Gerechter Lohn für Straffällige
Die Gefangenvergütung in Nordrhein-Westfalen und Bayern ist verfassungswidrig. Dieses Urteil verkündete das Bundesverfassungsgericht am 20. Juni 2023. In der Begründung spricht das Gericht der Praxis der Straffälligenhilfe aus der Seele und unterstreicht, dass die Umsetzung vieler langjähriger Forderungen der Katholischen Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe im Deutschen Caritasverband (KAGS) grundrechtlich erforderlich ist.
Die Höhe der Gefangenvergütung wurde schon immer kritisch betrachtet, auch weil sie keine Wertschätzung transportiert und nicht in ein schlüssiges Resozialisierungskonzept eingebettet ist. Genau dies hat das Bundesverfassungsgericht in deutlichen Worten moniert: "Der Gesetzgeber hat gesetzliche Rahmenbedingungen anzustreben, die dazu beitragen, dass das (geringe) Entgelt nicht als Teil der zu verbüßenden Strafe erlebt wird."
Damit ist das Urteil ein klarer Auftrag an die Landesgesetzgeber: Die Gefangenenvergütung muss verändert werden - entweder durch eine höhere monetäre Vergütung oder aber auch durch spürbare andere Leistungen. Hier würde sich anbieten, was längst überfällig ist: strafgefangene Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Seit 1977 ist es dem Gesetzgeber nicht gelungen, hier eine Lösung zu finden.
Das Bundesverfassungsgericht legt seinen Finger auch in die offene Wunde der unzureichenden Forschung: "Das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot verlangt hinsichtlich der Gefangenenarbeit und ihrer Vergütung zumindest eine wissenschaftlich begleitete Evaluation der einzubeziehenden Faktoren - unabhängig und gegebenenfalls parallel zu einer Erforschung und Bewertung der tatsächlichen Wirksamkeit dieser Behandlungsmaßnahme." In der mündlichen Verhandlung hatten die kriminologischen Dienste hierzu wenig anzubieten, so dass erheblicher Nachbesserungsbedarf der Praxis und auch des Gesetzgebers besteht. Denn das Urteil weist auch darauf hin, dass das Resozialisierungskonzept vom Gesetzgeber verabschiedet werden muss und nicht der Verwaltung überlassen werden darf. Der Stand der aktuellen Wissenschaft und Forschung muss dabei berücksichtigt werden. Hier müssen die Expert:innen der Straffälligenhilfe zu Wort kommen. Die Resozialisierung ist für den Strafvollzug und die Gesellschaft kein Nice-to-have, sondern ein Auftrag!