Suche Sinn, biete Einsatz
Wir merken es seit langem: Nicht der Arbeitsmarkt ist umkämpft, es sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Martialisch sprechen die US-Amerikaner bereits vom "War of Talents". Das ist überspitzt, bringt allerdings zum Ausdruck: Arbeitgeber kämpfen mit zahlreichen Mitteln um Arbeitskräfte und Talente aus mittlerweile annähernd allen Altersgruppen. Das gilt besonders auch für das Gesundheitswesen. Hier fehlen 2030 in Deutschland mehr als 1,3 Millionen Vollzeitkräfte.
Längst können sich die Pflegefachkräfte aussuchen, wann und wo sie arbeiten wollen. Wenn der Arbeitsplatz nicht passend genug ist, findet sich sicher anderswo etwas Besseres. Die einst eher verpönten Zeitarbeitsfirmen locken mit freien Wochenenden sowie garantierter Nachtdienstfreiheit und zahlen mittlerweile sogar ordentliche Gehälter. Sie haben keinen Ausbildungsaufwand und verdienen an einer Personalnot der Träger, die sie gleichzeitig dadurch verschärfen, dass sie Fachkräfte abwerben.
Was kann die Caritas dem entgegensetzen? Was hat sie zu bieten für die Generationen X, Y und Z? Also jenen jüngeren Menschen, denen von Altvorderen und manch düsterer Studie wenig Loyalität zum Arbeitgeber zugeschrieben wird, die angeblich kaum bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, die mit vermeintlichen Bildungsdefiziten auf den Arbeitsmarkt drängen, dabei anspruchsvoll und auch noch wenig kritikfähig seien. Solche Bilder im Kopf machen die Nachwuchsgewinnung nicht leichter.
Dieser Sichtweise mancher Babyboomer auf die Jüngeren fehlt es an Anerkennung für einen Bewertungswandel der Arbeit im Leben vieler Menschen, nicht nur der jüngeren. Genau hier kommt die Caritas ins Spiel:
Der Wunsch nach menschlicher Begegnung und Abwechslung im Arbeitsfeld ist hoch. Die Bedeutsamkeit von Familie und Freundschaft im Leben wird ernst und wichtig genommen. Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten in einem sicheren Arbeitsverhältnis sind positive Entscheidungskriterien bei der Wahl für einen Arbeitgeber - sogar ziemlich losgelöst vom Verdienst. Sinnstiftender und anspruchsvoller Tätigkeit wird ein besonders hoher Wert zugemessen - uniforme, unterkomplexe und sich wiederholende Aufgaben werden abgelehnt. Karriere - nicht um jeden Preis. Lebensfreude soll während der Arbeitszeit aufkommen. Es werden auch längere Phasen der regenerativen Auszeit und Anderszeit angestrebt. Diese Auflistung macht deutlich, dass Caritas und moderne Lebenskultur gut zusammenpassen. Ein Pluspunkt also für die Caritas. Nur, wie bewusst sind wir uns dessen? Wie können und wollen wir mit veränderten Ansprüchen neuer Generationen umgehen, welche Anknüpfungspunkte bieten wir?
Caritas als attraktive Arbeitgeberin
Beginnen wir bei Hape Kerkeling. In einer seiner populärsten Rollen als Paartherapeutin Evje van Dampen sagte er: "Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit." Geht man nach den Fachleuten für Personalgewinnung und -entwicklung, so scheint das heute auch umgekehrt der Fall zu sein: Arbeit ist Liebe, Liebe, Liebe. Nicht selten trägt die Wahl des Arbeitgebers Züge einer Partnerwahl.
Beide Seiten stellen sich Fragen wie: Respektieren und vertrauen wir einander? Fühlen wir uns miteinander wohl? Teilen wir dieselben Werte? Halten wir auch in schwierigen Situationen zusammen? Teilen wir Ziele und Erwartungen an die Zukunft? Können wir gut miteinander reden und auch streiten? Und überprüfen wir regelhaft, ob wir uns in der aktuellen Lebensphase (noch) guttun?
Es geht viel um Augenhöhe. Dienstgebende und -nehmende entscheiden sich füreinander. Ein dienstliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen einem starken Arbeitgeber und einem auf Anerkennung verwiesenen Arbeitnehmenden, wie wir es an vielen Stellen bis in die 2000er-Jahre hinein kannten, gibt es so nicht mehr.
Einige kluge Maßnahmen
Gelingt es, die Attribute einer neuen Arbeitnehmer:innen-Generation als angemessene Ansprüche an das Leben und die Arbeit einzuordnen, ist die Basis für das Miteinander-Gehen schon mal deutlich besser. Der Anspruch ist das wertschätzende Zusammenwirken in einer multiprofessionellen und multikulturellen Kollegialität. Dazu kommen einige kluge Maßnahmen, von denen hier einige exemplarisch aufgeführt sind:
So hat der Diözesan-Caritasverband Köln mit seinen Mitgliedsverbänden einen gemeinsamen Talent-Pool eingerichtet. In den Ballungsräumen in NRW konkurrieren auch die Verbände der Caritas-Familie miteinander um Arbeitskräfte. Da sind die Stellenanzeigen des benachbarten Verbandes immer interessant. Der Talent-Pool macht sich diese Nähe zunutze - ist ein Bewerber, eine Bewerberin in einem Verband nicht zum Zuge gekommen, kann das mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gute Fachkraft auf einer anderen Stelle im Nachbarverband sein.
Einige Mitglieder nutzen Formate wie "Mitarbeitende werben Mitarbeitende", auch mit Belohnungen wie zusätzlichen Urlaubstagen, Geld- oder Sachprämien.
Ebenso gehört die Gewinnung von Pflegefachkräften aus dem Ausland dazu. Ein hochspannendes Thema in der Caritas - gilt es doch einerseits, nicht die ausgebildeten Fachkräfte aus anderen Ländern abzuziehen, andererseits, sich nicht dem faktischen Wunsch und Bedarf vieler Menschen und Institutionen hier zu verschließen. So oder so werden viele Menschen nach Deutschland kommen und viele werden gebraucht werden. Es gibt vernünftige Ansätze mit Ausbildungsgarantien einschließlich Spracherwerb bereits im Heimatland.
Verstärkt arbeiten wir auch politisch daran, etwa im Kita-Bereich den Quereinstieg mit Angleichungsqualifikationen zu erleichtern.
Neuerdings geht es noch gezielter um die Weiterqualifizierung von Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere von Frauen, die schon hier leben. Ihnen werden gezielt gleichzeitig Sprachkurse angeboten und Kinderbetreuung sichergestellt. So wird ihnen die Möglichkeit eröffnet, eine eigene Berufskarriere zu starten.
Neben guter Einarbeitung und faire Bezahlung gibt es ...
Neben fairen Löhnen gibt es andere gewichtige Faktoren: Ist der Arbeitsplatz gut ausgestattet und passen Arbeitszeit und -ort zur aktuellen Lebensphase? Und gibt es Qualifikations- und Laufbahnwünsche innerhalb der Caritas-Familie?
Der Kölner Diözesan-Caritasverband bietet wie viele andere auch die fast schon erwarteten Möglichkeiten an: mobiles Arbeiten, Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, Minus-/Plusstunden-Konten, Sonderurlaubstage, Regelungen für die Familienpflegezeit, Langzeitarbeitskonten, Sabbaticals, Altersteilzeiten, flexible Renteneintritte, neben Kirchlicher Zusatzversorgungskasse auch Job-Ticket oder Job-Bike.
Dazu kommen: Lauftreff, Fußballgruppe, Gesundheitstag, Kurse wie Rückenfit in der Mittagspause, betriebliches Gesundheitsmanagement, psychische Gefährdungsbeurteilung mit zielgerichteten Maßnahmen zur Risikoreduzierung, Supervision, Fortbildungen und Coaching-Angebote.
Die sogenannten Exit-Gespräche bei Kündigungen sind aufschlussreich. Wir wollen auch wissen: Was bieten andere Arbeitgeber, unter welchen Umständen würde der:die Arbeitnehmer:in doch bleiben?
Weiterentwicklung ist das A und O
Ein großes Thema sind die beruflichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Dazu gehören mehr persönliche Spezialisierungen beispielsweise in der Altenpflege: Um Mängel in der Medikamentenversorgung zu beseitigen, wird gerade die gezielte Fortbildung und Beauftragung für das Medikamentenmanagement erprobt. Die höhere Verantwortung muss dann natürlich auch zusatzvergütet werden.
Oft sind es gerade diese Entwicklungsmöglichkeiten im Arbeitsfeld selbst, die die Mitarbeitenden vermissen. Dabei ist das große Plus der Caritas-Familie: Wer einmal dazugehört, bei dem kann viel Bindung und Weiterentwicklung gelingen.
Aber zurück zur Bindung: Grundsätzlich weiß die aktuelle Forschung, dass das subjektiv emotionale Erleben von Zusammengehörigkeit - die sogenannte affektive Bindung - den größten Ausschlag dafür gibt, ob man langfristig Ja zu einem Arbeitgeber sagt. Das sogenannte Commitment ist dann am größten, wenn folgende Faktoren erfüllt sind:
◆ geteilte Norm- und Wertevorstellungen,
◆ Gefühle von Zugehörigkeit und Wertschätzung,
◆ Zusammengehörigkeit mit Kolleg:innen,
◆ Spaß am Miteinander und an der Arbeit.
Alles Bedingungen, die auch eine gute Partnerschaft ausmachen. Und doch zeigt die Realität, dass die Rechnung nicht immer aufgeht. Das Beispiel, dass sich Pflegekräfte immer häufiger über Leiharbeitsverhältnisse anstellen lassen, macht deutlich, dass es Zumutungen gibt, die diese Faktoren offensichtlich kaltstellen, wenn es beispielsweise um bevorzugte und verlässliche Arbeitszeiten geht. Ein Dilemma - denn Pflege geht nicht "nine to five".
Caritas als starker Arm der Kirche
Angesichts der Krise der Kirche in Deutschland hat sich die Caritas bisher als ziemlich robust und als starker Arm der Kirche gezeigt, wo es gelingt, den christlichen Anspruch und Auftrag gegenüber den Menschen und der Gesellschaft zum Tragen zu bringen.
Insbesondere mit dem Rückenwind der Initiative #OutInChurch wurde das kirchliche Arbeitsrecht von den Bischöfen reformiert. Dafür war es auch wichtig, dass sich die Caritas mit den "10 Zusagen für Mitarbeitende" profiliert und die Diskussion um die neue Grundordnung selbstbewusst geführt hat. Bringt der Caritas die geänderte Grundordnung nun einen echten positiven Effekt im Hinblick auf die Attraktivität als Dienstgeberin? Noch lässt es sich nicht einschätzen. Der Vorbehalt, dass in Kirche und Caritas manche Menschen nicht akzeptiert werden, ist immer noch groß. Dass das Thema persönliche Lebensführung nun so deutlich keine Rolle mehr spielt, macht den Weg frei, dass sich Menschen für die Caritas öffnen. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es passt zwischen der Dienstgeberin Caritas und den vielen Menschen guten Willens, mit denen sie zusammenarbeiten möchte.
Kita als Ort für Bildung
Die Rahmenbedingungen in der Pflege müssen stimmen
Großflächig gegen Fachkräftemangel
Die Fachkräfte-Kampagne macht den Wert der Arbeit sichtbar
Imagekampagne für Kita-Berufe
Die Mischung macht’s: analoge und digitale Beratung
Klimaneutralität: Wo steht die Caritas?
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