht an die Gräber ihrer Angehörigen und Freunde gehen können, einen würdevollen Ort, um ihrer zu gedenken. Man kann alleine hierher kommen und auch als Gruppe.
Das Projekt initiiert hat Ulrich Gerth, der das Beratungs- und Jugendhilfezentrum St. Nikolaus der Caritas in Mainz leitet, nach einem in Düsseldorf entstandenen Vorbild. Gerth fand schnell Partner in Mainz, mit denen er die Idee gemeinsam auf den Weg brachte. Die Designerin Dr. Doaa Elsayed entwarf dazu eine Skulptur, die das Herzstück des Ortes bildet: Das Kunstwerk symbolisiert eine Seele, die von zwei Armen gehalten wird. Sie können als Sitzbank von den Trauernden genutzt werden. Die Einweihung erfolgte im April 2018.
Für die Sozialcourage stellen Nurhayat Canpolat, Sozialpädagogin vom Psychosozialen Zentrum für Flucht und Trauma des Caritasverbandes Mainz, Axel Geerlings-Diel von "Save me Mainz", Doris Peckhaus vom Soroptimist Club Mainz und Maria Grittner-Wittig von der City-Seelsorge des Bistums das Projekt vor. "Gegründet wurde der Trauerort, um Flüchtlingen zu helfen, Mainzer zu werden", berichtet Geerlings-Diel. Doch inzwischen sei er für alle Menschen offen, unabhängig ihrer Religion oder Herkunft, betont Canpolat. "Und Geflüchtete können hier auch an Menschen denken, die zurückgeblieben sind."
"Ein wichtiges Anliegen ist es, Trauer in den Alltag zu holen und zu zeigen, dass die Trauer zum Leben gehört", erläutert Geerlings-Diel. "Trauer wird nur durch Trauern gut", bringt Maria Grittner-Wittig ihre Erfahrung und ihre Überzeugung auf den Punkt. "Es gibt keinen Weg daran vorbei. Da muss man durch." Canpolat ergänzt: "Nur wer vergessen wird, ist gestorben." Doris Peckhaus verdeutlicht: "Wir möchten Trauerkultur pflegen und weiterentwickeln. Dabei möchten wir auch neue Formen finden." "Trauern im Alltag" war jüngst auch Thema bei einem Abend im Frankfurter Hof im Rahmen der Interkulturdellen Woche. Aldulkader Baki vom Landesverband der syrischen Akademiker in Rheinland-Pfalz, berichtete von der Veränderung der Trauerkultur durch Flucht. Unabhängig von der Religionszugehörigkeit trauerten die Syrer in ihrer Heimat drei Tage lang, dann erneut am 40. Tag nach dem Tod des Verstorbenen und jedes Jahr zum Jahrestag. Doch im Krieg hat sich das verändert. Viele Familien sind zerrissen, es gibt viele Massengräber und die Menschen in der Diaspora leben in verschiedenen Ländern und Orten.
Für die meisten Flüchtlinge steht aber zunächst einmal das Ankommen in der neuen Umgebung im Vordergrund, berichtet Geerlings-Diel. Wie funktioniert das Land, wo bekomme ich Arbeit? Das sind die drängendsten Fragen. "Die Trauer kommt zu kurz." Die psychische Belastung wird meist erst sehr viel später thematisiert, hat Peckhaus festgestellt. "Ich kenne einige Menschen seit drei Jahren, aber sie haben mir erst jetzt ihre Flucht-Geschichte erzählt. Sie öffnen sich erst spät." Canpolat weiß, warum dies so ist: "Trauern kann man nur mit Menschen, die einem nahe stehen. Die Orte und Personen sind wichtig - und der Rahmen, der ihnen zur Verfügung gestellt wird." Daher ist Canpolat der Pfarrei St. Ignaz und deren Pfarrer Stefan Schäfer sehr dankbar.
Der Trauerort wird gut angenommen, berichtet Geerlings-Diel: "Ich sehe immer wieder jemanden, der hier sitzt." Oft werden auch Blumen hinterlegt. Zudem bieten die Kooperationspartner alle zwei Monate hier samstags ab 11 Uhr ein Treffen an. Dabei widmet sich die Gruppe einem jeweils wechselnden Thema. Zuletzt ging es Anfang Oktober um Kinder auf der Flucht. Es erfolgt jeweils ein Impuls zum Thema und anschließend gibt es die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch. Die musikalische Begleitung ist dem Anlass angemessen. Es sind Themen, zu denen alle Geflüchteten etwas zu sagen haben. Aber es sind eben auch Themen, über die man nur mit vertrauten Menschen reden möchte oder mit Menschen, denen man Vertrauen schenken will.
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