Alt und arm? Wenn die Rente nicht mehr reicht …
Altersarmut: Schon eine kaputte Waschmaschine kann eine Katastrophe sein. Scham und Sorge verhindern oft den Weg in die Beratung.
"Wenn die Waschmaschine kaputt geht, ist das für viele meiner Klienten eine Katastrophe", erzählt die Sozialberaterin Monika van Aal, die bei der Caritas in Oberhausen arbeitet. Rücklagen können die meisten ihrer Klienten nicht bilden. Sie erzählt von älteren Menschen, die sich jahrelang irgendwie durchhangeln, ehe sie den Schritt in die Beratung wagen. Altersarmut, ein Problem, das verstärkt auf uns zukommt. Die Ruhrcaritas widmete dem Thema eine komplette Fachtagung.
In diversen Umfragen (zuletzt von Verdi), die alle mehr oder weniger repräsentativ sind, ist das Ergebnis immer ähnlich: Vor nichts und niemand haben die Deutschen im Alter mehr Angst als vor Armut. Offizielle Zahlen gibt es dabei nicht wirklich, was, wie der Soziologe Professor Gerhard Bäcker (GHS Duisburg/Essen) weiß, auch daran liegt, dass in der Statistik zur Altersarmut nur diejenigen erfasst werden, die einen Antrag auf Grundsicherung stellen. Viele tun dies nicht, Experten nennen eine Dunkelziffer von 50 Prozent. "Verschämte Armut" heißt im Fachjargon. Gemeint sind Menschen, die sich scheuen, ihr geringes Einkommen offenzulegen - manchmal aus Stolz, manchmal aus Sorge, dass ihre Kinder herangezogen werden.
So wie die alleinstehende Frau, 70 Jahre alt, die gekellnert hat, um ihre Rente aufzubessern. "Jetzt hat sie so massive Rückenschmerzen bekommen, dass sie ihren Minijob aufgeben muss und finanziell nicht mehr klar kommt. Ihrem Sohn will sie auf keinen Fall auf der Tasche liegen", sagt die Sozialpädagogin van Aal. Die Caritas-Frau hilft beim Ausfüllen des Antrags auf Grundsicherung. Liegt die Rente unter 790 Euro, sind keine weiteren Einkünfte vorhanden und beträgt das Vermögen weniger als 5000 Euro, können Rentner staatliche Unterstützung beziehen, ohne das die Kinder zur Finanzierung herangezogen werden.
Das Risiko von Altersarmut steigt. Eine Million Menschen sind aktuell auf eine staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen sind, doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Soziale Sicherheit im Alter ist das zentrale Thema vor der Bundestagswahl im September. Auch für die Jungen, die sich Gedanken über ihre Zukunft machen. Lag das Rentenniveau im Jahr 2000 noch bei 53 Prozent, könnte es nach Berechnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 2045 unter 42 Prozent sinken.
Prognosen, nach denen laut WDR jeder Zweite im Jahr 2030 von Altersarmut betroffen ist, hält Professor Bäcker allerdings für übertrieben: "Die Entwicklung kann niemand genau vorher sagen, das wäre Kaffeesatzleserei". Und: Eine niedrige Rente allein sage nicht alles aus. Bäcker erwähnt in diesem Zusammenhang die Gebrüder Albrecht. Bevor die beiden den Aldi-Konzern übernommen haben, absolvierten sie eine kaufmännische Ausbildung und erwarben damit den Anspruch auf eine bescheidene Rente. Von Altersarmut sei die Aldi-Familie aber bestimmt nicht betroffen.
Näher am Durchschnittsrentner liegen andere Beispiele. Zwar bekommen zahlreiche Frauen, die sich hauptsächlich um die Familie gekümmert haben, Renten unter 450 Euro. "Aber entscheidend ist das Haushaltseinkommen. Und die Rente des Ehemanns fällt in der Regel höher aus."
Geringverdiener, Alleinerziehende, Teilzeitbeschäftigte, Menschen, die längere Zeit arbeitslos waren, und Migranten aus Syrien, Afghanistan, mit denen keine Sozialversicherungs-Abkommen bestehen, sind besonders gefährdet, in die Altersarmut abzurutschen. Ebenso selbstständige Kleinunternehmer, die oft keinen Cent in die Rentenversicherung einzahlen. Private Zusatzversorgungen kann kaum einer von ihnen aufbringen.
Beamte stehen in Sachen Alterssicherung auf der Sonnenseite der Gesellschaft. 1500 Euro Grundpension sind ihnen sicher. Bäcker, obwohl selbst verbeamtet, plädiert dafür, dass auch Staatsdiener in die Rentenversicherung einzahlen. Allerdings glaubt er nicht daran, dass die Politik dies in absehbarer Zeit beschließen wird. Hinzukommt, dass die Länder als Dienstherren zunächst mehr zahlen müssten, nämlich neben dem Arbeitgeberanteil in den Rentenversicherung auch noch höhere Gehälter. Langfristig wäre es auf jeden Fall sinnvoller, so Bäcker: "Die Pensionslasten sind für die Länder irgendwann nicht mehr tragbar. Das ist eine Ausgabenbombe." Er ist überzeugt, dass die Pensionen sinken müssen.
Höhere Renten wären also wünschenswert - nur: wer soll die bezahlen? Experte Bäcker meint: "Die Finanzierung geht immer zu Lasten der aktiven Generation. Natürlich wird es Diskussionen geben, wie hoch die Sozialversicherungs-Beiträge steigen können". Seine optimistische Sicht: Die höheren Beiträge werden, wie bisher, durch steigende Einkommen ausgeglichen.
Der Sozial-Experte sieht auch Aspekte, die sich positiv auf die Rentenentwicklung auswirken könnten: Die Zahl der erwerbstätigen Frauen, auch in gut bezahlten Jobs, ist gestiegen und sollte laut Bäcker weiter gefördert werden. "Dazu muss man die Voraussetzung schaffen, Beruf und Familie zu vereinbaren." Und zwar für Männer und für Frauen, die sich neben der Kindererziehung zunehmend um die Pflege von Angehörigen kümmern müssten. Auch eine weitere Anhebung des Mindestlohns trage zur Vermeidung von Altersarmut bei. Ebenso die Abschaffung der beitragsfreien Minijobs. Und außerdem werden die Menschen in Zukunft wohl noch länger arbeiten, möglicherweise bis zum 72. Lebensjahr. "Falls dies überhaupt gesundheitlich zu schaffen ist", gibt Bäcker zu Bedenken.
Sozialberaterin van Aal jedenfalls hält es (eigentlich) für selbstverständlich, dass sich die Solidargemeinschaft um die Alten und Schwachen kümmern muss. "Es macht mich traurig, wenn ich sehe, wie ein alter Mensch im Müll nach Pfandflaschen wühlt. Das ist ein Armutszeugnis für die Gesellschaft.". So isses! (GaB/ChG/ARi)