Als Übersetzer aktiv mit dabei
Wafaa M. ist zusammen mit ihrem Sohn Ghaith in die Sprechstunde gekommen. Sie versteht die Mitteilung der Agentur für Arbeit nicht: Warum überweisen die ihr jetzt monatlich weniger Geld - wodurch kommen die Abzüge zustande? Ist alles in Ordnung? Sozialarbeiterin Sophia Schönig arbeitet sich routiniert durch die Papiere. "Die Agentur für Arbeit geht davon aus, dass Ihnen die Kindergeldkasse bereits Geld für Ihren Sohn überweist", erläutert sie und weist auf den Jungen. "Diesen Betrag ziehen sie daher von Ihrer Sozialhilfe ab! Haben Sie Ihre Kontoauszüge dabei? Wir müssen nur nachweisen, dass Sie dieses Kindergeld noch gar nicht bekommen, dann wird man Ihnen den Betrag nachzahlen."
Wafaa M. blickt fragend zu Alan Osman, der am Tisch dabeisitzt. Er schaut zur Sozialarbeiterin, die ihm zunickt. Nun spricht er auf Arabisch mit der Klientin, deutet auf die Papiere, gestikuliert. "Wir können gleich zusammen zur Bank gehen, um die Kontoauszüge auszudrucken", übersetzt er dann auch gleich die Antwort der Syrerin. Alan stammt ebenfalls aus Syrien, lebt aber schon einige Jahre in Kassel. Doch auch er war einst als Flüchtling gekommen und hatte so die Caritas-Flüchtlingshilfe kennengelernt. Bald nach seiner Ankunft fing Alan an, als Freiwilliger die Caritas durch Dolmetschen ins Arabische oder auch ins Kurdische bei Beratungsgesprächen zu unterstützen. Im Herbst 2016 schließlich fragte man ihn, ob er nicht ein Jahr lang für die Caritas Flüchtlingshilfe als Bundesfreiwilliger die Dolmetscher-Tätigkeit übernehmen wolle.
Wichtige Hilfe für die Caritas
"Das Angebot, fest mitzuarbeiten, habe ich natürlich gerne angenommen", berichtet Alan. "Nun bin ich wöchentlich 20 Stunden hier tätig. Ich werde vom Sozialarbeiter-Team immer in die Gespräche gerufen, in denen Flüchtlinge beraten werden, die erst kurz hier sind und einfach noch nicht genügend Deutschkenntnisse haben. Dann versuche ich die Informationen der Sozialarbeiter so genau wie möglich weiterzuvermitteln."
"Es ist sehr wichtig, dass die Dolmetscher, die wir einsetzen, einige Regeln für die Beratungsgespräche kennen", erläutert Hilla Zavelberg-Simon, Leiterin des gesamten Dienstes "Migration und Flüchtlingshilfe" beim Caritasverband Nordhessen-Kassel. "Dass man das Gespräch nur passiv begleitet, also übersetzt, was gesagt wird, nicht aber anfängt, zu erläutern oder gar zu beraten. Das Gespräch führen immer die Caritas-Sozialarbeiter."
Bei Alan Osman sind die Caritas-Mitarbeiter sicher, dass er die Gespräche ganz akribisch übersetzt. Außer Alan beschäftigt die Caritas Kassel derzeit noch zwei weitere ausländische Mitarbeiter als Bundesfreiwillige. Einer ist Abdul Rahman Al Aghuani. Der junge Mann ist erst seit 15 Monaten in Deutschland, lernt aber mit großem Eifer Deutsch und erweitert seine Sprachkenntnisse beständig. Er möchte in Deutschland Elektrotechnik studieren. Abdul übt Deutsch für die Sprachprüfung, die obligatorisch für die Studienzulassung ist. Als Bundesfreiwilliger ist er jetzt in der Caritas-Fahrradwerkstatt tätig, in der von Freiwilligen und Flüchtlingen gespendete Fahrräder hergerichtet und gegen einen kleinen Obolus an die Flüchtlinge abgegeben werden. Abdul ist dort gleichermaßen für Werkstatt und Verkauf zuständig. "Wir sind froh, dass wir ihn für die Aufgabe hier gewinnen konnten", erklärt Maria Sanna, Freiwilligen-Koordinatorin der Caritas. "In der Werkstatt sind viele deutsche und ausländische Freiwillige tätig, und für sie ist Abdul hier jetzt der feste Ansprechpartner, der immer vor Ort ist." "Ich komme täglich nach dem Sprachkurs", bestätigt Abdul. "Viele, die hierherkommen, sind natürlich keine Deutschen. Die Arbeit ermöglicht mir aber trotzdem, viel Deutsch zu sprechen. Schließlich reden auch von den Flüchtlingen nicht alle Arabisch!"
In der Tat – durch die Flüchtlinge und Zuwanderer der jüngsten Zeit kamen nochmals viele Sprachen nach Kassel, unter anderem Armenisch, Dari, Farsi, Urdu, Türkisch, Paschtu, Bulgarisch, Russisch, Ukrainisch, Rumänisch, Somali und Tigrinya, um nur ein paar zu nennen. Alle diese Sprachen könnten in den Beratungsgesprächen der Caritas Relevanz haben – unmöglich, dies mit Alan und Latifa Sharki, der dritten ausländischen Bundesfreiwilligen bei der Caritas Kassel, sprachlich abzudecken. Latifa Sharki kommt aus Afghanistan und spricht Farsi, aber auch Russisch, nachdem sie in ihrem "ersten Leben" ihr Medizinstudium in Moskau absolviert hatte. Nun lebt sie schon viele Jahre in Nordhessen. Ihre Stunden als Bundesfreiwillige leistet sie in erster Linie im Flüchtlingshilfe-Kleidermarkt, aber auch ihre Dolmetscher-Dienste sind immer wieder gefragt.
Sprachkenntnisse sind der Schlüssel
Um für Beratungen in allen Sprachen gewappnet zu sein, hat die Caritas in der nordhessischen Großstadt das Projekt "Trans-it" gestartet, mit dem ein Pool ehrenamtlicher Dolmetscher aufgebaut wird. Freiwillige durchlaufen ein Interview zur Motivation und eine Bewerbungsphase. Sie erhalten Kontakt und Begleitung durch feste Ansprechpartner, Supervision, Schulungen und – auch nicht zu unterschätzen – Aufwandsentschädigungen. Projektkoordinatorin Gabriele Manß-Reschke zeigt sich positiv beeindruckt, wie viele Menschen dabei mitmachen wollen. "Gerade die Menschen, die etwa Anfang der 90er-Jahre selbst einmal als Flüchtlinge kamen, wollen jetzt gerne helfen. ‚Wir können so etwas davon zurückgeben, das wir an Hilfe selbst erhalten haben‘, sagen sie. Außerdem hoffen sie die Integration ihrer Landleute so unterstützen zu können!" Neben den Beratungsgesprächen sollen die Freiwilligen zum Beispiel auch bei Behördengängen, Arztbesuchen, im Krankenhaus und zu Besuchen bei den Flüchtlingen in ihren Unterkünften zum Einsatz kommen.
Die vielen Dolmetscher, alles Muttersprachler, reihen sich ein in die große Schar deutscher Freiwilliger, die seit Beginn der Flüchtlingswelle 2014 die Kasseler Caritas bei der Flüchtlingshilfe, als Begleiter und Paten einzelner Flüchtlinge oder ihrer Familien unterstützt haben, um die Angekommen beim Aufbau ihres Lebens in der neuen Heimat zu begleiten. "Unsere Dolmetscher sollen nur am Anfang aushelfen, wenn die Zuwanderer durch die Landessprache einfach noch überfordert sind", betont Hilla Zavelberg-Simon. "Aber eigene Deutschkenntnisse sind und bleiben der Schlüssel." In Konversationsgruppen lernen Zuwanderer mutig, das Erlernte anzuwenden - sei es, um Fragen zu stellen oder zu beantworten oder auch kleine Gespräche zu führen mit Ehrenamtlichen wie Julia Palmié und Edith Kraft.